"Mehr Gefährdung geht gar nicht": Warum hat Bayern den Täter von Aschaffenburg nicht gestoppt?
München - Es bleibt dabei: Wenn es ein Behördenversagen im Vorlauf zur Mordtat von Aschaffenburg gibt, dann ist dieses nach Auffassung der Staatsregierung nicht im Freistaat zu verorten. Das bekräftigte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Innenausschuss des Bayerischen Landtags.
Einen Vorwurf an Beamte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wollte er aber auch nicht erheben. Die Überlastung der Behörde zeige, wie sehr das Asyl- und Migrationsgeschehen die Gesellschaft insgesamt überfordere.
CSU-Politiker: Es wäre an der Zeit, dass sich Scholz und Faeser entschuldigen
Empört zeigte sich Herrmann über Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die unmittelbar nach der Tat schwere Vorwürfe an die Adresse Bayerns gerichtet hätten. Es wäre an der Zeit, dass sich Scholz und Faeser bei Herrmann entschuldigten, meinte der CSU-Innenpolitiker Holger Dremel.

War Überlastung die Ursache für das Behördenversagen?
Die Bluttat im Aschaffenburger Park Schöntal, bei der ein afghanischer Asylbewerber (28) ein zweijähriges Kind und einen 41-jährigen Mann erstochen hatte, wäre aus Herrmanns Sicht zu verhindern gewesen, wenn das Zurückschiebeverfahren des Täters nach seiner illegalen Einreise im November 2022 geklappt hätte. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür, ihn im Zuge des Dublin-Verfahrens nach Bulgarien zurückzuschieben, wären gegeben gewesen und auch Bulgarien habe zugestimmt.
Weil das Bamf dafür erst am 28. Juli 2023 grünes Licht gegeben habe, habe die Zentrale Ausländerbehörde Unterfranken die Abschiebung bis zum Fristende am 3. August nicht mehr umsetzen können. "Bild" zitierte aus einem internen Schreiben des Bundesinnenministeriums, in dem die langsame Behördenkommunikation auf Überlastung zurückgeführt wird, die im Jahr 2023 "aufgrund der hohen Zugangszahlen" entstanden sei.
Herrmann: "Bulgarien macht das einfach so"
Auch Bulgarien ist nach Darstellung des Innenministers ein bisschen schuld am Scheitern der Rücküberstellung. Die Regierung in Sofia setze regelmäßig eine Frist von neun Werktagen zwischen der Ankündigung und dem Vollzug von Rückschiebungen nach dem Dublin-Verfahren. Das stehe zwar nicht im Einklang mit europäischem Recht ("Bulgarien macht das einfach so"), aber in Asyl- und Migrationsfragen zimmerten sich viele Länder ohnehin ihren eigenen Rechtsrahmen, bemängelte Herrmann einmal mehr. Einen Ausreisepflichtigen in Abschiebehaft zu nehmen ohne einen baldigen konkreten Termin dafür nennen zu können, verbiete die Rechtsprechung. Umso überraschter sei er gewesen, dass Scholz "in freier Erfindung" den bayerischen Behörden Versäumnisse vorgeworfen habe.
Die Bürger erwarteten jetzt keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, sagte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Holger Grießhammer. Gleichwohl sei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unmittelbar nach der Aschaffenburger Bluttat den Bund "scharf und reflexartig" angegangen.

Grüne: 18 Strafverfahren hätten "Warnsignale" sein müssen
Die integrationspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen Gülseren Demirel wunderte sich, warum die Gefährlichkeit des Täters, der drei Mal von der Polizei in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen und nach kurzer Zeit wieder entlassen worden war, keine weiteren Konsequenzen hatte. Immerhin habe er in einem Fall einem Polizisten die Waffe entrissen. "Mehr Gefährdung geht gar nicht", sagte Demirel.
Der Ausschussvorsitzende Florian Siekmann (Grüne) meinte, die 18 gegen den Afghanen eingeleiteten Strafverfahren vor allem wegen Vorfällen in und um Asylunterkünfte hätten "Warnsignale" sein müssen. Nur zwei davon führten im Übrigen zur Verurteilung zu geringen Geldstrafen.