Mit Sexgöttin und Bananen durch den Schimpf-Orkan

Nürnberg - Spott-Kunst: Der Deutsche Kabarett-Preis 2010 ging in der Tafelhalle an Hagen Rether, Klaus Eckel, Lizzy Aumeier
Auch mal hübsch: Bei der vierköpfigen Schlussverbeugung flogen den drei Gewinnern und dem einen Moderator die Herzen zu – im Gegenzug gab’s dann von der Bühne Blumensträuße und Bananen. Als Wegzehrung für den Heimweg? Als Dank für’s dreieinhalbstündige Aushalten? Dabei war die 20. großartige Kabarett-Gala in der Tafelhalle, die sich Kabarettpreisverleihung nennt, überhaupt nicht zum Aushalten – sondern ausschließlich zum Genießen. Was nicht weiter verwunderlich ist, schließlich zeichnete der moderierende Vorjahrespreisträger Frank Lüdecke (Berlin) längst überfällig und vollkommen zurecht die Kabarettisten Hagen Rether aus Essen (Hauptpreis), den Wiener Klaus Eckel (Förderpreis) und die Wahl-Fürtherin Lizzy Aumeier (Sonderpreis) aus.
Der Fünfte im Spötter–Bund freilich, der kam aus der Politik. Nürnbergs OB Ulrich Maly, dessen Auftritt von den „Wildsauen aus der Burgentruppe“ im Vorfeld aus Konkurrenz-Denken nicht ganz ernsthaft torpediert wurde, legte den Finger in die offene Flanke seiner Partei – und die Latte für das folgende Programm hoch. Versprach er doch als erstes mit Hohn-Ziel Spaßpartei, dass es mit ihm, der „Freiheitsstatue des Nürnberger Rathauses“ kein „leistungsfreies Lachen geben werde“ (spätrömische Dekadenz!) und lobte seine Partei („die SPD, für diejenigen, sie sich nicht mehr erinnern können“) für ihr „verspieltes Schweigen“, mit dem man sich immerhin von 23 Prozent auf 24 Prozent gesteigert hätte. Da witterte Maly im „weiter so“ ein Erfolgsrezept und prophezeite die absolute Mehrheit in 27 Jahren.
Hagen Rether empfahl beeindruckt das Stadtoberhaupt schon mal nach Berlin weiter: „Dass solche Leute in der Provinz versauern, ist doch unglaublich“. Die polternde oberpfälzer „Sexgöttin“ Lizzy Aumeier war die Erste in der Profi- Leistungsschau und präsentierte stolz ihre Mann-Abrichtungsfähigkeiten (Das „ich liebe Dich“ muss zackzack kommen) und gab trotz Metall im Bein („da muss man erst einen Unfall haben, damit man richtig genagelt wird“) die Hochleistungs-Entertainerin mit Kontrabass-Unterstützung im Stand-Up-Wettstreit mit dem Publikum: „Wenn die Torte spricht, schweigen die Krümel!“
Die Möglichkeit eines gepflegten Schimpf-Orkans schätzt auch der Förderpreisträger Klaus Eckel. Der Wiener sponn die „Do-It-Yourself“-Idee von Ikea zu Ende und landete mit einem Imbus-Schlüssel im Wald („Da ist ihr Billy-Regal“), bevor er Obst-Memory („Welches Obst passt zu welcher Taste an der Wiegestation“) mit der Banane spielt – die ist nämlich weltweit immer die Nummer eins. Oder sich darüber aufregt, dass der Tankwart („eine deutlichere Job-Beschreibung gibt es nicht: tanken, warten“) heutzutage in seinem Glaskasten Brot backt. Und schließlich in wunderbaren Mini-Liedern ganz nahe bei Dada landete: „Wenn die Antilope mit dem Löwen ein Kind zeugt, kommt ein Anti-Löwe raus.“
Der intellektuelle Piano-Plauderer Hauptpreisträger Hagen Rether dagegen ist zum Auftakt seines Programmausschnitts gelangweilt: „Immer vor Weihnachten droht uns der Terror, im Mai kommen die Zecken.“ Bevor mit steigernder Spott-Lust von der Kirche „Da sitzt einer hinter Panzerglas im Papamobil und predigt Gottvertrauen“ und seiner Ersatz-Idee „einfach nett sein“ bis hin zum Deutschen Drogen-Baron „Man nennt ihn Winzer“ jeder sein Fett von dem Schlanken abbekam. Groß! M. Mai