Mobbing: Managerin will zwei Millionen von Siemens

Die gebürtige Afghanin Sedika Weingärtner zog vors Nürnberger Arbeitsgericht. Ihr heftiger Vorwurf: „Am Arbeitsplatz wurde ich schlimmer behandelt als Juden im 3. Reich“
von  Abendzeitung
So berichtete die taz über die Frau, die sich schlimmer behandelt fühlt als Juden in der Nazi-Zeit.
So berichtete die taz über die Frau, die sich schlimmer behandelt fühlt als Juden in der Nazi-Zeit. © bayernpress.com

Die gebürtige Afghanin Sedika Weingärtner zog vors Nürnberger Arbeitsgericht. Ihr heftiger Vorwurf: „Am Arbeitsplatz wurde ich schlimmer behandelt als Juden im 3. Reich“

NÜRNBERG „Fäkaler und abdominaler Sprachstil“: Komplizierte Worte, die Sedika Weingärtner aus Nürnberg häufig in den Mund nimmt. Vornehme Umschreibungen für üble Beschimpfungen an ihrem Arbeitsplatz: Sieben Jahre sei sie dort als Frau und Ausländerin diskriminiert worden.

Am Mittwoch wurde ihr Fall erstmals vor dem Nürnberger Arbeitsgericht verhandelt. Eigentlich nichts Besonders. Wenn Sedika Weingärtner als Schadensersatz nicht die spektakuläre Summe von zwei Millionen Euro einfordern würde – und wenn es sich nicht um einen Arbeitsplatz in einem internationalen renommierten Unternehmen handeln würde. Denn Frau Weingärtner saß nicht hinter einer Supermarktkasse oder der Bar einer Spelunke, wo man „fäkalen und abdominalen Sprachstil“ noch eher vermuten könnte, sondern in einem Büro bei Siemens, wo die gebürtige Afghanin – studierte Sprachwissenschaftlerin und gelernte TV-Journalistin – als Einkaufsmanagerin tätig war.

Die Verhandlung am Arbeitsgericht wurde aufgeschoben, jetzt sitzt Frau Weingärtner mit ihrer Familie und ihren Anwälten in einem Konferenzraum in Grand Hotel. Zwischen Buffet und Kaltgetränken empfängt sie im Zehnminutentakt Journalisten. Viel Zeit hat sie nicht: „Gleich kommt die nächste Agentur“, lässt sie wissen, während pausenlos das Handy klingelt. Sitzt die Frisur? Soll die kleine Tochter mit aufs Bild? Frau Weingärtner will nichts dem Zufall überlassen. Schon am Dienstag hatte sie sich mit Reportern der „taz“ getroffen, die aus ihrem Fall ein Titelthema machten. Eine Frau mit Migrationshintergrund, der am deutschen Arbeitsplatz Schlimmes widerfahren ist – für die linke taz ein gefundenes Fressen.

Ihr Chef - „ein unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“

Aber was ist wirklich vorgefallen in der Siemens-Niederlassung in der Nürnberger Vogelweiherstraße zwischen 2002 und 2009? „Weil eine andere Frau meinen Job übernehmen sollte, wurde ich von zwei meiner Vorgesetzten systematisch fertig gemacht“, sagt Weingärtner, die mit dem Nürnberger Kunsthistoriker Helge Weingärtner verheiratet ist. Man habe sie von Besprechungen ausgeschlossen, mit einem alten PC abgespeist, in ein kleines Büro gesetzt und mit übermäßig viel Arbeit eingedeckt. Für Weingärtner Formen von „subtiler Gewalt“. Nach einer Baby-Pause sei alles noch schlimmer geworden. Beschimpft habe man sie, Worte wie „Dreck“ und „Schlamperei“ seien häufiger gefallen.

Weingärtner holte zum Gegenschlag aus, schrieb Mails an Siemens-Boss Peter Löscher und andere Führungskräfte. „Kein Jude in diesem Land musste jemals solche seelischen Qualen erleiden wie ich“, schrieb sie unter anderem. Und beschimpfte direkte Vorgesetzte und Peter Löscher als „Rassisten“. Einen bezeichnete sie als „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“. Heftige Vorwürfe, bei denen einem Siemens-Sprecher „der Kamm schwillt“. Und die für das Unternehmen Grund genug waren, Weingärtner zu kündigen.

Eine Abfindung von 60.000 Euro lehnte sie ab, spricht davon, wegen der Schmähungen dem Tode nahe gewesen zu sein. „Einmal stand sie unter Psychopharmaka und wäre fast vom Zug überrollt worden“, ergänzt Anwalt Klaus Alenfelder. Er und Kollege Frank Jansen wittern auf jeden Fall ein erkleckliches Honorar – sollte das Gericht der Schadensersatzforderung nachkommen.

Steffen Windschall

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