Missbrauch im Luther-Haus: Immer mehr Opfer melden sich

Die Stadtmission und die Evangelische Landeskirche wollen die Vergangenheit aufarbeiten und Strafanzeige gegen den Ex-Leiter stellen. Ein prügelnder Erzieher arbeitet jedoch bis heute im Kinderheim
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Hanns-Jürgen S.: Immer mehr seiner Opfer melden sich.
AZ Archiv Hanns-Jürgen S.: Immer mehr seiner Opfer melden sich.

Die Stadtmission und die Evangelische Landeskirche wollen die Vergangenheit aufarbeiten und Strafanzeige gegen den Ex-Leiter stellen. Ein prügelnder Erzieher arbeitet jedoch bis heute im Kinderheim

NÜRNBERG Der Skandal um sexuellen Missbrauch, seelische und körperliche Gewalt im evangelischen Nürnberger Kinderheim Martin-Luther-Haus zieht immer weitere Kreise. Knapp 40 Betroffene meldeten sich in den letzten zwei Wochen bei der Stadtmission, weitere 27 bei der unabhängigen Rechtsanwältin Doris Berg – zum Teil gibt es Überschneidungen. Bis Dienstag lagen acht eidesstattliche Versicherungen vor, die heftige Vorwürfe einer Ex-Bewohnerin (41) bestätigen, die den Fall ins Rollen brachte.

Mittlerweile richten sich die Anschuldigungen nicht mehr nur gegen Ex-Leiter Hanns-Jürgen S. (75), der 1998 in Rente ging: Auch ein weiterer Mitarbeiter steht im Fokus. Der Erzieher soll in der Vergangenheit brutal geprügelt haben. Schockierend: Noch heute arbeitet dieser Mann im Heim. Einen Anlass, ihn sofort zu suspendieren oder zu beurlauben, gibt es, so Gabriele Sörgel, Vorstandssprecherin der Trägerin Stadtmission Nürnberg, bis dato nicht: „Wir müssen erst die Vorwürfe prüfen.“ Und das, obwohl die eidesstattliche Erklärung eines seiner Opfer schon seit Tagen vorliegt.

Das Geflecht von Anhängigkeiten ist nicht durchbrochen

Der Führungsstil des „jähzornigen und patriarchalischen“ Leiters S. (Anwältin Berg) war allen Mitarbeitern bekannt. Auch, dass er Mitte der 90er-Jahre bei einer Freizeit ein junges Mädchen in seinem Zelt übernachten ließ. Nur eine Mitarbeiterin bewies den Mut, den Träger zu informieren. Sie verließ die Einrichtung kurz darauf – sie fühlte sich gemobbt!

Zwar wollen die Verantwortlichen nun die Vergangenheit aufarbeiten, den Opfern therapeutische Hilfe anbieten, gegen den Ex-Boss disziplinar- und (wenn möglich) strafrechtlich vorgehen. Die derzeitigen Zustände im Heim stehen allerdings nicht zur Disposition.

Dabei wissen die Verantwortlichen, dass heute ein Drittel der Beschäftigten im Luther-Haus von S. eingestellt wurde. Zum Teil sind es ehemalige Bewohner. Das Geflecht von Anhängigkeiten ist nicht durchbrochen. Einige sammeln gar schon Unterschriften für S., den geliebten Despoten.

Steffen Windschall

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