Ministerin für Landwirtschaft im AZ-Interview: Michaela Kaniber mag Druck und Stress

Michaela Kaniber, seit 2018 Ministerin für Landwirtschaft, spricht im AZ-Interview über die Grünen, das Volksbegehren zum Artenschutz – und ihr Leben mit drei Töchtern.
von  Interview: Clemens Hagen
Michaela Kaniber im Gespräch mit AZ-Redakteur Clemens Hagen.
Michaela Kaniber im Gespräch mit AZ-Redakteur Clemens Hagen.

Michaela Kaniber, seit 2018 Ministerin für Landwirtschaft, spricht im AZ-Interview über die Grünen, das Volksbegehren zum Artenschutz – und ihr Leben mit drei Töchtern.

München - AZ-Interview mit Michaela Kaniber: Die CSU-Politikerin (41) aus Bayerisch Gmain im Berchtesgadener Land ist seit 2018 Bayerns Landwirtschaftsministerin.

AZ: Frau Kaniber, Sie haben drei Teenie-Töchter – eigentlich schon ein Vollzeitjob. Ministerin, das erledigt sich ja auch nicht von selbst.
MICHAELA KANIBER: Nein, gar nicht. Also: Wie schaffen Sie diese Doppelbelastung? Es zerreißt ein Mutterherz schon. Aber ich habe das Glück, dass meine Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Ich habe drei Töchter, 19, 18 und vierzehneinhalb. Mein Mann ist auch viel zuhause, er arbeitet in Teilzeit und unterstützt mich. Aber es ist eine andere Welt, wenn die Mutter so viel unterwegs ist. Bei Vätern ist das selbstverständlicher.

Finden die Freunde Ihrer Töchter es komisch, dass Sie so selten daheim sind? 
Interessant finde ich, dass solche Fragen nur Frauen gestellt werden. Aber nein, im Freundeskreis spielt das überhaupt keine Rolle. Frauen geben ja inzwischen in vielen Bereichen ganz schön Gas.

Das ist gut so. Aber Hand aufs Herz: Finden Ihre Töchter es cool, dass Mama Ministerin ist? Oder sind sie genervt?
Es erfüllt sie schon mit einem gewissen Stolz, wenn sie sehen, dass man sich in einem Land, wie Bayern eines ist, als Frau einbringen kann, dass man mitentscheiden, dass man Gedanken in die Tat umsetzen kann. Das gefällt ihnen schon.

Michaela Kaniber im Gespräch mit AZ-Redakteur Clemens Hagen.
Michaela Kaniber im Gespräch mit AZ-Redakteur Clemens Hagen.

Michaela Kaniber im Gespräch mit AZ-Redakteur Clemens Hagen. Foto: API/Viviane Simon

Kaniber: "Druck kenne ich seit meiner Kindheit"

Sind Ihre Töchter denn auch schon von diesem Politik-Bazillus infiziert? Oder ist es zu früh, das zu sagen?
Nein, überhaupt nicht. Ich weiß gar nicht, ob man das sagen darf, aber meine Töchter sind seit ihrem 14. Lebensjahr Mitglied in der Jungen Union. Also die gute Basis ist gelegt.

Wurden sie gefragt?
Nein, sie haben das zum 14. Geburtstag dazubekommen. Ich habe sie angemeldet, und sie hatten nie ein Problem damit. Wobei die Jüngste schon knallhart ist. Die bringt sich sehr stark ein, gerade wenn es um Umweltschutz geht. Da haut sie schon mal auf den Tisch. Das gefällt mir, muss ich sagen.

Zurück zu Ihnen: Gibt es überhaupt etwas, was Sie aus der Fassung bringen kann oder haben Sie Stahlnerven?
Druck kenne ich schon seit meiner Kindheit. Ich bin ganz bürgerlich, sehr einfach aufgewachsen. Seit meinem zehnten Lebensjahr habe ich mitgeholfen im elterlichen Gastronomiebetrieb. Seit ich 15 bin, arbeite ich. Teilweise habe ich drei Jobs gleichzeitig gemacht: Ich habe in einer Steuerkanzlei als Fachangestellte gearbeitet, zuhause in der Wirtschaft mitgeholfen und auch noch für Polizei und Staatsanwaltschaft übersetzt. Viel zu arbeiten war immer schon gut für mich. Es läuft dann am besten. Deswegen bringt mich Stress heute auch nicht aus der Ruhe.

Michaela Kaniber: "Ich mag Stress"

Es gibt ja Leute – der jüngst verstorbene Karl Lagerfeld war so eine Person –, die kennen angeblich keinen Stress.
Ja, ich mag Stress, ich brauche ihn sogar. Ich mag nicht, wenn nichts weitergeht, wenn ich keine Termine habe. Dann schaue ich dreimal aufs Telefon, ob nicht doch etwas zu erledigen ist.

Wie ist es? Werden Sie nach einem langen Arbeitstag daheim von Ihren Kindern bekocht?
Es ist leider so, dass ich meistens sehr spät nach Hause komme. Dann sind alle schon im Bett. Die Einzige, die immer auf mich wartet und sich freut, ist unsere Hündin, ein Dalmatiner. Aber wenn ich freitags am Abend mal keinen Termin habe, dann schreiben wir uns vorher schon in einer kleinen Familien-WhatsApp-Gruppe, was es zum Essen gibt. Da wird ein Gericht ausgesucht, und das bereiten sie vor. Dann ratschen wir am Küchentisch. Das ist schön.

Wenn Sie nicht vom Kochen erzählt hätten, käme jetzt die Frage, ob es bei Ihnen daheim auch mal Tiefkühlpizza gibt.
Ich mag's nicht, mir schmeckt es einfach nicht. Da esse ich lieber ein Butterbrot, bevor ich das esse. Ich kaufe es auch gar nicht erst ein.

Kaniber: "Wir wollen Artenvielfalt besser stärken"

Zu den ernsteren Themen: Träumen Sie in der Nacht von summenden Bienen?
Nein, um Gottes Willen, soweit ist es noch nicht. Es ist ja nicht so, dass sich die Staatsregierung nicht schon früher mit dem Artensterben befasst hätte. Auch die Landwirtschaft hat längst erkannt, dass die Verantwortung in vielen Bereichen auch bei ihr liegt. Schlaflose Nächte habe ich auch deshalb nicht, weil ich die Entscheidung von Markus Söder sehr gut finde, einen Runden Tisch einzuberufen, an dem alle Beteiligten mitsprechen. Und dass Alois Glück den Runden Tisch moderiert, ist buchstäblich ein Glücksfall.

Haben Sie die leise Hoffnung, dass der Runde Tisch einmal einen Kompromiss der Naturschützer und Landwirte hervorbringen wird?
Mir geht es gar nicht allein um einen Kompromiss. Es geht darum, eine noch bessere Lösung zu finden. Das Volksbegehren bietet den Anlass, das Naturschutzgesetz ein Stück weit zu ändern. Entscheidend für uns ist aber, dass es nach diesem Runden Tisch einen noch viel größeren, einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz gibt. Jeder sollte sich beteiligen, der Staat, die Kommunen, die Kirchen, die Wirtschaft, die Verbraucher und natürlich die Landwirtschaft. Wir wollen Artenvielfalt besser stärken und so das Artensterben stoppen.

War es ein PR-Coup, die allseits geliebte Biene als Galionsfigur für das Volksbegehren zu nehmen?
Selbstverständlich. Die Initiatoren haben mit dem Satz „Rettet die Bienen“ eine perfekte Kommunikationsstrategie vorgelegt. Wer hätte dem Spruch widerstehen können und nicht unterschreiben wollen? Ich will nicht sagen, dass niemand das ganze Volksbegehren gelesen hätte, aber die meisten haben sich doch leiten lassen von diesem netten Tierchen. Wenn da drüber gestanden hätte, "Rettet den Rüsselkäfer" oder die Motte oder Kakerlake, hätte kein Mensch unterschrieben.

Kaniber: "Geiz-ist-geil-Mentalität bringt Landwirtschaft um"

Es gibt auch Unsympathen im Tierreich.
Genau. Es gibt in dem Volksbegehren auch durchaus Punkte, die man stehen lassen kann. Dann gibt es aber Punkte, die Eingriffe in die Bewirtschaftungsform der Landwirte beinhalten. Mit denen sind wir nicht ganz glücklich. Zum Beispiel den Mahdzeitpunkt (Zeitpunkt des Mähens, d. Red.) oder das Walzen von Wiesen. Und dann gibt es noch den Eingriff ins Eigentumsrecht, wenn große Flächen automatisch als Biotope ausgewiesen werden sollen. Das sehen wir sehr kritisch, genauso wie einen Ökolandbau per Gesetz zu verordnen, nämlich 30 Prozent. Die Steigerung des Ökolandbaus gehört zu unserem Programm und wir wollen es am Markt entlang weiterentwickeln. Wir haben ja schon 350.000 Hektar Ökolandbau in Bayern, 10.000 Biobetriebe – und jeden Tag kommen zwei weitere dazu.

Es gibt diese große Diskrepanz zwischen dem lauten Ruf nach noch mehr Biolandwirtschaft und der Bereitschaft, für Biolebensmittel mehr zu bezahlen.
Ja, 84 Prozent der Menschen finden Bio super, genauso wie regionale Produkte, aber nur sieben Prozent kaufen diese dann auch. Da müssen wir uns schon ehrlich machen, das ist mir wichtig. Jeder Verbraucher kann ganz entscheidend darauf Einfluss nehmen, wie die Landschaft in Bayern ausschaut und wie die Natur sich entfalten kann. Das geht auch über den Geldbeutel.

Die Deutschen sind da nicht ehrlich mit sich selbst?
Wir leben in einem der reichsten Länder, Deutschland ist die europäische Industrienation schlechthin. Wir haben die höchsten Durchschnittslöhne und wir geben am wenigsten für unsere Lebensmittel aus. Diese Geiz-ist-geil-Mentalität bringt die Landwirtschaft um.

Sind auch die Lebensmitteldiscounter schuld, die Produkte anbieten, deren Preise unter Produktionskosten liegen?
Ganz genau. Lebensmittel dürfen nicht verramscht werden. Es kann doch nicht sein, dass ein Liter Mineralwasser mitunter teurer ist als ein Liter Milch. Oder dass ein Kilo Tierfutter mehr kostet als ein Kilo Schnitzel. Diese Liste ließe sich beinahe endlos fortsetzen.

Kaniber: "Der Landwirt ist das Gesicht zum Produkt"

Wo liegt die Lösung?
Wir müssen noch viel besser werden in unserer Kommunikation. Unter der Internetadresse www.regionales-bayern.de kann man zum Beispiel nach Dorfläden, nach Hofläden, nach Direktvermarktern in seiner Nähe suchen. Also wenn ich möchte, dann kann ich finden, was ich suche. Wir hatten im September am Odeonsplatz die "Bauernmarktmeile" – ein Riesenerfolg! Da kamen Tausende Besucher. Sie standen Schlange an Speckmärkten, an Käseständen, weil sie dieses Authentische wollten. Oberstes Ziel für die Politik muss es sein, diese vermeintliche Spaltung zwischen Stadt und Land zu überwinden. Deshalb finde ich es toll, dass unsere Bauern ihre Tore öffnen: "Tag des offenen Hofes", "Erlebnis Bauernhof" oder "Landfrauen machen Schule". Da sehen schon die Kinder, dass Massentierhaltung und Agrarindustrie nicht wirklich für unsere Landwirtschaft in Bayern stehen.

Wie wollen Sie den Kontakt zwischen Landwirten und Städtern intensivieren?
Viele Städter wissen gar nicht, wo sie einen Bauern treffen sollen. Ich habe ja kroatische Wurzeln. Dort, genauso wie in Österreich zum Beispiel, sind die Bauernmärkte größer und haben ein breiteres Angebot. Bauernmärkte stellen eine Plattform dar, damit die Direktvermarkter ganzjährig den städtischen Verbrauchern saisonale und hochwertige Produkte anbieten können. Dort kann man auch ein persönliches Gespräch mit dem Landwirt führen. Er ist das Gesicht zum Produkt. Und wenn mir die handgemachte Butter geschmeckt hat, dann gehe ich da wieder hin. Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass bei uns die Bauernmärkte ausgebaut und zukünftig stärker beworben werden. Ein erster Ansatz ist die Beteiligung meines Hauses beim Streetlife Festival im Mai dieses Jahres.

Kaniber: "Wir müssen unseren Wohlstand sichern"

Nochmal zur Politik: Beneiden Sie Ihren politischen Hauptgegner, die Grünen, die von Ministerpräsident Söder ja auch als solcher ausgemacht wurden, ein Stück weit? Die können in ihrer Argumentation ihr Augenmerk voll und ganz auf Ökologie legen, während der CSU auch die Ökonomie wichtig sein muss.
Die Grünen waren in Bayern Gott sei Dank noch nie in Regierungsverantwortung. Zur Wahrheit gehört doch, dass es die CSU war, die das erste Umweltministerium eingeführt hat. Die CSU hat über die Bewahrung der Schöpfung gesprochen als es die Grünen noch gar nicht gab. Heute können die Grünen irgendwelche Forderungen aufstellen, ohne sich bei der Umsetzung bewähren zu müssen. Eine starke Ökonomie ermöglicht oft erst wirkungsvolle Naturschutzmaßnahmen. Die CSU kümmert sich um Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichermaßen. Wir müssen unseren Wohlstand sichern, er ist die Grundlage für gute Sozial- und Umweltpolitik.

Trotzdem haben die Grünen bei der Landtagswahl mit 17,5 Prozent der Stimmen einen großen Erfolg erzielt, auch weil sie mit einer agilen Frau an der Spitze angetreten sind.
Viele sagen, dass Katarina Schulze so super, so frisch, so tralala sei. Aber Politik ist kein Ponyhof. Ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit, ein bisschen weniger Ideologie würde ich mir wünschen.

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