Massive Missstände bei Viehtransporten ins Ausland

Eine Experten-Anhörung im Landtag bestätigt erneut die massiven Missstände bei Viehtransporten ins Ausland. In Niederbayern bekommen Veterinäre Lob.
Ralf Müller |
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Eine Kuh schaut aus einer Öffnung eines Tiertransporters.
Werner Bau/ dpa Eine Kuh schaut aus einer Öffnung eines Tiertransporters.

München - Die Veterinärämter von Landshut und Straubing-Bogen verweigern seit Jahresbeginn die Ausstellung von Vorzeugnissen für Tiertransporte in bestimmte Länder, vor allem Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan. Völlig zu Recht, stellten Fachleute am Freitag bei einer Anhörung der Fraktion der Grünen im Landtag fest.

Die hessische Landesbeauftragte für den Tierschutz und Tierärztin Madeleine Martin lobte ihre Kollegen: "Bayern hat tolle Amtstierärzte".

Die Maßnahme der niederbayerischen Amtstierärzte basiert auch auf einer Informationsreise, die Martin auf den Spuren von Rindertransporten aus Deutschland in diese Länder durch Russland unternommen hatte.

Dabei stellte sich heraus, dass viele der von den Exporteuren angegebenen Entladestationen, in denen die Tiere nach maximal 29 Stunden Transport für einen Tag untergebracht werden müssen, gar nicht existieren oder völlig unzureichend sind.

Rinderzüchter-Chef: "Vielleicht waren wir zu leichtgläubig"

Der Chef des Verbands bayerischer Rinderzüchter, Georg Hollfelder, zeigte sich beeindruckt: "Vielleicht waren wir zu leichtgläubig", sagte er. Wenn Exporteure nicht rechtskonform arbeiteten, müssten sie "ausgeschlossen" werden.

Nur die einschlägigen Tier-Transportunternehmen für die Missstände verantwortlich zu machen, greift nach Ansicht von Kai Braunmiller, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz, zu kurz.

Die Politik, insbesondere Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), verfüge über alle Informationen, dennoch sei nichts passiert. "Es wäre ein Leichtes, die Umstände dieser Transporte nach Osteuropa und Asien zu überprüfen", so der Bayreuther Veterinärdirektor.

Die Probleme vermutete Braunmiller in "klassischen Interessenskollisionen". So seien im Bund, aber auch in Brandenburg, Landwirtschaft und Tierschutz in einem Ministerium vereint. Das Ziel der Unternehmen sei es, "die Behörden zu täuschen und aus den Transporten rauszuhalten".

Die EU, die mit ihrer Verordnung 1/2005 den Mindeststandard für Tiertransporte gesetzt hat, werde nicht tätig, weil etliche Mitgliedsstaaten diese Verordnung nicht umsetzten. Die Verordnung 1/2005 wird von Tierschützern ohnehin als unzureichend betrachtet.

Mindeststandards für Tiertransporte werden nicht eingehalten

Danach muss es nach 24 Stunden im Transporter für Rinder eine einstündige Pause geben. Nach weiteren 24 Stunden müssen die Tiere für wenigstens 24 Stunden entladen und in Ställen untergebracht werden.

Das alles ist auf den 6.000 Kilometer langen Transporten über Polen und Weißrussland und Russland nach Kasachstan nicht ansatzweise gewährleistet, hat Martin herausgefunden. Die Wahrscheinlichkeit für ein bayerisches Rind, so eine Reise antreten zu müssen, ist gar nicht so gering.

2018 wurden allein aus dem Freistaat nach Kasachstan 1.226, nach Usbekistan 720 und nach Tadschikistan 210 Zuchtrinder exportiert. Ob es ihren 1.778 Artgenossen auf dem Weg nach Russland oder den 242 Vierbeiner auf dem Weg nach Algerien wesentlich besser erging, bezweifeln Tierschützer.

Insgesamt wurden im Vorjahr etwa 14.600 Rinder aus Bayern in Drittstaaten exportiert. Besonders das Bundesland Brandenburg wird verdächtigt, auch bayerische Tiere auf tierquälerische Reisen zu schicken.

Im Oktober und November dieses Jahres hätten die brandenburgischen Behörden allein 39 Transporte nach Kasachstan abgesegnet, berichtete Braunmiller.

Wer solche Transporte erlaubt, macht sich mitschuldig

Dabei wächst die Gefahr, dass Amtstierärzte, die mit Vorzeugnissen Transporte absichern, bei denen die Einhaltung des Tierschutzes mehr als fragwürdig ist, Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt machen, erläuterte der Mannheimer Strafrechtler Jens Bülte.

Wenigstens theoretisch könne jeder wegen Beihilfe oder sogar als Mittäter belangt werden, der sich an der Beauftragung, Organisation, Durchführung und Finanzierung von Tiertransporten beteiligt, bei denen wahrscheinlich gegen das Tierschutzgesetz verstoßen wird, erläuterte Bülte. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Tatort im Ausland liege.

Nicht nur der Transport, auch der Umgang mit den Tieren am Zielort kann deutsche Staatsanwälte beschäftigen, sagte Bülte. Gemeint ist damit insbesondere das Schächten nach islamischem Ritus.

Es ist als Ausnahmetatbestand in Deutschland erlaubt. Dafür gibt es aber besondere Vorschriften aus Gründen des Tierschutzes, die in anderen Ländern nach Angaben Martins ignoriert werden.

Lesen Sie hier: Bayern - Auch andere Länder müssen Tiertransporte prüfen

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