Medizin-Wunder in Franken: Daniel (8) kann jetzt hören!
Dem gehörlosem Bub wurde eine Hör- Prothese implantiert. -an der HNO- Uniklinik geht jetzt das CICERO-Zentrum in Betrieb.
NÜRNBERG/ERLANGEN Das Einzige, sagt Daniel, was ihn ein bisschen nervt, sei das kleine rote LED-Lämpchen hinter seinem Ohr, das ständig blinkt. „Das können wir abstellen“, beruhigt Audiologie-Professor Ulrich Hoppe. Eine Kleinigkeit, die einem medizinischen Wunder keinen Abbruch tut. Denn als Daniel vor acht Jahren auf die Welt kam, war da nur absolute Stille. Keine Geräusche, keine tröstenden Worte seiner Mama, nicht mal das eigene Schreien – nichts. Das Baby war gehörlos. Und wer nichts hört, lernt auch nicht sprechen. Doch heute plappert der Bub und bombardiert seine Mutter mit Fragen über Fragen. Ein Sieg der modernen Medizin.
Professor Hoppe erklärt, was dahinter steckt: „In der Hörschnecke im Innenohr befinden sich feine Haare, die den Schall an den Hörnerv transportieren. Eine Schädigung oder das Fehlen dieser Haare ist die häufigste Ursache für Gehörlosigkeit.“
Herzschrittmacher fürs Ohr
Ein so genanntes Cochlear-Implantat (Cochlea = lat. Schnecke) ersetzt diese Härchen. „Das ist wie ein Herzschrittmacher fürs Ohr“, so Hoppe. Ein kleines Mikrofon nimmt die Schallwellen auf, die von einem Sound-Prozessor in digitale Signale umgewandelt werden. Beides ist in einem Gerät untergebracht, das hinter dem Ohr getragen wird. Mittels einer Sendespule werden die Signale an das unter der Haut liegende Implantat übertragen. Das Implantat wandelt die Signale in elektrische Impulse um und schickt sie mit einer dünnen Leitung in die Hörschnecke, wo Elektroden die Hörnerven stimulieren – im Gehirn entsteht ein Höreindruck.
Daniel wurden die Hör-Prothesen bereits mit einem Jahr eingesetzt. Sprachförderung machte es möglich, dass er sich ausdrücken kann wie andere Kinder seines Alters. „Wegen des einen Jahres, war das natürlich zeitlich verzögert“, sagt seine Mutter Gabriela Gräsel-Rödel. Doch schon mit dreieinhalb konnte Daniel sich im integrativen Kindergarten verständlich machen. Wichtig sei, dass gehörlos geborene Kinder möglichst schnell eine Hörprothese bekommen, so der Direktor der HNO-Uniklinik, Professor Heinrich Iro, dessen Team zwei Mal pro Woche eine ein- bis zweistündige Cochlea-OP absolviert. Denn Menschen, die längere Zeit gehörlos gelebt haben, lernen das Hören nicht mehr.
Rund 70 Patienten sollen jährlich betreut werden
Durch das Implantat empfängt das Gehirn zwar Signale. Es muss aber lernen, sie zu interpretieren. Und da kommt CICERO ins Spiel. Eine Einrichtung, die in die HNO-Klinik integriert ist und die ab kommenden Montag rund 70 Patienten jährlich betreuen wird. CICERO steht für „Cochlear-Implantat-Centrum Erlangen“. Hier wohnen die Patienten – Kinder natürlich mit einem Elternteil – in gemütlichen Zimmern, während sie von Ärzten, Logopäden, Psychologen und Audiologen fit gemacht werden für die Welt der Geräusche.
„Es ist ideal, dass wir die Einrichtungen für die Therapie und die Nachsorge direkt hier an der Klinik haben“, sagt Iro. Denn auch die Patienten, die problemlos hören und sprechen, müssen ein Mal jährlich zur Kontrolle kommen. „Das ist eine Partnerschaft fürs Leben“, sagt CICERO-Leiter Hoppe.
Er kann übrigens auch Menschen helfen, die ihr Gehör im Laufe des Lebens verloren haben oder bei denen herkömmliche Hörgeräte nicht mehr helfen. Rund 20.000 Euro kostet ein Cochlear-Implantat. In der Regel übernehmen die Kassen alle Kosten.
Daniel wird ein relativ normales Leben führen können, abgesehen davon, dass er einmal jährlich bei Professor Hoppe vorbeischauen muss. Ab und zu, erzählt er, fällt ihm beim Toben im Kickertreff des TV Erlangen der Sound-Prozessor vom Ohr. „Macht aber nix, der hält das aus.“
Winfried Vennemann