Interview

Markus Söder im Interview: "Es war Gefahr im Verzug"

Ministerpräsident Markus Söder über Masken aus China, Umfragewerte und die jüngsten Wahlerfolge der Christdemokraten.
von  Nathalie Kettinger, Markus Peherstorfer
Markus Söder beim Interview in der Staatskanzlei.
Markus Söder beim Interview in der Staatskanzlei. © Bernd Wackerbauer

München - AZ-Interview mit Markus Söder: Der 55-Jährige ist seit 2018 Bayerns Ministerpräsident und seit 2019 CSU-Chef.

AZ: Herr Söder, warum haben Sie Martin Huber eigentlich nicht gleich zum Generalsekretär gemacht? Da wäre Ihnen und der CSU viel Aufregung erspart geblieben.
MARKUS SÖDER: Es war natürlich eine Herausforderung, die Nachfolge zeitnah gut zu regeln. Aber ich halte die Entscheidung für eine sehr gute. Martin Huber ist in Partei und Fraktion gut verankert und ein junger, engagierter Mann, der die CSU-Landesleitung kennt und sofort loslegen konnte.

Die juristische Auseinandersetzung zwischen Vorgänger Stephan Mayer und der "Bunten" dürfte ein gefundenes Fressen für die Opposition sein. Wie verärgert sind Sie über den Vorgang?
Die Menschen in Bayern haben andere Sorgen. Die Bürgerinnen und Bürger bewegt, wie es mit ihrem Arbeitsplatz weitergeht, ob sie sich die Miete oder ihr Auto noch leisten können oder ob eine vierköpfige Familie bei steigenden Lebensmittelpreisen noch gut über die Runden kommen kann. Wir arbeiten hart daran, Bayern auch durch diese Krise zu bringen.

Söder: "Die Menschen setzen große Hoffnungen in die Staatsregierung"

Hat es Sie überrascht, dass gegen Martin Huber Plagiatsvorwürfe bezüglich seiner Doktorarbeit laut geworden sind?
Das wirkt schon alles sehr bemüht - vor allem, wenn der Plagiatsjäger die Vorwürfe schon tags darauf selbst wieder relativiert. Im Ergebnis prüft die Universität. Mein Eindruck ist, unabhängig von der konkreten Frage arbeiten manche mit hohem Engagement daran, die CSU als Ganzes zu fordern. Aber wir stehen zusammen - mit Erfolg, wie sich in Deggendorf gezeigt hat. Einige Zeitungen schrieben, dass die Landratswahl dort sogar eine kleine Landtagswahl sei. Wenn dem so ist, bin ich sehr zufrieden. 52,84 Prozent für Bernd Sibler sind ein tolles Ergebnis. Im Übrigen sind wir gerade nach Corona wieder viel unterwegs und sehr nah bei den Bürgern. Die Menschen setzen große Hoffnungen in die bayerische Staatsregierung. Wir nehmen jedes Anliegen ernst.

Es gibt aber auch andere Stimmen. Münchens Alt-OB Christian Ude (SPD) hat Ihre vielen Volksfest-Auftritte ohne Maske in jüngster Zeit als "befremdlich" und "peinlich" bezeichnet.
Der Respekt vor einem vor vielen Jahren ausgeschiedenen Oberbürgermeister gebietet es, das nicht zu kommentieren.

Ist die Corona-Pandemie Ihrer Meinung nach vorbei?
Wir beobachten Corona sehr genau und stellen fest, dass sich unser umsichtiger Kurs der Öffnung als richtig erwiesen hat. Die Situation in den Krankenhäusern ist stabil niedrig. Trotzdem müssen wir uns für den Herbst vorbereiten. Deshalb werden wir die Krankenhaus- und Pflegekapazitäten weiter stärken. Die Beschäftigten dort leisten Großartiges.

Söder: "Wir haben in dieser schweren Corona-Zeit Bayern gut beschützt" 

Sie sind angetreten, um die CSU zu erneuern. Aktuell wird das Bild Ihrer Partei jedoch vom alten Filz geprägt: Millionenprovisionen für moralisch zweifelhafte Maskendeals, Spitzenpersonal, das Journalisten beschimpft, ein Ex-Bundesminister, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt. Sind Sie in Ihrem Vorhaben gescheitert?
Im Gegenteil, für die CSU geht es seit Monaten stabil nach oben. Bei der Maskenfrage haben wir so konsequent wie keine andere Partei gehandelt. Es gab zwei Personen, die sich falsch verhalten haben - und wir haben uns von ihnen getrennt. Wir haben das Regelwerk für die Abgeordneten komplett überarbeitet und mittlerweile sowohl im Landtag als auch als Partei das schärfste Compliance-Recht. Im Übrigen: Wir haben in dieser schweren Corona-Zeit Bayern gut beschützt. Dazu gehörte auch die Versorgung mit ausreichend lebenswichtigen Masken. Mediziner und Pflegekräfte hatten damals große Sorge, dass sie selbst Schaden nehmen, wenn sie anderen ohne Schutzausrüstung helfen müssen. Deswegen ist jedem Angebot nachgegangen worden - alles lief nach Recht und Gesetz. Das im Nachhinein umzuinterpretieren, ist rein politisch motiviert.

Im Bierzelt wieder leutselig, in der Staatskanzlei weiter auf Abstand: Ministerpräsident Markus Söder (2.v.l.) im Gespräch mit den Redakteuren Natalie Kettinger und Markus Peherstorfer (beide rechts).
Im Bierzelt wieder leutselig, in der Staatskanzlei weiter auf Abstand: Ministerpräsident Markus Söder (2.v.l.) im Gespräch mit den Redakteuren Natalie Kettinger und Markus Peherstorfer (beide rechts). © Bernd Wackerbauer

"Die Menge an vorhandener Schutzausrüstung war auf einem absoluten Minimum"

Ist vor diesem Hintergrund auch zu sehen, dass Sie selbst sich mit den Worten "Müsst Ihr nehmen" für Masken aus China eingesetzt haben, die das Gesundheitsministerium bereits abgelehnt hatte?
Jeder Versuch der Opposition, den Einsatz der Staatsregierung bei der Beschaffung von lebensnotwendigem Schutzmaterial zu diskreditieren, ist irreführend und falsch. Ende März 2020 herrschte in Bayern und ganz Deutschland absoluter Maskennotstand, es war Gefahr im Verzug. Die Menge an vorhandener Schutzausrüstung war auf einem absoluten Minimum, die Lager waren leer und bereits zugesicherte Lieferungen wurden noch in China von internationalen Mitbewerbern überboten oder vor Ort gestoppt. Daher war es von zentraler Bedeutung, überhaupt Schutzausrüstung ins Land geliefert zu bekommen. Dies war dank Beteiligung der Lufthansa garantiert. Es galt, jede potenziell seriöse Quelle zu vernünftigen Preisen schnellstmöglich zu prüfen, zumal weil mehrere Millionen Masken eine immense Entlastung für die Versorgung der bayerischen Bevölkerung mit dringend lebensnotwendigem Schutzmaterial brachten. Es gab keinerlei Vorzugsbehandlung. Ziel musste es sein, taugliches Schutzmaterial in großer Stückzahl zu erwerben - ohne dabei unwägbare finanzielle oder gesundheitliche Risiken einzugehen. Genau das ist explizit geschehen. Der Vertrag wurde im Ergebnis vollständig erfüllt. Provisionen wurden nicht gezahlt.

Söder: "Bayern geht es besser als den meisten Regionen der Welt" 

Sie haben gerade gesagt, mit der CSU geht es stabil nach oben. Wie erklären Sie sich dann das Ergebnis einer aktuellen Umfrage, wonach 53 Prozent der Menschen in Bayern mit Ihnen als Regierungschef unzufrieden sind?
Wie erklären Sie sich dann einige andere Umfragen, bei denen die aktuellen Zufriedenheitswerte rund 20 Prozent höher sind? Umfragen sind jedoch nicht der Maßstab. Wir haben die Aufgabe, für Bayern hart zu arbeiten - und das tun wir. Bayern geht es besser als den meisten Regionen der Welt. Die Bayern-Bilanz ist gut, aber wir ruhen uns nicht aus. Wir wollen noch mehr Erneuerbare Energien produzieren, die Forschung weiter ausbauen, die Unterrichtsversorgung in der Schule weiter verbessern, die Digitalisierung der Verwaltung voranbringen und den ländlichen Raum stärken.

Söder: "Wir spüren, dass der Bund beginnt, sich von Bayern zu distanzieren"

Und woran hakt es?
Wir spüren, dass der Bund zunehmend beginnt, sich von Bayern zu distanzieren. Zugesagte Projekte werden ohne Begründung abgesagt: Das Mobilitätszentrum München wird offenbar gestrichen, der Donauausbau zwischen Deggendorf und Vilshofen soll wackeln; 10H könnte entgegen den Zusagen gestrichen werden. Die Ampel denkt norddeutsch und versucht, eine regionale Umverteilung des Wohlstandes vorzunehmen. Deshalb ist es wohl eine bewusste Entscheidung gewesen, keinen Ampel-Protagonisten aus Bayern mit in die Regierung zu nehmen. Unser Auftrag im Bund ist deshalb klar: Wir kämpfen für die Interessen Bayerns.

Bayerns Kabinett hat am Dienstag Vorschläge zum Thema Windkraft an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) abgeschickt. Was, wenn die Ampel trotzdem keine Ausnahmeregelungen für die Länder mehr erlaubt - und 10H damit endgültig abschafft?
Das wäre zum einen schlechter Stil. Zum anderen wäre das klar gegen die Bevölkerung gerichtet. Wir wollen die Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien bis 2030 verdoppeln. Dazu gehören Sonne, Wasser und Wind. Aber eben mit den Bürgern und nicht gegen sie. Ohne 10H mit Ausnahmen kann es für Ost- und Südbayern einen Windschock geben: In weiten Teilen Bayerns könnte es zu einer massiven Verspargelung kommen - ohne Schutz oder Mitsprache der Bürger und mit niedrigsten Abständen. Im Übrigen braucht es zur Sicherheit eine befristete Verlängerung der Kernkraft, um die Stromlücken nicht noch zusätzlich zu vergrößern.

Söder: "Da bricht keinem ein Zacken aus der grünen Krone"

Isar 2 kann man aber doch gar nicht so einfach guten Gewissens weiterlaufen lassen, weil angesichts des Betriebsendes im Dezember 2022 wichtige Sicherheitsüberprüfungen ausgesetzt wurden.
Das bayerische Umweltministerium und ein Gutachten des TÜV haben die Möglichkeit zum Weiterbetrieb bereits bestätigt. Es ist schlichtweg unvernünftig, in der jetzigen Phase auszusteigen. Bis Dezember ist kein einziges neues Windrad genehmigt, und es steht noch keine neue Gas-Pipeline.

Wie lange würden Sie Isar 2 denn weiterlaufen lassen?
So lange, bis die Energieversorgung für eine kurze Übergangszeit gesichert ist. Da bricht keinem ein Zacken aus der grünen Krone.

Söder: "Die Menschen stehen bei uns immer im Mittelpunkt" 

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Wahlerfolgen der CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst?
Zum einen sind das natürlich tolle persönliche Erfolge. Zudem war die Grundlage des Erfolges, dass CDU und CSU als Union geschlossen agieren.

Weder Günther noch Wüst sind politische Raubeine. Ist es das, was die Wähler heute wollen: smart und diplomatisch statt breitbeinig?
Jeder CSU-Ministerpräsident ist immer smart und diplomatisch. (lacht)

Aber auch ein Raubein.
Temperament, Leidenschaft und Geschichte sind überall anders. Bayern ist nicht mit der Küste vergleichbar.

Im Herbst 2023 ist Landtagswahl. Mit welchen großen Themen wollen Sie punkten?
Zunächst einmal sprechen die Bayern-Fakten für sich: niedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland, niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU, mit das beste Bildungssystem, niedrigste Armutsquote, niedrigste Schulabbrecherquote, höchste Wirtschaftsleistung, sicherstes Bundesland. Wir werden diesen Weg weiter fortsetzen. Nicht kraftmeierisch, sondern orientiert an der Frage, was es noch zu tun gibt. Die Menschen stehen bei uns immer im Mittelpunkt. Wir versuchen, Bayern weiter krisenfest zu machen. Eines der Themen ist die Energieversorgung. Wir werden uns aber auch weiter sehr stark um das Thema Schule kümmern. Insbesondere muss es darum gehen, die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Und wir werden die Digitalisierung des Landes fortsetzen.

Söder: "Ich möchte nicht, dass Bayern gelähmt wird"

Sie haben seit Ihrem Amtsantritt als Ministerpräsident sehr viel versprochen, von 10 000 neuen Wohnungen durch die Bayernheim bis zu einem achten Regierungsbezirk. Nicht alles ist umgesetzt. Wie glaubwürdig sind Ihre Versprechungen bei den Wählern noch?
Über 75 Prozent der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind entweder vollständig umgesetzt oder auf den Weg gebracht: Hightech Agenda, Familiengeld, Pflegegeld - das gibt es nur in Bayern. Die Stärkung des ländlichen Raumes mit Behördenverlagerungen und neuen Studienplätzen: Das findet alles statt. Wenn wir allein mal Straubing anschauen: Alles, was zugesagt wird, wird sogar übererfüllt.

Welches Ziel setzen Sie sich für die Landtagswahl?
Es kommt nicht auf einzelne Prozentpunkte an, sondern auf die Stabilität einer Regierung und das Wohlergehen der Menschen in unserem Land. Ich möchte nicht, dass Bayern gelähmt wird. Generell können und wollen wir gegenüber der letzten Landtagswahl zulegen.

Das Stabilste wäre wohl Schwarz-Grün.
Wir haben eine sehr stabile bürgerliche Regierung in Bayern - auch durch die Unabhängigkeit von Berlin.

Manche spekulieren, es könnte nach der Wahl ein Viererbündnis gegen die CSU geben. Wie sehr fürchten Sie das?
Das wäre für viele Bayern ein Albtraum. Natürlich sind nicht alle Bayern automatisch CSU-Fans. Aber Bayern ohne die CSU? Das ist wie Bayern ohne Berge, BMW oder den FC Bayern München. Der Erfolg Bayerns ist kein Zufall und keine Selbstverständlichkeit. Daran hat die CSU großen Anteil. Und einer muss am Ende das Land zusammenhalten in diesen schweren Zeiten. Das ist meine Aufgabe.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.