Markus Söder spricht über Kruzifix-Streit, Zukunft in Bayern und Jobboom

Ministerpräsident Markus Söder über den Kruzifix-Streit, bayerische Wirtshauskultur, Tausende neue Stellen, umstrittene Gesetze – und seine Visionen für ein modernes Bundesland.
von  Gerald Schneider
Das erste Kreuz hängt bereits: Markus Söder hat es am Dienstag eigenhändig im Foyer der Staatskanzlei angebracht. Am 1. Juni sollen laut Kabinetts-Verordnung alle Freistaat-Behörden nachziehen
Das erste Kreuz hängt bereits: Markus Söder hat es am Dienstag eigenhändig im Foyer der Staatskanzlei angebracht. Am 1. Juni sollen laut Kabinetts-Verordnung alle Freistaat-Behörden nachziehen © Peter Kneffel/dpa

München - Der 51-jährige Markus Söder ist seit 16. März 2018 Ministerpräsident des Freistaates Bayern. Im AZ-Interview erklärt er seine Entscheidung, in allen bayerischen Behörden Kreuze aufzuhängen, über das entschärfte Psychatriegesetz und seine Zukunftspläne im Freistaat.

AZ: Herr Ministerpräsident, mit der Entscheidung, in allen bayerischen Behörden Kreuze aufzuhängen, haben Sie für erheblichen Wirbel gesorgt. Selbst aus Teilen der Kirche kommt Kritik – vor allem an der Aussage, das Kreuz sei nicht als religiöses Symbol gemeint. Was soll es denn sonst sein?
MARKUS SÖDER: Natürlich ist das Kreuz in erster Linie ein religiöses Symbol. Aber im Symbol des Kreuzes bündelt sich auch die Grundidee eines säkularen Staates. So steht es auch in der bayerischen Verfassung und ist durch Rechtssprechung der Verfassungsgerichte akzeptiert. Menschenwürde, Nächstenliebe, Toleranz sind Grundwerte des Christentums und unserer Werteordnung. Deswegen ist das Kreuz nicht nur ein religiöses Symbol, sondern hat auch mit tiefgreifender Prägung und der Identität unseres Landes zu tun. In den Gerichten und Schulen haben wir bereits Kreuze. Was soll daran falsch sein, sie auch im Eingangsbereich einer Behörde aufzuhängen?

Haben Sie die Reaktionen also überrascht?
Sogar die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, hat unseren Vorschlag begrüßt. Da ist es schon erstaunlich, dass manch einer innerhalb der Kirche dies problematisch sieht. In diesen Zeiten ist es wichtig, sich seiner eignen kulturellen Identität zu versichern.

Viele Wurzeln unseres Staates speisen sich auch im mindestens selben Grad aus Aufklärung und Humanismus.
Daran habe ich nie Zweifel gelassen. Wir haben eine christlich-abendländische Prägung mit jüdischen und humanistischen Wurzeln. Das können Sie in meinen Reden nachlesen.

Söder über Kruzifix: "Alles verfassungskonform"

Sie sehen also keine Konflikte mit dem Neutralitätsgebot des Staates?
Nein. Das ist alles verfassungskonform.

Ist das nicht in Wahrheit doch nur ein verzweifelter Versuch, sich christlich geprägten Wählern anzubiedern?
Nein.

Das geplante Psychiatriegesetz haben Sie nun deutlich entschärft. Warum war es handwerklich offenbar so schlecht gemacht?
Das Gesetz hat einen langen Vorlauf, der vor meiner Zeit lag. Eine Stigmatisierung der Betroffenen wollten wir auf jeden Fall vermeiden. Deswegen erschien mir die Überarbeitung geboten.

Dann könnten Sie das neue Polizeiaufgabengesetz PAG doch gleich mit abräumen?
Das neue PAG schafft mehr Schutz der Bevölkerung durch klare Regeln und zeitgemäße Befugnisse der Polizei. Es hilft, dass Menschen nicht zu Opfern werden. Vielen Kritikern indes geht es nur um den Versuch einer politischen Kampagne. Vieles, was darüber erzählt wird, ist falsch. Was mich am meisten betroffen macht, ist, dass SPD, Grüne und FDP auf Demonstrationen mit Antifa-Gruppen und wirklich Linksextremen zusammenarbeiten. Denen geht es weniger um die Rechte des Bürgers, sondern sie wollen die Polizei bekämpfen und infrage stellen. Die Linke Jugend hat noch während der G20-Proteste in Hamburg hässliche Parolen gegen die Polizei gepostet. Mit solchen Leuten macht man sich nicht gemein. Ich rate SPD, Grünen und auch FDP dringend, eine klare Trennlinie zu ziehen. Sonst ist ihr Anliegen diskreditiert.

Bei Ihrer Regierungserklärung haben Sie ein ganzes Ankündigungsfeuerwerk abgebrannt. Sie wollen zum Beispiel mehr Lehrer einstellen. Woher sollen die kommen?
Bildung ist für uns ein absolut wichtiger Schwerpunkt. Deswegen werden wir zu den bereits in Aussicht gestellten 2000 neuen Lehrern weitere 2000, also insgesamt 4000 Lehrer einstellen. Dadurch wollen wir den steigenden Schülerzahlen begegnen, Inklusion voranbringen und der Herausforderung der Zuwanderung mit Deutschklassen begegnen. Zudem starten wir das Programm Schulsozialarbeit mit Schulpsychologen und Sozialpädagogen, um Lehrern und Schülern helfend zur Seite zu stehen.

Wo soll das Personal herkommen?
Wir zahlen am besten in Deutschland. Da es um Lehrkräfte einen nationalen Wettbewerb gibt, wollen wir die attraktivsten Rahmenbedingungen bieten.

Was wurde denn bei der Integration von Flüchtlingskindern in den Schulbetrieb versäumt?
Uns geht es um gleiche Chancen für alle. Es gibt von vielen Eltern die Sorge darüber, dass manche Flüchtlingskinder trotz mangelnder Sprachkenntnisse zu früh in den Regelunterricht überführt wurden. Wir wollen den Schulerfolg der Zuwandererkinder, aber auch den Bildungserfolg der einheimischen Bevölkerung. Daher ist es wichtig, dass der Eintritt in den Regelunterricht erst dann erfolgt, wenn die Sprachkenntnisse ausreichen und wenn unsere Werteordnung verstanden und akzeptiert wird.

Und was tun Sie für die einheimischen Kinder?
Für mich gilt: Wir helfen Menschen aus anderen Ländern in Not gerne, aber wir dürfen darüber die einheimische Bevölkerung nicht vergessen. Wir müssen uns wieder mehr um die Mittelschicht und die Normalverdiener kümmern. Das ist ein Leitmotiv meiner Regierungserklärung.

Söder über Jobs bei Polizei: "Wir machen Bayern sicherer"

Das klingt jetzt sehr nach Angst vor der AfD
… das klingt nach Politik für die Menschen in unserem Land. Es gibt viele, die verunsichert sind. Zwischen mancher akademischer Stildebatte, die geführt wird, und der Lebensrealität der Bürger klafft häufig eine große Lücke. Viele fühlen sich von der Politik nicht mehr angesprochen und glauben, dass ihre Sorgen gar nicht verstanden werden. Ich will zeigen, dass wir nicht nur über die großen Linien der Politik debattieren, sondern uns auch um die Sorgen eines jeden Einzelnen kümmern.

Sie versprechen auch anderswo mehr Stellen, nämlich zum Beispiel bei der Polizei und in der Pflege. Woher sollen die Leute alle kommen?
Da gilt das Gleiche. Bei der Polizei zahlen wir besser, bieten Perspektiven und unterstützen die Polizisten in ihrer schwierigen Arbeit rechtlich und moralisch. Mit der Grenzpolizei und der Verstärkung der Inspektionen vor Ort machen wir Bayern sicherer. Auch in der Pflege wollen wir eigene bayerische Akzente setzen: 1500 neue Pflegeplätze und Verdoppelung der Angebote in Palliativ- und Hospizmedizin. Und besonders wichtig ist uns das bayerische Pflegegeld. Wir zeigen Respekt und Anerkennung für die Angehörigen und Familien, die ihre Eltern und Großeltern pflegen. Nur in Bayern zahlen wir daher ein Pflegegeld von 1000 Euro im Jahr.

Woher kommt das Geld?
Bayerns Staatshaushalt ist so solide wie kein anderer. Wir tilgen konsequent Schulden, haben die Landesbank saniert und haben seit 13 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt. Unsere Reserve beläuft sich derzeit auf über sechs Milliarden Euro. Davon setzen wir jetzt eine Milliarde Euro ein. Was mich wundert, ist der Vorwurf, dass Familiengeld, Pflegegeld oder eine Grenzpolizei zu viel Geld kosten würden. Wir geben jedes Jahr für Asyl und Flüchtlinge zwei Milliarden Euro aus. Da ist es doch wirklich angemessen, auch für die einheimische Bevölkerung zu investieren. Mein Regierungsprogramm ist ein Konjunkturprogramm, um das Land zu stärken. Dadurch wollen wir Grundlagen schaffen, um auch in wirtschaftlichen Schwächephasen Dynamik zu behalten. Andere werden dass schlechter abfedern können als wir.

Söder über Hyperloop: "Eine futuristische Technologie"

Warum braucht Bayern einen Hyperloop? Das klingt irgendwie nach Transrapid 2.0. Dieser ist ja an Bürgerprotesten und an exorbitanten Kostensteigerungen gescheitert.
Schade, dass viele nicht den Mut haben, vorauszuschauen. Hyperloop ist eine futuristische Technologie. Wer immer nur daran forscht, was er im Moment für umsetzbar hält, wird die Zukunft nicht gewinnen. Und die Grundidee gibt es schon. Begeisterte junge Wissenschaftler an der TU München forschen daran. Auch die Entwicklung suborbitaler Raumfahrzeuge ist ein absolutes Geschäftsfeld der Zukunft. Mit unserer neuen Luft- und Raumfahrtstrategie werden wir Bayern wieder zur Nummer eins in einer Schlüsseltechnologie entwickeln. Das Lob der europäischen Raumfahrtsbehörde dafür, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich halte es für zu wenig, nur in der Gegenwart zu denken.

Setzen Sie sich mit dieser Fülle an Ankündigungen nicht unnötig unter gewaltigen Druck? Wenn irgendetwas nicht so läuft, wird man Ihnen das immer unter die Nase reiben.
Nur mit Mut kann man auch viel erreichen. Wir haben Konzepte und wir setzten sie auch um. Machen statt mahnen ist unsere Philosophie. Natürlich kann nicht alles bis zur Landtagswahl umgesetzt sein, aber wir legen überall die Grundlagen durch Gesetzte, Beschlüsse und erste Maßnahmen.

Bisher sind aber auch Sie nur in der Phase der Ankündigung.
Moment! Wir sind in der ersten Woche nach der Regierungserklärung. So werden die Grenzpolizei und das Landesamt für Asyl bis zum Sommer eingerichtet sein und Pflege- und Familiengeld noch in diesem Jahr ausbezahlt. Die Verfassungsänderung zur Amtszeitbegrenzung ist auf den Weg gebracht. Die Stärkung der Wirtshauskultur schon beschlossen. Und wir haben es umgesetzt, dass in Behörden Kreuze aufgehängt werden, statt sie abzuhängen. Es geht jetzt im Wochentakt so weiter. Ich finde die Geschwindigkeit der Umsetzung doch recht ordentlich. Ich kenne kein Land, das schneller handelt.

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