Modellauto-Affäre: Kommt der Dreifachmörder bald frei?

Der Anwalt von Roland S. behauptet, sein Mandat sei zu Unrecht in den Hochsicherheitstrakt nach Straubing verlegt worden. Brisante Dokumente um Hubert Haderthauers Firma stützen seine These.
von  Helmut Reister
Christine und Hubert Haderthauer.
Christine und Hubert Haderthauer.

Die abenteuerlichen, jegliche Vorschrift außer acht lassenden Zustände bei der Modellauto-Produktion in den Bezirkskrankenhäusern Ansbach und Straubing könnten dazu führen, dass Dreifachmörder Roland S. aus dem Hochsicherheitstrakt entlassen werden muss. Beim Oberlandesgericht Nürnberg ist eine entsprechende Klage anhängig. Im Fokus des Entscheidungsprozesses steht die Verlegung der Produktion von Ansbach nach Straubing im Jahr 2000.

Besonders pikant: In Ansbach war Roland S. bereits in den 90er Jahren – sogar über Wochenenden – gelockert. Im BKH Straubing wird aufgrund einer Vereinbarung mit der Stadt Straubing nicht gelockert. Dort kann und darf niemand gelockert werden. Der Münchner Rechtsanwalt Adam Ahmed sagt, „Lockerungen sind essentielle Bestandteil jedweder Therapie im Maßregelvollzug. Meinem Mandanten diese aus therapiefremden Motiven wegzunehmen entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften“.

Der handwerklich geniale Straftäter, ohne dessen Beteiligung der Bau der sündhaft teuren Modellautos nicht möglich gewesen wäre, wurde damals gleich mitverlegt. Für den Münchner Rechtsanwalt Adam Ahmed, der Roland S. in dieser Sache vertritt, war dies ein nicht legitimierter Vorgang. „Es gab keine medizinisch begründete Notwendigkeit, um ihn in den Hochsicherheitstrakt nach Straubing zu verlegen“, beurteilt Ahmed den Standortwechsel. Für ihn ist klar, dass die Unterbringung von Roland S. in Straubing ausschließlich den wirtschaftlichen Interessen der Firma „Sapor Modelltechnik“ geschuldet war.

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An dem Unternehmen waren Christine und Hubert Haderthauer als Gesellschafter und Geschäftsführer beteiligt (AZ berichtete). Wie dem Protokoll eines Krisengipfels in Ansbach zu entnehmen ist, stand das Modellauto-Projekt im Sommer 2000 kurz vor dem Aus. Wegen akuter Sicherheitsmängel hatte die neue Direktorin des BKH Ansbach der Firma gekündigt. Unter welchen Umständen daraufhin die Verlegung der Produktion und des untergebrachten Straftäters nach Straubing stattfand, ist eine offene Frage. Sicher scheint zu sein, dass eine hemdsärmelige Lösung außerhalb des notwendigen rechtlichen Rahmens gefunden wurde.

So hätte im Fall von Roland S. auch die Staatsanwaltschaft angehört werden müssen. Dies ist offensichtlich nicht geschehen. Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, erklärte: „Wir wurden erst danach informiert.“ Für Anwalt Ahmed ist klar, dass die Verlegung seines Mandanten aus medizinischer Sicht unbegründet war. Ahmed: „Er hätte nur dann in den Hochsicherheitstrakt nach Straubing verlegt werden dürfen, wenn er sich etwas zu Schulden hätte kommen lassen. Das war nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Mein Mandant war ein regelrechter Musterpatient.“Auch innerhalb des Sozialministeriums, dem die Dienstaufsicht über die Bezirkskrankenhäuser obliegt, riefen die Geschäfte der Haderthauers Bauchschmerzen hervor. Das steigerte sich, als Christine Haderthauer 2008 zur Sozialministerin ernannt wurde.

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In einem internen Schreiben, das eine leitende Beamtin des Ministeriums am Tag nach der Ernennung von Christine Haderthauer anfertigte, werden ebenfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Unterbringung des „Chefkonstrukteurs“ im Straubinger Hochsicherheitstrakt geäußert. Wörtlich heißt es in dem Aktenvermerk vom 31. Oktober 2008: „Es ist unklar, ob der Patient S. überhaupt so gefährlich ist, dass ein weiterer Verbleib unter den hohen Tagessätzen erforderlich ist. Im günstigsten Fall belegt er nur zu unrecht einen teueren Unterbringungsplatz. Im ungünstigsten Fall wurde er seit Jahren zu Unrecht seiner Freiheit beraubt.“

Auch die leitende Beamtin des Ministeriums äußert starke Zweifel, dass im Umgang mit Roland S. therapeutische Aspekte eine wesentliche Rolle spielten. Sie schreibt: „Die Geschäftsbeziehungen scheinen weit überwiegend zum finanziellen Vorteil von Dr. Haderthauer zu sein, der hohe Summen zu erwirtschaften scheint, während der AT-Bereich der Klinik in Straubing sogar Defizite erwirtschaftet.“ Für Adam Ahmed ist die Diktion der Beamtin Wasser auf den Mühlen. Seine Überzeugung: „Es kam nur auf die Geschäftsinteressen der Firma an. Deswegen wurden die Rechte meines Mandanten über Bord geworfen.“ Ob er sich mit dieser Argumentationsschiene vor dem Oberlandesgericht Nürnberg durchsetzen kann, ist offen. Eine Entscheidung soll in der nächsten Woche fallen.

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