Mittelplatz in der ewigen „Neunten“-Tabelle

Extremer Beethoven mit den Münchner Symphonikern und dem Philharmonischen Chor Nürnberg
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Dirigierte die "Neunte": Georg Schmöhe, Ex-Chef der Nürnberger und jetzt der Münchner Symphoniker
az Dirigierte die "Neunte": Georg Schmöhe, Ex-Chef der Nürnberger und jetzt der Münchner Symphoniker

Nürnberg - Extremer Beethoven mit den Münchner Symphonikern und dem Philharmonischen Chor Nürnberg

Bisher galt für Nürnberger Aufführungen von Beethovens Symphonie Nr. 9 eine feste Schlachtordnung, deren Regeln bei der Verteilung der Beute ansetzen. Kein Jahreswechsel ohne die populäre „Ode an die Freude“ mit dem dreisätzigen Vorspann, aber als friedensstiftende Voraussetzung der gerechte Wechsel örtlicher Chöre. Jeder darf mal. Gelegentlich, da wurde dann stets das Orchester wichtiger für die Interpretation, griffen die Philharmoniker (Thielemann, Kloke, Prick), manchmal auch die Symphoniker (von Ferdinand Leitner bis Klauspeter Seibel) in Eigen-Regie zu. In der Regel aber heben konkurrierende Amateuer-Hundertschaften kombiniert als Manager und Sänger ihre Stimmen, mieten die Nachbars-Musiker zur Abrundung und sorgen für Heimspiele.

Jetzt war es etwas anders – da legten die Münchner Symphoniker zwischen den Feiertagen die „Neunte“ auf und engagierten, ehe sie in der Landeshauptstadt zu zwei Terminen mit dem dortigen Oratorien- und Konzertchor antreten, für die Meistersingerhalle spesengünstig Gerhard Rillings Philharmonischen Chor dazu. Da schau her: Götterfunke als Bayern-Projekt im Wechselrahmen. Ganz hat Dirigent Georg Schmöhe, Ex-Chef der Nürnberger und jetzt der Münchner Symphoniker, den Orts-Rekord der „Neunten“, den Prick vor zwei Jahren im Opernhaus aufstellte, nicht geschafft. Aber mit präzise 66 Minuten gehört er zu den Flotten im unendlich langen Spalier der formenden Interpreten. Er nimmt das Werk von den Extremen her, und zwar so deutlich, dass nach wenigen Minuten alles klar ist. Hier wird gestreckt und gestaucht. Ein Tableau flirrender Lyrismen, von kämpferischen Attacken weggewischt; die geschmäcklerische Feinkost, in den Sog der Fanfaren-Ästhetik getrieben.

Kein Wunder, dass nach dem ersten Satz mein Nachbar seiner Umgebung erklärte, dass Beethoven damals bereits taub gewesen sei. Im zweiten Satz stürmte der Maestro dann so heftig ins Ziel, dass die Beifallshände vorzeitig zuckten. Beim Adagio war es ein geradezu magischer Kampf mit der erschlaffenden Spannung, im Finale die frontale Wendung zum Beethoven’schen Pathos, wo in der Beschleunigung die Anarchie des Befreiungsschlags über staatstragende Feierlichkeit triumphierte.

Der flächig singende Philharmonische Chor wurde aus der Distanz gelockt in eine mit Taktschlägen zergliederte Vokal-Kulisse, an der die Forderung nach einem Piano aus hundert Kehlen etwas kühn wirkte. Unter den Solisten waren die Nürnberger „Tannhäuser“-Venus Alexandra Petersamer und Bassist Wilhelm Schwinghammer die besten. Tenor Jörg Dürmüller geriet jenseits des Tempolimits in Atemnöte. In der ewigen Nürnberger „Neunten“-Tabelle reicht es für einen Mittelplatz. Der Beifall rauschte aber wie für Vizemeister. D.S.

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