Meistersänger der Widersprüchlichkeit
NÜRNBERG Man wird halt nicht jünger. Aber nach 30 Karrierejahren gleich einen Preis fürs Lebenswerk entgegennehmen? Für Rainhard Fendrich ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Oder ein absolutes No-Go, wie diese Jungspunde heutzutage sagen würden. Letztens wollte man ihm einen solchen Freibrief fürs Abstellgleis überreichen, doch der 56-Jährige lehnte ab, denn er hat noch vieles vor. Also geht er auf Tournee und sinniert, voll im Saft stehend, Abend für Abend knapp drei Stunden lang über das Älterwerden.
Natürlich beißt sich da der Hund in den Schwanz, und tatsächlich hatte in der ausverkauften Meistersingerhalle der große Widerspruch das Regiment. Auf der einen Seite versteht Fendrich die Welt nicht mehr, hängt alten Zeiten nach und singt von seiner Jugendliebe „Frieda“ oder von den Prater-Besuchen in seiner Kindheit („Geisterbahn“).
Auf der anderen Seite aber verwehrt er zwei Stunden lang dem Publikum partout die guten alten Lieder, von denen er sechs am Ende in den Zugabenblock quetscht. Fendrich rührt also kräftig die Werbetrommel für seine aktuelle CD, aus der er nahezu jeden Song live darbietet. Ironischerweise heißt das neue Album „Meine Zeit“.
An sich wäre diese Verweigerungshaltung gegenüber dem alten Liedgut ein ansprechendes Gegengewicht zu den vielen Musikern, die exakt an diesem Ort auf der Welle früherer Erfolge reiten und mit aufgewärmten Songs aus der guten alten Zeit ihre Rente aufbessern. Womöglich wollte aber das Publikum genau das, denn es fremdelte angesichts der weitgehend unbekannten Nummern und verfolgte ohne viel Aufhebens das Konzert in Zimmerlautstärke. Mittlerweile hat der Liedermacher den Stab an Begleitmusikern auf vier reduziert, wobei das fehlende Blasinstrumente-Sortiment die schmerzlichste Lücke ist. So wirken die Arrangements allzu oft etwas einfalls-, beinahe lustlos.
Den größten Beifall erhielt konsequenterweise nicht die Musik, sondern Fendrichs ausufernde Zwischenreden, in denen er aktuelle Geschehnisse und Anekdoten mit Wiener Schmäh vorträgt als kleine Philosophien des Alltags. Er erzählt von seinem Sohn, der 400 Facebook-Freunde hat und sogar einen von ihnen persönlich kennt.
Dass der Austropop der 80er- und 90er-Jahre noch immer ins Herz treffen kann, zeigte der Zugabenblock – da erwachten dann auch die Zuhörer. Man muss sich eben nicht immer krampfhaft weiterentwickeln. Vielleicht hätte Fendrich die Auszeichnung fürs Lebenswerk doch entgegennehmen sollen.
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