„Manchmal wie besessen“

Nach der Spelunken-Jenny und der mörderischen Klytaimnestra flattert die singende Nürnberger Schauspielerin als Spatz von Paris über die Bühne. Im AZ-Interview spricht sie über ihre Anfänge, das Singen und alpines Klettern.
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Eben noch blutige Mörderin Klytaimnestra in der „Orestie“ des Aischylos, ab dem 18. Dezember  "Piaf".
Marion Bührle Eben noch blutige Mörderin Klytaimnestra in der „Orestie“ des Aischylos, ab dem 18. Dezember "Piaf".

NÜRNBERG - Nach der Spelunken-Jenny und der mörderischen Klytaimnestra flattert die singende Nürnberger Schauspielerin als Spatz von Paris über die Bühne. Im AZ-Interview spricht sie über ihre Anfänge, das Singen und alpines Klettern.

Als blutige Klytaimnestra in der „Orestie“ bewältigt sie eine in jeder Hinsicht mörderische Rolle bravourös. Da ist die Hausschlachtung im „Gott des Gemetzels“ vergleichsweise liebenswert – und dass sie als Spelunken-Jenny der „Dreigroschenoper“ den Mackie ans Messer liefert, wird ihr dank der dazugehörigen Songs herzlich gern verziehen. Elke Wollmann bekam für die Musikalität ihres Brecht/Weill-Auftritts einen AZ-Stern des Jahres 2007 und dann den Preis der Freunde des Schauspielhauses. Jetzt wechselt sie Musik und Metier. In „Piaf“ von Pam Gems spielt und singt sie den „Spatz von Paris“, die Chansons-Legende Edith Piaf. Die Inszenierung von Peter Hathazy hat am 18. Dezember in der Kongresshalle Premiere.

AZ: Sie stammen aus der Oberpfalz, waren in Engagements zwischen Lübeck, Mainz und Krefeld und sind in Nürnberg, also doch fast am Ausgangspunkt, angekommen. Hatten Sie das etwa als großen Bogen geplant?

ELKE WOLLMANN: Kann man so nicht sagen, aber es hat sich glücklich ergeben. Ich hatte mich hier gar nicht beworben, denn als ich das Angebot bekam, wollte ich grade in Krefeld aussteigen und auf freier Basis mit musikalischen Programmen arbeiten.

Nürnberg hat Sie also fürs Theater gerettet?

Für mich war klar geworden, dass ich entweder im Norden oder im Süden leben will, aber nicht mehr in der Mitte von Deutschland.

Warum?

Tja, warum? Vielleicht wegen der Mentalität oder der Natur. Im Norden gibt es Wasser, im Süden gibt es Berge - mit beidem kann ich mich anfreunden. Vor allem aber ist der Humor, der am Rhein herrscht, nicht meine Sache.

Gehen wir mal auf Anfang: Wann war Ihr allererster Auftritt als Sängerin?

Als Kind in der Fußgängerzone von Amberg, das war ein Nachklang der Hippie-Zeit.

Amberg ist nicht ganz Paris, aber wie bei der Piaf war es also die Straße. Wie frühzeitig wussten Sie danach, dass die Bühne ruft?

Zunächst gar nicht, denn ich habe mir das nicht zugetraut. Kunst, das war schon klar - aber mit 12 habe ich nur gemalt, gemalt, gemalt. An der Uni in Erlangen studierte ich dann Theaterwissenschaften, brav für alle Scheine. Und wie ich merkte, wer da alles den gewissen Sprung wagt, habe ich gedacht: Das kannste auch!

Gab es damals eine innere Konkurrenz-Situation zwischen Singen und Spielen?

Es gab sie, aber erst später. Zunächst wollte ich Theater machen - und sonst gar nichts. Erst als ich dabei mit dem Singen Erfolg hatte, kamen die Zweifel, was besser für mich ist, ob ich nicht doch wechseln und in Hilversum Jazzgesang studieren soll.

Warum dann doch nicht?

Weil mir klar wurde, dass man auf hohem Niveau Theater spielen und trotzdem gelegentlich singen kann, aber nicht umgekehrt.

Ihr Gesang betraf ja nicht nur den elitären Jazz, Sie waren die Stimme in Rockbands, und die erreichen oft mehr Popularität als das Theater. Haben Sie etwa eine Karriere verpasst?

Diese Kategorie von Planung hat mich nie richtig interessiert. Ich habe unheimliche Freude daran, Erfahrungen zu sammeln und dabei zu wachsen. Natürlich mag ich Erfolg, aber der Motor dafür werde ich wohl nie sein.

Verfolgen Sie heute noch, was sich im Pop-Business tut?

Naja, Patti Smith, Nina Hagen und Ute Lemper schätze ich schon...

Das war eher gestern, was ist heute?

Patricia Kaas und Björk finde ich sehr innovativ.

Und Powerfrau Madonna?

Nicht wirklich, nein da höre und schaue ich nicht mehr richtig hin.

Also bleibt Ihre Stimme, wie sie in der „Dreigroschenoper" zu bewundern war, ein Talent in Schauspiel-Reserve.

Ja, ich darf es oft einsetzen. Von „Kiss me, Kate“ über „Hair“ bis zu „Piaf“, was ich nach zehn Jahren noch einmal in Nürnberg ganz neu mache.

Das geschieht direkt im Anschluss an Ihre Rolle als mörderische Klytaimnesta in der „Orestie". Ist das etwa der denkbar größte Kontrast, den Theater bietet?

Es sind alles Geschichten, die man richtig erzählen muss. So groß ist der Unterschied gar nicht. Was ich liebe, das sind die Proben-Prozesse, bei denen niemand vorher weiß, wohin das alles führt.

Die „Orestie" ist große, Jahrtausende überspringende Dichtkunst. „Piaf" mit den Chansons und der Biographie könnte man auch als Doku-Soap bezeichnen...

So hätte ich es nicht gesehen, aber entkräften kann ich diese Klassifizierung auch schwer, denn das Stück umfasst ja tatsächlich das Leben von 18 bis zum Tod und belegt das mit 13 Chansons. Regisseur Peter Hathazy zeigt es wie aus der Erinnerung. Das kommt mir sehr entgegen, denn ich gehe nicht übers Imitieren, das kann ich gar nicht, ich will auch die Chansons schauspielerisch erarbeiten. Was ich dabei für den Einstieg brauche, ist etwas von der Energie, welche die Piaf angetrieben hat.

Es ist der Umgang mit einer Legende. Lebt sie denn noch?

Für mich schon, aber ich treffe jetzt auf viele junge Leute, die mit dem Namen nichts mehr anfangen können. Das hätte ich nie für möglich gehalten.

Sie haben die Callas in „Meisterklasse“ schon gespielt, machen jetzt Ihre zweite „Piaf“. Drängt sich die Frage auf: Wie stehts mit Marlene?

Stimmt, über die haben wir hier auch schon geredet. Aber ich werde jetzt 47, und da bleibt noch etwas Zeit.

Sie haben es sich also in Nürnberg eingerichtet?

So etwas kann man am Theater nie voraussagen. Sonst bin ich nach drei oder vier Jahren weitergezogen, jetzt sieht es nicht danach aus.

Nun müssen Sie mir aber doch noch etwas erklären...

Ja, bitte!

Wie kommt man als Frau zum alpinen Klettern?

Das ist was Wunderbares! Ich wollte immer rauf auf die Berge, aber erst mit 40 bin ich richtig geklettert. Wie immer, wenn ich etwas anfange, war das wie besessen. Da stößt man auf Momente, bei denen es scheinbar nicht mehr weiter geht. So ähnlich wie bei einer schwierigen Premiere.

Und was lernen Sie dabei?

Dass man nicht jederzeit das große Ganze im Auge behalten muss, weil es oft auf den nächsten Meter ankommt.

Interview: Dieter Stoll

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