„Mit dem Markierer kann ich keinen umbringen“

Die Bundesregierung entscheidet über das Verbot von „Paintball“. Ist das Spiel wirklich eine „Simulation des Tötens“? Die AZ auf Spurensuche in Schwabach.
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Farbiges Wettschießen: Wer beim Paintball markiert wird, fliegt für eine Runde raus. Die Treffer schmerzen kurz, mehr als blaue Flecken verursachen sie nicht.
Berny Meyer 3 Farbiges Wettschießen: Wer beim Paintball markiert wird, fliegt für eine Runde raus. Die Treffer schmerzen kurz, mehr als blaue Flecken verursachen sie nicht.
Team „Dog Fight Schwabach“: „Wenn man Paintball verbietet, müsste man genauso Fechten oder Boxen verbieten“, sagen die Spieler.
Berny Meyer 3 Team „Dog Fight Schwabach“: „Wenn man Paintball verbietet, müsste man genauso Fechten oder Boxen verbieten“, sagen die Spieler.
Unternehmer Stefan Gruse mit Paintball-Ausrüstung: Eine Maske ist Pflicht, Tarnkleidung und Kriegsspiele sind verboten.
Berny Meyer 3 Unternehmer Stefan Gruse mit Paintball-Ausrüstung: Eine Maske ist Pflicht, Tarnkleidung und Kriegsspiele sind verboten.

Die Bundesregierung entscheidet über das Verbot von „Paintball“. Ist das Spiel wirklich eine „Simulation des Tötens“? Die AZ auf Spurensuche in Schwabach.

NÜRNBERG Rainer duckt sich hinter seine Deckung. Neben ihm zerplatzen Kugeln und versprühen gelbe Lebensmittelfarbe auf den Boden und die Wände der Paintballhalle „Powerpaint“ in Schwabach. Rainer legt los, sprintet zur nächsten Deckung – da trifft ihn ein Schuss. Er ist für diese Runde raus...

Rainer Dehling (26) ist einer von rund 50.000 regelmäßigen Paintballspielern in Deutschland – und die müssen um ihr Hobby bangen. Der Grund: Die Regierung will das Spiel als Reaktion auf den Amoklauf von Winnenden verbieten. „Dabei wird das Töten simuliert“, wettert etwa der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU). Am Mittwoch will die Bundesregierung über ein Paintball-Verbot beraten.

Stefan Gruse, stellvertretender „Powerpaint“-Boss, glaubt, dass die Aktion auf die Falschen zielt: „Mit einem Markierer kann ich keinen umbringen“, meint der 26-Jährige. „Mit einer Kleinkaliberwaffe, mit der man im Schützenverein schießt, allerdings schon.“ Die Begründung für ein Verbot können die Paintballspieler nicht nachvollziehen: „Paintball ist kein Amok-Training. Es ist nur ein Teamsport, der in Deutschland noch nicht als Sport gilt“, sagt Rainer, während er seine Waffe, den Markierer, mit gelben Farbkugeln auffüllt. „Wenn man das verbietet, müsste man genauso Fechten oder Boxen verbieten!“ Zusammen mit seinem Team „Dog Fight Schwabach“ trainiert er einmal pro Woche.

Die Paintball-Fans: „Studenten, Schüler, Polizisten, Banker – ganz normale Menschen“

Bei Paintball treten zwei Teams in einer mit künstlichen Deckungen ausgestatteten Halle oder einem abgesperrten Gelände gegeneinander an. Bei der beliebten Spielart „Capture the Flag“ geht es darum, die gegnerische Flagge in die eigene Basis zu bringen. Wer markiert wird, fliegt für eine Runde raus. Immer mehr Deutsche spielen Paintball: „Studenten, Schüler, Polizisten, Banker – ganz normale Menschen“, meint Gruse.

Die Szene legt Wert auf die Distanzierung vom Krieg: Keine Tarnkleidung, keine Kriegsspiele, keine roten Farbbälle. Menschenverachtend, wie Politiker behaupten, sei das Spiel nicht. „Oft sitzen Gegner nachher bei einem Bier zusammen“, so Gruse.

Viele Politiker zweifeln inzwischen selbst am Sinn eines Verbots: „Es gibt keinen Beleg, dass Paintball mit Amokläufen zusammenhängt“, sagt Gabriele Fograscher, SPD-Bundestagsabgeordnete, zur AZ. Enak Ferlemann, CDU-Landesgruppen-Chef von Niedersachsen, sagte dem „Focus“, da könne man genauso gut „Monopoly verbieten, weil es die Leute zum rücksichtslosen Kapitalismus erzieht“.

Kasanobu Serdarov

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