Malz und Muskelkraft – Gemeindebrauhäuser pflegen Biertradition

Das komplette Gegenteilzu Großbrauereien findet sich in nordbayerischen Dörfern, die die Tradition der Gemeindebrauhäuser fortführen: Dort kann jeder sein eigenes Bier brauen.
von  dpa
Thomas Bretscher (l) und Christian Müller brauen am 05.04.2014 in der Gemeindebrauerei in Thundorf (Bayern) ihr Bier.
Thomas Bretscher (l) und Christian Müller brauen am 05.04.2014 in der Gemeindebrauerei in Thundorf (Bayern) ihr Bier. © dpa

Der Biermarkt wird von Großbrauereien dominiert. Das komplette Gegenteil dieser Massenproduktion findet sich in nordbayerischen Dörfern, die die Tradition der Gemeindebrauhäuser fortführen: Dort kann jeder sein eigenes Bier brauen.

Thundorf - In dem großen Braukessel schwappt eine dünne braune Brühe mit Malzklumpen. Es ist sieben Uhr morgens, das Holzfeuer im Ofen brennt seit etwa drei Stunden und bringt den optisch noch wenig ansprechenden Biersud gerade auf Touren. „Im Moment ist das eher eine Dreckbrühe, später bappt das richtig“, sagt Thomas Bretscher, während er mit einem Holzstab im Kessel rührt. „Früher haben die Bauern am Ende etwas Sud auf die Bank geschüttet und sich mit der Lederhose draufgesetzt – wenn die kleben blieb, war er stark genug.“

An drei Samstagen im Jahr heizen die Hobbybrauer im unterfränkischen 1000-Einwohner-Ort Thundorf den 2900 Liter fassenden Kessel an und führen damit eine jahrhundertealte Tradition fort. Sie betreiben eines der letzten sogenannten Gemeindebrauhäuser, die früher vor allem in Nordbayern weit verbreitet waren. „Weil's Bier gut ist“, sagt Bretscher.

Das einst herrschaftliche Brauhaus wurde erstmals 1551 erwähnt und 1816 von der Gemeinde gekauft. Die örtlichen Braurechtler produzierten dort gemeinsam ihr eigenes Bier. „Das war ein Grundnahrungsmittel“, erklärt Hobbybrauer Bretscher. „Nach dem Krieg haben sich zwei Bauernfamilien einen Sud geteilt – da wurde nichts anderes getrunken.“

Heute darf jeder mitbrauen und muss auch keine eigene Gerste mehr mitbringen, bis zu 200 Liter pro Person und Jahr sind steuerfrei. „Das sind meist Leute, die sich dafür interessieren und die nicht einfach in den Getränkemarkt gehen wollen.“

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Der kommerzielle deutsche Braumarkt ist durch einen Rückgang des Absatzes, die Konzentration auf wenige Großbrauereien und eine Gründungswelle an Gasthausbrauereien geprägt. Zwei Prozent der Braustätten stellen inzwischen mehr als 60 Prozent des Biers her, zugleich gab es einen großen Zuwachs von Kleinbrauereien mit sehr geringem Ausstoß. Daneben besteht eine Szene von Privatleuten, die für den Eigenbedarf produzieren.

Vor diesem Hintergrund beobachtet der unterfränkische Bezirksheimatpfleger Klaus Reder auch ein neues Interesse an der alten Tradition der Gemeindebrauhäuser: „Es gibt einen gewissen Trend, dass man diese Kommunbrauhäuser wiederbelebt“, sagt er. So erst kürzlich passiert in Höchstädten im Landkreis Haßberge.

Beim Brauen setzen die Thundorfer auf ihre jahrelange Erfahrung. Zunächst mischen sie Gerstenmalz mit warmem Wasser, dann erhitzen sie es im Sudkessel unter Rühren – stundenlang. „Du brauchst auf jeden Fall nicht ins Fitnessstudio, wenn du gerührt hast“, sagt Braumeister Egon Klöffel. Später werden die Getreidereste herausgefiltert, dann kommt der Hopfen dazu und die sogenannte Würze wird gekocht.

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Bezirksheimatpfleger Klaus Reder erklärt die Gemeindebrauhäuser auch mit den früher in Nordbayern üblichen Erbfolgeregeln. In Franken sei der Besitz zwischen allen Nachkommen aufgeteilt worden. „Das hat dazu geführt, dass man sich gut verstehen musste und viel zusammen gemacht hat“, sagt er.

Noch in den 1950er Jahren habe es allein im Zollamtsbezirk Schweinfurt 51 Gemeindebrauhäuser gegeben, erzählt Hobbybrauer Klöffel, der auch Vorsitzender des Fränkischen Hausbrauerverbands ist. Heute seien in Unterfranken noch 14 Gemeindebrauhäuser in Betrieb, in Oberfranken vier. In der Oberpfalz brauen Kommunbrauhäuser in fünf Orten das sogenannte Zoigl-Bier, das in der Region allerdings offensiver vermarktet wird als das Gebräu der fränkischen Kollegen.

Das Thundorfer Bier ist nach wie vor vor allem „für die Leut'“, wie Klöffel sagt – und für den gelegentlichen Besenausschank. Zwölf Stunden dauert es, bis der Sud fertig ist und in einer großen Wanne auskühlt. Später kommt er mit Hefe in den Gärtank. Das obergärige Bier hat später etwa 5,4 Prozent Alkohol und ist betont malzig. „Jeder Sud schmeckt ein wenig anders“, sagt Bretscher, und ergänzt lachend: „Aber bisher hat man es immer trinken können.“

 

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