„Mich reizt das Unfertige“

Trashige Muppetshow: Der Berliner Puppenspieler, der mit seinem Solo „Autschn!“ in Fürth gastierte, über Erfolgsdruck, Witz und Mario Barth.
von  Abendzeitung
Warten, was im Kopf passiert: René Marik (li.) mit seinem berühmten Stoffbündel, dem blinden Maulwurf.
Warten, was im Kopf passiert: René Marik (li.) mit seinem berühmten Stoffbündel, dem blinden Maulwurf. © Veranstalter

NÜRNBERG - Trashige Muppetshow: Der Berliner Puppenspieler, der mit seinem Solo „Autschn!“ in Fürth gastierte, über Erfolgsdruck, Witz und Mario Barth.

Maulwürfe auf der Autobahn, man weiß es, kommen selten drüben an. Das finale „Autschn!“ des unglücklichen Geschöpfes mit dem eklatanten Sprachfehler verhalf dem Berliner Puppenspieler René Marik zum Programmtitel. Und zum Großerfolg, der sich millionenfach als Videoschnipsel auf YouTube wiederholte. Während die Fortsetzung unter dem Titel „KasperPop“ bereits Premiere hatte (und 2010 auf Tour geht), dreht der Schauspieler und Trash-Comedian, der mit Rainald Grebe eine WG und Witz teilte, mit Maulwurf, Frosch und Eisbär Ehrenrunden. Am 29. Oktober war die Fürther Stadthalle Station.

AZ: Herr Marik, passen Handpuppen und Mehrzweckhallen zusammen?

RENÈ MARIK: Das funktioniert ganz gut. Mit Videoübertragung. Die Leute nehmen das sehr gut an. Es passiert mir in den Hallen öfters, dass sie am Ende aufstehen als in kleinen Clubs.

Aber bei Puppen denkt man doch eher an Intimbereiche.

Andererseits ist auch so, wenn man sich in einer großen Halle Cindy aus Marzahn anschaut, sieht man von dem Gesicht auch nicht mehr viel.

Sie suchen ja offensiv die Nähe zum Rock’n’Roll. Fühlen Sie sich da wohler als etwa bei Figurentheaterfestivals?

Es ist tatsächlich so, dass mich Figurentheaterfestivals noch nie eingeladen haben. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist. Erlangen hat sich noch nicht gemeldet.

Ist das hiermit eine Aufforderung?

Nein, um Gottes Willen, da ist ja jeder seines eigenes Spielplan-Glückes Schmied.

Jedenfalls haben Sie keine Berührungsangst. Ihren prolligen Titanic-Eisbären Kalle haben Sie gerade im Fernsehen ausgerechnet bei dessen geistigen oder zumindest sprachlichen Verwandten Mario Barth losgelassen.

Ja, genau.

Würden Sie denn bei dessen Humor „Autschn!“ sagen?

Es ist natürlich immer schwierig, über Kollegen etwas Doofes zu sagen. Ich glaube, dass Frauen nicht nur Schuhe kaufen und Männer nicht nur Buletten fressen, sondern die Welt ein wenig anders funktioniert. Insofern kann ich da nur selten oder gar nicht lachen.

Sie bekennen sich offen zur Puppen-Comedy. Was machen Sie da: Muppet-Show für die YouTube-Generation?

Ich würde es erst mal unabhängig von der Zielgruppe sehen. So bin ich auch nicht an die Sache rangegangen. Ich mache einfach das, was ich selber lustig finde. Und es ist ein schöner Zufall, wenn andere daran auch noch Spaß haben.

Beflügelt der überraschende Erfolg oder schüchtert er auch ein?

Da sind wir jetzt auch bei „KasperPop“. Da ist der Druck schon anders. Die Latte hängt und da muss man noch mal drüberspringen.

Warum wollten Sie ihre Geschöpfe dann doch nicht in den Vorruhestand schicken?

Weil’s natürlich Spaß macht. Das alte Programm ist über Jahre gewachsen. Einzelnummern, die ich allmählich zusammengeschraubt habe. Für mich war es jetzt eine Herausforderung: Kann ich mir in sieben Wochen neunzig Minuten ausdenken?

Puppenspiel galt lange als Kinderkram. Kennen Sie diese Haltung auch noch?

Damit ist man als Puppenspieler immer konfrontiert. Als ich meinen ersten Auftritt in der Krömer-Show hatte, stand in jeder Ankündigung: René Marik, der mit seinem Maulwurf nicht nur Kinder fesselt. Das ist Beton in den Köpfen. Ich habe noch nie Puppentheater für Kinder gemacht. Kommt für mich auch nicht in Frage. Wenn man damit immer in Verbindung gebracht wird – das macht einen wahnsinnig sauer.

Wie kindlich muss man sein, um Sie lustig zu finden?

Jemand hat nach einer Aufführung zu mir mal gesagt: Du hast das Kind in mir geweckt. Das war nett gemeint, aber eigentlich hätte ich ihm gerne eine gescheuert. Kindlich, was ist das? Als Kind war ich Kind, und jetzt bin ich so.

Irgendwo war zu lesen, dass Sie der Retter des Kasperltheaters seien.

Echt? Das muss sich jemand ausgedacht haben.

Sie wollen sich wieder stärker auf Schauspielerei und Lehre konzentrieren. Könnte die Puppenspielerei also auch nur ein Intermezzo sein?

Ich bin da offen. Heutzutage denkt man ja immer, man müsste sich spezialisieren, um gut zu sein. Das kenne ich aus meiner Zeit als Mathe-Student, wo der nächste Spezialist gar nicht mehr weiß, wovon man redet. Ich habe irgendwann die Entscheidung getroffen, dass ich darauf überhaupt keinen Bock habe.

Der Schwenk vom Mathe-Studium zur Bühne ist aber auch ein kühner.

Das ist halt so passiert.

Was hat Sie an Mathe fasziniert?

Die Klarheit.

Und am Puppenspiel dann die Unklarheit?

(Lacht). Vielleicht ist das gar nicht so weit weg. Für mich macht der Reiz am Puppenspiel das Unfertige aus, dass man notfalls mit ein paar Putzlappen arbeiten kann. Marionetten finde ich zum Beispiel völlig doof.

Das Aussehen?

Naja. je mehr so eine Puppe kann, desto langweiliger finde ich das. Das Schöne ist, dass das, was da fehlt, im Kopf der Zuschauer ergänzt wird. Das ist etwas zwischen Hollywood und Lesen, wo beim Lesen alles im Kopf passiert und bei Hollywood kriegt man alles haarklein abgebildet.

Interview: Andreas Radlmaier

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