Mord aus Habgier? Krailling-Prozess ab Dienstag
München - Monatelang hat er geschwiegen. Ob er vor Gericht etwas zu dem Verbrechen sagen wird, ist offen: Der Onkel der ermordeten Kraillinger Schwestern Chiara (8) und Sharon (11) muss sich vom nächsten Dienstag (17. Januar) an vor dem Landgericht München II verantworten. Der Postbote aus Peißenberg, selbst Vater von vier Kindern, soll sich in der Nacht zum 24. März 2011 in die unverschlossene Wohnung geschlichen und seine acht- und elfjährigen Nichten brutal ermordet haben. Die Tatwerkzeuge: Hantelstange, Messer und Strick.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte der 51-Jährige – laut Medienberichten durch einen Hausbau in finanzielle Nöte geraten – so an das Erbe seiner Schwägerin kommen. Er habe die Tat „heimtückisch und aus Habgier“ begangen und auch die Mutter umbringen wollen. „Wir gehen davon aus, dass er erwartet hat, die Mutter im Laufe des Abends noch anzutreffen“, sagte Oberstaatsanwältin Andrea Titz.
Doch die Frau war nicht zu Hause, sie half in der etwa 100 Meter entfernten Musikkneipe ihres Lebensgefährten. Als sie am frühen Morgen nach Hause kam, fand sie die Leichen ihrer Kinder. Zunächst gab der Mord Rätsel auf: Die Tür war nicht verschlossen, als die Mutter zur Arbeit ging. Konnte das zufällig ein Fremder bemerkt haben? Hatte er gar im Internet Kontakt zu den Mädchen geknüpft? Oder war es ein Racheakt?
DNA des Onkels an Mordwerkzeug und Leichen
Der Onkel, der bis dahin nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, wurde im Zuge der Ermittlungen als Zeuge vernommen und gab sogar freiwillig eine Speichelprobe ab – ein Treffer: Seine DNA fand sich vielfach in der Wohnung – unter anderem an den Leichen der Kinder sowie an der Hantelstange, dem Messer und dem Seil. Als am 1. April die Polizei kam, um den Postboten festzunehmen, spielten seine Kinder mit Freunden im Haus.
In ersten Vernehmungen bestritt der Mann die Tat. Er sagte, die DNA-Spuren in der Wohnung der Schwägerin stammten von einem Nasenbluten bei einem Besuch zwei Wochen vor der Tat. Später schwieg er – zumindest gegenüber den Ermittlern. Nun hat die Staatsanwaltschaft auch einen Mithäftling als Zeugen benannt, der aus Gesprächen mit dem Angeklagten berichtet hatte. „Uns liegen mehrere Aussagen eines Zellengenossen vor“, sagte Titz.
13 Prozesstage angesetzt - Ex-Frau des Angeklagten wichtige Zeugin
Die Ankläger haben neben zahlreichen weiteren Beweisen 63 Zeugen und neun Sachverständige benannt – ob sie geladen werden, entscheidet das Gericht. Der Vorsitzende Richter am Landgericht München II, Ralph Alt, wird den Prozess führen. Alt hatte im Frühjahr 2011 den Nazi-Helfer John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 28 060 Juden zu fünf Jahren Haft verurteilt – ein Indizienprozess, wie es auch das Verfahren im Fall Krailling werden könnte.
Bisher sind 13 Prozesstage bis zum 27. März angesetzt. Eine wichtige Zeugin dürfte die Ehefrau des Angeklagten sein, die sich inzwischen von ihm scheiden ließ. Im Sommer sagte sie dem Magazin „Stern“, sie glaube an seine Schuld. „Für mich gibt es keinen Zweifel, dass er es war“, sagte sie in dem Interview. „Das wären zu viele Zufälle.“ Anfangs hatte die Frau ausgesagt, ihr Mann sei in der Tatnacht bei ihr gewesen – was sie später revidierte.
Ihr Mann habe sie früh morgens angerufen, dass er wegen Zahnschmerzen nicht habe schlafen können und schon an seine Arbeitsstelle nach Feldafing gefahren sei, weil er so viel zu tun habe. Ihre Schwester, die Mutter der ermordeten Mädchen, hat sich nach der Tat mit ihrem Lebensgefährten vollkommen zurückgezogen. Bekannte betreiben vorerst die beliebte Musikkneipe „Schabernack“ weiter. Im Gästebuch war das Verbrechen immer wieder Thema. „Ich denke sehr oft an Euch und an Eure Kinder“, schrieb etwa eine Frau. „Vielleicht heilt die Zeit doch ein bisschen die Wunden, ich weiß es nicht?!? Wünsche Euch ganz viel Kraft und Zuversicht!“