„Mich trifft der Schlag“

NÜRNBERG - Nach dem Erlanger Beschluss von CSU und FDP: Künstler und Macher sind entsetzt über das drohende Aus fürs Figurentheater-Festival.
Zwischen Schockstarre und Empörung pendeln die Reaktionen auf den Erlanger Kulturausschuss-Beschluss, das Internationale Figurentheater-Festival zugunsten anderer Großereignisse zu opfern. Eine Wortmeldungs-Bilanz:
Ulrich Maly (Nürnbergs Oberbürgermeister): „Wir sind einigermaßen entsetzt und halten das für einen etwas unfreundlichen Akt: Das ohne Rücksprache bei einer Gemeinschaftsveranstaltung so zu beschließen. Und ob’s sinnvoll ist, das Sparen dann bei einer der erfolgreichsten Kulturveranstaltungen im Großraum anzufangen, zieht man schon in Zweifel. Das bisherige Figurentheater-Festival wäre dann natürlich tot. Wir können das jedenfalls nicht ersetzen.“
Neville Tranter (Puppenspieler und Publikumsliebling): „Ich muss sagen, ich bin vollkommen geschockt und überrascht. Ich habe hier seit 1981 mein komplettes Repertoire aufgeführt. Ich denke, dass es unfair gegenüber Nürnberg, Fürth und Schwabach ist, dass plötzlich ein Partner aufhört, mitzuspielen. Das ist wirklich schlimm für die ganze Szene, da kann ich für alle meine Kollegen sprechen.“
Tristan Vogt (Nürnberger Kulturpreisträger von Thalias Kompagnons): „Gerade in Erlangen gibt es die beste Stimmung überhaupt. Wir fahren ja weit rum und können sagen, dass Erlangen unter Puppenspielern legendär ist, eine Einladung kommt einem Adelsschlag gleich. Es ist neben Charleville-Mézières das wichtigste Festival der Welt und sicher das innovativste, die Salzburger Festspiele des Figurentheaters. Hier wurden große Entdeckungen gemacht. Wichtig ist auch, dass Studenten der Hochschulen eingeladen werden — ein Höhepunkt der Reflexion und des fruchtbaren Austauschs.“
Claudia Floritz (Fürther Kulturamtsleiterin): „Ich dachte, mich trifft der Schlag! Überall versucht man es jetzt mit der institutionalisierten Zusammenarbeit, aber da, wo es schon funktioniert, graben sie das Geld ab. Für Fürth ist das besonders schade, weil wir im letzten Jahr gerade den Anschluss gekriegt haben, was künstlerisches Niveau und Publikumsströme angeht. Mit dem Festival hat sich ja der Großraum Renommee erworben; beeindruckend ist es auch wegen seiner Größe. Einer Rumpfversion geht die Strahlkraft verloren, ein Festival light kann ich mir nicht vorstellen.“
Hajo Schüler (künstlerischer Direktor der „Familie Flöz“): „Das ist schlimm! Es gibt ja kein anderes so wichtiges Festival in Deutschland für diese Art Theater, für internationale Produktionen. Das hatte für alle Multiplikator-Funktion. Abgesehen natürlich vom großartigen Publikum. Wir waren immer ausverkauft. Für uns wäre das Ende eine Tragödie.“
Paul Schmidt (Theater Salz & Pfeffer): „Das ist schockierend, weil das Figurentheater-Festival so renommiert ist wie kaum ein anderes in der Welt, eine Präsentation dessen, was in diesem Gebiet das Nonplusultra ist. Das müssen wir erst mal verkraften.“
Christoph Werner (Intendant Kulturinsel Halle und damit des berühmten Puppentheaters): „Ich bin gelinde gesagt schockiert. Das Festival ist die Lokomotive aller deutschsprachigen Festivals, daraus zieht die Szene ihr Selbstbewusstsein! Diese Entscheidung kleinkarierter Popelpolitiker zeugt von einer Ignoranz, auch Arroganz der Macht, die ihresgleichen sucht. Vom letzten Festival hat jede große Zeitung berichtet einschließlich der Fachblätter. Wer kennt denn sonst Erlangen?“
Hubertus Lieberth (Nürnberger Programmmacher) „Für jemanden wie mich, der an dem Festivalprogramm seit 25 Jahren arbeitet, für den ist das schwierig, wenn eine langfristige Arbeit von heute auf Morgen in Frage gestellt wird.“
Karl Manfred Fischer (der Erfinder des Festivals): „Der Beschluss ist unbegreiflich. Wie CSU und FDP mit den kulturellen Schwergewichten der Stadt umgehen, ohne nach Lösungen zu suchen, ist unverantwortlich und schockierend. Da kann doch das letzte Wort noch nicht gesprochen worden sein. Das Festival muss gerettet werden!“ daer/GK/mm