Markus Söder: Raus aus der Klima-Komfortzone

München - In einer Regierungserklärung zum Klimaschutz hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zusätzliche Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgase im Freistaat angekündigt. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, sollen die Erneuerbaren Energien verstärkt ausgebaut, Moore und Wälder renaturiert und technologische Innovationen sowie ÖPNV und Schienenverkehr gefördert werden.
Weniger CO2-Emissionen schon bis 2030
Als Zwischenziel sollen bis 2030 bereits 65 Prozent der CO2-Emissionen eingespart sein. Um das zu erreichen, soll zusätzlich eine Milliarde Euro pro Jahr in den Staatshaushalt eingestellt werden.
Den Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz legte Söder entgegen den Forderungen der Grünen nicht vor. Auch will Söder an der umstrittenen 10H-Abstandsregelung für Windräder grundsätzlich festhalten: "10H bleibt." Allerdings solle mehr mit "Ausnahmetatbeständen" gearbeitet werden, so dass der Mindestabstand zur nächsten Bebauung auf einen Kilometer verkürzt werden kann.
Bau neuer Windräder stagniert
Zudem könnten 500 zusätzliche Windkraftanlagen in den bayerischen Staatswäldern errichtet werden. Die 10H-Regelung sei für den Windrad-Bau "keine Erleichterung", räumte Söder ein, aber auch in anderen Bundesländern stagniere der Bau neuer Windräder.
Als "Sonnenland" muss Bayern nach den Worten Söders vor allem auf Photovoltaik setzen. Der Ministerpräsident kündigte eine "Verpflichtung" an, staatliche Bauten aller Art, auch Autobahnböschungen und -einhausungen, mit Solarzellen zu bestücken.
Eine ähnliche Vorgabe für private Bauherren vermied er. Er wolle nach der Bundestagswahl auf Bundesebene auf eine Solarpflicht für Neubauten hinwirken, kündigte Söder an. Sollte das nicht zum Ziel führen, werde er das Thema in Bayern "nochmal neu aufrufen". Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann warf Söder daraufhin mangelnde Führungsstärke vor. Er könne sich mit dem Koalitionspartner Freie Wähler nicht einigen.
Kritik an Söders Regierungserklärung
Der Oppositionsführer bezeichnete Söders Regierungserklärung als "enttäuschend". Während das Auftreten von Wetterextremen an Tempo zunehme, sei von Söder "wenig Neues" gekommen. Hartmann unterstützte Söders Ankündigung, mehr Moore zu renaturieren und weitere Waldflächen anzulegen. Dann müsse der Freistaat allerdings auch aufhören, staatliche Wälder für Gewerbegebiete zur Verfügung zu stellen, und mehr gegen Flächenverbrauch tun.
Bayern werde Autoland bleiben, bekräftigte Söder. Während "die einen" das Auto verbieten wollten, wolle es seine Regierung "moderner" machen. Der Ministerpräsident zeigte sich überzeugt, dass der fossile Verbrennungsmotor für Pkw schon vor 2035 auslaufen werde. Bis 2030 sollten weitere 850 Kilometer Bahnstrecken in Bayern elektrifiziert werden. Zudem müsse man stillgelegte Strecken reaktivieren. Bis 2040 sollen auch bei der Bahn statt Diesel nur noch grüne Treibstoffe Verwendung finden. Der Anteil des Radverkehrs soll von jetzt elf auf 40 Prozent steigen.
Öffentlicher Nahverkehr soll attraktiver werden
Ziel sei auch ein 365-Euro-ÖPNV-Ticket bis 2030. Dabei brauche man aber die Unterstützung des Bundes "mit mindestens 20 Prozent".
Bayern ist eines der letzten Bundesländer, in denen noch kein "Wassercent" zu entrichten ist. Das werde sich nun ändern, um Wasser besser sparen, speichern und steuern zu können", wie Söder sagte. Ein Bürger müsse mit Mehrkosten von fünf Euro pro Jahr rechnen. Die Kommunen rief Söder auf, sich mehr um den Hochwasserschutz an den kleinen Gewässern zu kümmern.
"Bayern sitzt auf einer Wärmflasche"
Bayerns Ministerpräsident will sich außerdem verstärkt um die Nutzung der Geothermie als Energiequelle kümmern. "Bayern sitzt auf einer Wärmflasche", sagte der Regierungschef. Das süddeutsche Molassebecken könnte ein Viertel des Wärmebedarfs decken. Er forderte außerdem mehr Tempo beim Ersatz von fossilen Flugzeugtreibstoffen durch "Kerosin aus Pflanzen".
Um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, müssten "alle ein Stück aus der Komfortzone heraus", sagte Söder, machte aber auch Mut: "Alles ist leistbar." Man müsse "neue Ideen umsetzen und neue Wege gehen, um Altes zu bewahren."
Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzender Florian Streibl unterstützte den Regierungschef. Der technologische Fortschritt, so Streibl, könne "die Probleme nicht nur in Bayern, sondern auf dem ganzen Planeten lösen."
Klimageld als Notfallplan?
SPD-Fraktionschef Florian von Brunn war Söders Konzept "zu wenig". Eine Milliarde Euro im Jahr 2022 für den Klimaschutz seien "Peanuts" gegenüber den Hilfen und Steuerausfällen zugunsten der Unternehmen. "Zwei Milliarden wären ein guter Anfang, mittelfristig müssen es wohl eher fünf Milliarden pro Jahr sein", sagte von Brunn. Die SPD lege dabei Wert auf eine sozial gerechte Gestaltung. Sollte der Bund die Belastungen nicht kompensieren, müsse Bayern über ein eigenes "Klimageld" nachdenken.
Für den FDP-Fraktionsvorsitzenden Martin Hagen geht die gesamte Klimapolitik in Bayern und Deutschland in die falsche Richtung, weil sie "kleinteilig, teuer und ineffizient" sei. In Schwellenländern könne jeder Euro für den Klimaschutz ein Vielfaches von dem bewirken, was er in Deutschland bewege.
AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner bezweifelte die Rolle der Erderwärmung als Auslöser für die jüngsten Naturkatastrophen und forderte einen Wiedereinstieg in die Kernenergie.