Maly eroberte auch die CSU-Hochburgen
NÜRNBERG - Bald, sagt der Ratsdiener, werden die Sitzungen wieder länger dauern. „Dass unsere Stadträte künftig einen Haushalt in drei Stunden verabschieden, glaube ich nicht.“ Zu Zeiten des quasi-großkoalitionären Schmusekurses im Rathaus war das die Regel.
Doch seit die SPD bei der Kommunalwahl auch in den Hochburgen der CSU gepunktet und SPD-OB Ulrich Maly einen strahlenden 64,3-Prozent-Sieg eingefahren hat, hat sich Nürnbergs politische Landkarte verändert. Sein CSU-Herausforderer Klemens Gsell kam auf 27,4 Prozent.
Welche Auswirkungen das auf die Stimmung im Rathaus hat, lässt sich am Tag danach an den Stockwerken festmachen. Im ersten Stock – hier residieren OB Maly und die SPD – gibt’s nur zufriedene Gesichter. Ein Bote liefert zwei Kartons mit „alkoholischen Getränken“ bei der SPD ab, und Maly ist gefragter Interviewpartner. Das Bayerische Fernsehen hatte ihn sogar bei seiner morgendlichen Joggingrunde begleitet.
CSU muss Wunden lecken
Im zweiten Stock leckt die CSU ihre Wunden. Und auch den Grünen ist nicht nur zum Jubeln zumute. „Etwas mehr als die fünf Sitze, nach denen es bisher aussieht, hätte ich schon erwartet“, sagt Stadträtin Hiltrud Gödelmann. Um dann selbstbewusst Koalitionsverhandlungen mit der SPD für ein rot-grünes Bündnis ohne die Schwarzen zu fordern. Nicht nur für den Fall, dass sich die CSU verweigert. „Die nächsten Wochen werden nicht lustig für die CSU“, sagt sie.
Der Fall für die CSU war tief. „Ich bin sehr traurig“, sagt Fraktions-Geschäftsführer und Wahlkampfmanager Tobias Schmidt. Michael Frieser kokettierte einst damit, dass er Chef der „größten CSU-Fraktion weltweit“ sei. Das war einmal. Die stärkste Partei im Rathaus ist nun die SPD. Die CSU ist mit der Analyse der Niederlage beschäftigt.
Herbe Schlappe bei den jungen Wählern für Gsell
Bei den jungen Wählern erleidet OB-Kandidat Klemens Gsell „eine herbe Schlappe“, analysiert das städtischen Wahlamt die Resultate der OB-Wahl. Bei den Wählern zwischen 25 und 35 Jahren kommt er nur auf 15 bis 16 Prozent. Und selbst beim CSU-Stammklientel, den Männern und Frauen über 60, holt SPD-Mann Maly die Mehrheit, 62 Prozent bei den Frauen über 60 – und 55,6 Prozent bei den männlichen Senioren. Selbst in den traditionellen CSU-Hochburgen liegt Maly nach der Wahlanalyse mit fast 59 Prozent vor Gsell, der hier nur 34,4 Prozent erreicht. Nur in einem der 363 Stimmbezirke überspringt Gsell die 50 Prozent-Marke: im Spargelfeldweg/Walter-Braun-Straße im Stadtteil Buch mit 50,9 Prozent.
Die Gründe für die Niederlage? „Das strenge Rauchverbot hatte sicher einen nicht unwesentlichen Anteil“, sind sich zwei CSU-Männer aus Gsells Stab im Umweltreferat sicher. Sie stehen im Regen vor dem Rathaus – die Kippe in der Hand.
Michael Reiner
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