Madonna und heilige Kühe

NÜRNBERG - Der Streit ums Zukunftskonzept für das Nürnberger Kunsthaus geht in die nächste Runde: Die neuen Macher melden Ansprüche auf die „angestammten Räume“ an und brechen eine Lanze für die Langeweile
Das Hauen und Stechen der (organisierten) Künstler in Nürnberg (AZ berichtete) geht in die nächste Runde — großkarierter wird’s nicht: Bei Redaktionsbesuchen verteilt der Vorstand des Kunsthaus-Vereins, der bei der Eröffnung zur Jubiläumsschau seiner (angeblich illoyalen) Programmchefin Petra Weigle Redeverbot erteilt hatte, persönlich Presseerklärungen gegen „tendenziöse Berichterstattung“ in den Zeitungen, attackiert den im Frühjahr per Misstrauensvotum rausgekegelten alten Vorstand und erneuert die Forderung, in „unseren angestammten Räumen“ bleiben zu wollen.
Vielleicht wäre ja ein Militärmuseum der passendere Rahmen gewesen. Und nicht ein Kunsthaus, über dessen Wohl und Wehe, Sein und Werden gerade ohne Rücksicht auf Geburtstagslaune (die „Aktionsgemeinschaft Nürnberger Künstler e.V.“ wurde soeben 30) gestritten wird. In gebotener Selbstzerfleischung. Die bei „ver.di“ organisierten Künstler sowie die renommierte Gruppe „Der Kreis“ trafen sich vergangene Woche zu Krisensitzungen, ob man der bestehenden Konstellation — zur Plattform gehören außerdem (als größter) der Berufsverband Bildender Künstler, die Künstlervereinigung Erlenstegen, Künstlerbund Schwabach und GEDOK Franken — künftig noch angehören will.
Ingrid Gloc-Hoffmann, Cornelia Hammerer, Rita Kriege, Holger Lehfeld und Uwe Schein – der jetzige Vorstand – sehen sich als Meinungsbildner der Mehrheit unter den 580 Künstlern und werfen ihren Vorgängern (u.a. Fredder Wanoth und Thomas May) Profilneurose vor und dass sie „eine weitere Entsolidarisierung und Spaltung zwischen den Künstlern vorantreiben wollen“.
Auslöser der Revier- und Grabenkämpfe sind Planspiele von Matthias Strobel, Intendant des überwölbenden KunstKulturQuartiers KuKuQ, die Präsenz der Verbände künftig von Konzepten und Ideen abhängig zu machen. Damit konnten sich alter Vorstand und Programmchefin durchaus anfreunden, die aktuellen Wortführer nicht. Sie schreiben: „Viele Leute, die Verbandsausstellungen langweilig und verstaubt finden, haben immer noch nicht begriffen, dass sie kein Konzert von Madonna besuchen, sondern eine Ausstellung.“
Und weil die bisherigen Verantwortlichen gespottet hatten, dass ins Kunsthaus „Hinz und Kunst“ dürften, malen ihre Nachfolger den Teufel von der drohenden „Konzept-Kunst“ an die Wand (nicht zu verwechseln mit Kunst-Konzept). Und der Vorwurf der „Hobbykunst“ sei ja heutzutage ein „Frevel“. Auch ein van Gogh und ein Francis Bacon hätten keine Akademie besucht. Qualität liege „im Auge des Betrachters“ oder „in der Definitionsmacht leitender Kunst- und Kulturmanager“. Durch die Kurskorrektur sei die „Chancengleichheit“ in Gefahr. Ein Jeder-darf-mal-Prinzip, denn „wenn ein ganz kleiner Kreis darüber befinden soll, halte ich das für gefährlich“, sagt Uwe Schein.
Der will jetzt rechtlich prüfen lassen, ob die Künstler nicht durch die Anfänge des Künstlerhauses Besitzansprüche haben. „Wir wollen uns nicht an die Kunsthaus-Räume klammern“, beschwichtigt dagegen Ingrid Gloc-Hoffmann. „In Gesprächen“ will man jetzt erreichen, dass die bisherigen „Ausstellungskontingente weiter zur Verfügung stehen“. Drei (von etwa acht) Ausstellungen pro Jahr verantworten die Vereine selbst – das sei doch nicht zu viel verlangt, meint Holger Lehfeld, der sich echauffiert, dass sie „immer die ewig Gestrigen“ seien.
Wenn Spielflächen unter den Beteiligten immer neu vergeben würden, müssten sich dieser neuen Offenheit aber „alle beugen, dann darf’s keine heiligen Kühe geben“. fordert man. Gemeint kann damit nur die Kunsthalle sein. Das Ende des Konfrontationskurses ist also noch nicht in Sicht. Am 7. Oktober (17 Uhr) will man die Zukunftsängste des Kunsthauses schüren. Es könnte der Auftakt einer endlosen Diskussionsreihe im KuKuQ sein. Andreas Radlmaier