Mord in der Tiefgarage: Kommt er für immer frei?
Hat er seine Tochter missbraucht und eine Mitwisserin getötet? Das Bundesgerichtshof in Karlsruhe prüft das Urteil gegen Peter S.
NÜRNBERG/KARLSRUHE Der Landschaftsgärtner Peter S. (46) genießt ein Privileg, das in der Justizgeschichte Nürnbergs außerordentlichen Seltenheitswert besitzt. Er gehört zu den ganz ganz wenigen Menschen, die vor dem Schwurgericht unter Mordanklage standen – und am Ende des Prozesses freigesprochen wurden. Doch die juristische Zitterpartie ist für ihn noch nicht zu Ende. Am Dienstag kommt das umstrittene Urteil der Schwurgerichtskammer beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe auf den Prüfstand.
Neun Jahre lang biss sich die Erlanger Kriminalpolizei die Zähne aus. Unterschiedlichste Theorien wurden aufgestellt, unzählige Zeugen vernommen, noch so kleinste Spuren und Hinweise ausgewertet. Nichts! Der Mörder der Arzthelferin Susanne M. (†27), deren Leiche am 5.März 1999 in einer Tiefgarage entdeckt wurde, blieb ein Phantom. Doch dann wendete sich das Blatt. Peter S. geriet zwischen die Mühlsteine der Ermittler.
Oberstaatsanwalt Wolfgang Gründler, der die Ermittlungen führte, die Anklage erhob und nun auch den Freispruch in Karlsruhe zu Fall bringen will, ist felsenfest davon überzeugt, dass Peter S. die Arzthelferin ermordet hat, um sie als Mitwisserin aus dem Weg zu räumen. Sie hat seiner Ansicht nach davon gewusst, dass der Gärtner seine eigene minderjährige Tochter missbrauchte – und mit einer Anzeige bei der Polizei gedroht.
Den Missbrauch an seiner Tochter musste er zugeben
Bei den Ermittlungen und im Prozess, der fast genau zehn Jahre nach dem gewaltsamen Tod der Arzthelferin begann, wurden erschreckende familiäre Verhältnisse aufgedeckt. Peter S. musste unter der Last der Beweise den Missbrauch an seiner Tochter zugeben. Und kurz zuvor war auch schon sein Bruder wegen mehrfacher Vergewaltigung verurteilt worden. Opfer war die inzwischen geschiedene Ex-Ehefrau von Peter S. und Mutter des missbrauchten Mädchens – zugleich beste Freundin von Susanne M.
Obwohl eine ganze Reihe von Indizien darauf hindeuten, dass Peter S. den Mord begangen hat, sprach ihn das Schwurgericht wegen vermeintlicher Lücken in der Beweiskette frei. Richter Richard Caspar war dabei offensichtlich selbst nicht ganz wohl. „Es ist schwer nachvollziehbar“, räumte er in der Urteilsbegründung ein.
Genau dieser Frage wird morgen der Bundesgerichtshof in Karlsruhe nachgehen. Er prüft, ob Verfahrensfehler gemacht wurden, ob die Beweisführung, die zum Urteil geführt hat, schlüssig ist, ob alle Aussagen und Indizien richtig eingeordnet wurden. Bestehen Zweifel an der Korrektheit der Nürnberger Gerichtsentscheidung, muss der Mord-Prozess neu aufgerollt werden. Für Peter S. ist die Zitterpartie damit noch nicht zu Ende.
Seine Ex-Frau, die noch immer an den Folgen der Vergewaltigungen durch ihren Schwager leidet, hat das Schicksal dagegen noch immer fest im Griff. Zum Verlust ihrer besten Freundin Susanne kam die Gewissheit, dass der Mann, den sie einmal liebte, auch eine ihrer beiden gemeinsamen Töchter missbraucht hat.
Damit nicht genug: Im Sommer 2009 starb auch ihr zweites Kind. Das Mädchen (18) wurde nach der Großgründlacher Kirchweih von einem Kleinlaster überrollt.
Helmut Reister