Maikes Papa macht Polit-Pause

Eine kleine politische Revolution: Ausgerechnet der Christsoziale Stefan Rößle, Landrat im Kreis Donau-Ries bleibt für seine einjährige Tochter zwei Monate lang daheim. Wie seine Frau ihn als Hausmann findet, wie seine Parteikollegen reagiert haben...
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Familienhund Grisu lässt die kleine Maike nicht aus den Augen. Für seine jüngste Tochter pausiert der Papa im Landratsamt.
Mike Schmalz 2 Familienhund Grisu lässt die kleine Maike nicht aus den Augen. Für seine jüngste Tochter pausiert der Papa im Landratsamt.
Stefan Rößle beim Wickeln.
Mike Schmalz 2 Stefan Rößle beim Wickeln.

Eine kleine politische Revolution: Ausgerechnet der Christsoziale Stefan Rößle, Landrat im Kreis Donau-Ries bleibt für seine einjährige Tochter zwei Monate lang daheim. Wie seine Frau ihn als Hausmann findet, wie seine Parteikollegen reagiert haben...

Eigentlich macht er nichts anderes als das, was Millionen von Hausfrauen tagtäglich tun. Oder was auch tausende Männer schon vor ihm getan haben. Und trotzdem ist er irgendwie der erste seiner Spezies. Stefan Rößle ist nicht nur der erste deutsche Landrat, der daheim bleibt, um sich um Kinder und Haushalt zu kümmern. Er ist auch noch in der CSU – und in der waren bekanntlich nicht alle angetan vom Elterngeld.

Insofern ist es eine kleine Revolution, dass ausgerechnet Stefan Rößle (45) gerade zwei Vätermonate verlebt. Und deswegen sitzen an diesem Tag auch drei Journalisten und ein Fotograf an seinem großen Holz-Esstisch in seinem Haus im schwäbischen Oberndorf am Lech und hören zu, wie er von ganz banalen Alltagsdingen berichtet. Vom Frust nie enden wollender Wäscheberge („Das ist von der Motivation her schwierig – die Wäsche ist nie weg“). Vom Bügeln („Ich mache nur einfache Stücke“). Vom selbst gekochten Gulasch („Das sind zwei Stunden Arbeit!“).

Maike ist eine echte Nachzüglerin - und der Augenstern der Familie

Währenddessen quäkt der Grund für die Polit-Pause des Donau-Rieser Landrats fröhlich vor sich hin: Maike, ein Jahr alt und der Augenstern der ganzen Familie – Hund Grisu eingeschlossen, der immer ein wachsames Auge auf das Nesthäkchen hat. Maike ist eine echte Nachzüglerin – sie ist das jüngste von fünf Kindern. Ihre ältesten Schwestern sind Zwillinge und 17, ihr Bruder ist 15, die jüngste Schwester 9. „Die letzten Kinder sind verdammt schnell groß geworden – ein bisserl schlechtes Gewissen ist da schon dabei“, sagt Papa Rößle, der jetzt alles nochmal ganz genau mitbekommen will. Die ersten Worte von Maike – Wauwau, Mama, Papa, Baby. Ihre ersten Hochzieh-Versuche.

Als Stefan Rößle seine Entscheidung, Elterngeld zu beantragen verkündete, gab es durchaus auch kritische Stimmen. Zuhause klang das so: „Der bleibt acht Wochen daheim? Oh Gott. Viel Spaß, Mama.“ Außerhalb der eigenen Wände musste er sich erklären lassen, dass er gewählt sei. Und daher gefälligst da zu sein habe.

In Teilen von Rößles eigener Partei war das Elterngeld vor gar nicht langer Zeit noch verspottet worden. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, sprach offen von einem „Windelvolontariat“. Und über diese Skepsis sind einige Christsoziale offenbar bis heute nicht hinaus. „Es gab und gibt kritische Stimmen in der CSU“, gesteht Landrat Rößle offen ein. „Manche Leute finden nicht gut, dass ich das mache.“

Nur für den Bundespräsidenten macht Rößle eine Ausnahme

So ergab sich folgende skurrile Situation: Als der Landrat und Landesvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung bei einer Kreistagssitzung bekannt gab, dass er Vätermonate nimmt, gab es spontanen Applaus. „Aber parteipolitisch aus der anderen Ecke“, erzählt er. Die CSU-Fraktion blieb stumm, war erst einmal völlig perplex. Im Anschluss war ein klärendes Gespräch nötig. „Es sind überwiegend ältere Männer, die damit ein Problem haben“, hat Rößle festgestellt. Und davon gibt es in der CSU nicht wenige.

Er hat es trotzdem durchgezogen. Auch, weil der Landkreis gerade ein "Bündnis für Familie" ins Leben rief. Und der Politiker selbst mit gutem Beispiel vorangehen wollte. Stefan Rößle, der auch Mitglied im CSU-Landesvorstand ist, sagte alle Termine ab. Also fast alle. Am 15.April kommt Bundespräsident Horst Köhler in den Landkreis. „Es wäre unanständig, wenn ich mich da nicht sehen lasse.“ Ansonsten hält Rößle die Polit-Pause konsequent durch. Das Landratsamt ruft nicht mal bei ihm an. Vertreter Franz Oppel (CSU) hat alles fest im Griff. „Der macht nichts, was nicht in meinem Sinn ist.“

Den ersten Anflug von Hausfrauen-Frust hat er schon hinter sich

Seit vier Wochen hat Rößle Schreibtisch und Computer gegen Heim und Herd getauscht. Seine Frau Christine genießt die Zeit: „Ich kann mehr anfangen, weil ich weiß, dass die Kinder gut aufgehoben sind.“ Die fünffache Mutter ist eigentlich auch ganz zufrieden mit seinen Qualitäten als Hausmann – obwohl er sich ums Putzen bislang noch herumgedrückt hat. Nur eine der Töchter kommt nicht darüber hinweg, dass der Papa ihren Lieblingspulli einlaufen hat lassen.

Den ersten Hausfrauen-Frust hat Rößle auch schon hinter sich – das hat zumindest seine Frau diagnostiziert. Zwei Tage lang war er richtig mies drauf. „Wahrscheinlich hat er gedacht, es ist ruhiger. Und er kommt mal dazu, ein Buch zu lesen“, sagt sie. Aber der Tag ist immer schneller rum als erwartet. Und obwohl der Wecker schon um sechs Uhr klingelt, ist die Arbeit niemals ganz getan. „Als Landrat hat man auch viel um die Ohren – aber man kriegt am Monatsende einen Gehaltszettel“, sinniert Rößle vor sich hin. „Und man arbeitet an Projekten, die irgendwann abgeschlossen sind.“ Das Projekt Bügelwäsche endet niemals. Und in den zwei Monaten, die der Alleinverdiener daheim bleibt, müssen der Familie 1800 Euro Elterngeld reichen.

Rößles Tipp an Seppi Schmid: "Er soll's machen"

Auch ein Münchner Stadt-Politiker denkt nach eigenem Bekunden „intensiv darüber nach“, in Elternzeit zu gehen: der Chef der CSU-Rathaus-Fraktion Seppi Schmid. Für ihn hat der Partei-Kollege nur eine Empfehlung parat: „Er soll’s machen. Es wird ihm gut tun.“ Und Schmid könne sich bei ihm auch gerne über die Diskussionen informieren, die geführt werden.Von CSU-Hausmann zu CSU-Hausmann. Freilich bekam Rößle auch viel Zuspruch. Einige junge Männer erzählten ihm, dass sie sich ohne ihn nie getraut hätten, ihren Chef zu fragen. „So richtig erfolgreich ist der Mensch nur, wenn er auch daheim erfolgreich ist“, sagt der Landrat.

Frau Rößle hofft jetzt, dass die Einsichten ihres Mannes länger dauern als die Elternzeit. „Ich hoffe, dass er häufiger daheim ist.“ Er selbst hat schon versprochen, sich nicht mehr spontan zum Mittagessen anzumelden – wenn er im Essensplan nicht vorgesehen war. Auch wenn nicht jedes Mahl zwei Stunden braucht wie ein gutes Gulasch.

Julia Lenders

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