Macht Seehofer Propaganda für Putin – oder will er nur reden?

"Aufruhr gegen Merkel", "unstillbares Geltungsbedürfnis" oder "Propagandahilfe für Putin" – als CSU-Chef Horst Seehofer im Februar 2016 Kremlchef Wladimir Putin besuchte, hagelte es Kritik von allen Seiten. Nicht nur die bayerische Opposition, auch der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), schlug Alarm, weil Seehofer die Lockerung der Sanktionen gegen Russland einforderte und den Ukrainekonflikt als "Schießerei" bezeichnete. Am Mittwoch reist der Ministerpräsident erneut zu Putin nach Moskau. Droht der nächste Sturm der Empörung?
Wohl eher nicht. Der Kreml erlebt außenpolitisch intensive Tage. Vergangene Woche gaben sich Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD), Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hier die Klinke die Hand. Es gibt kaum ein internationales Problem, in dem Moskaus Hilfe nicht gefragt ist.
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Dies findet auch Seehofer: "Ich bin dagegen, dass wir das alte Blockdenken praktizieren, die einen als die Guten und die anderen als die Bösen einteilen." Ohne Moskau könnten viele Brandherde in der Welt nicht gelöst werden. Auch an seiner Meinung über die Sanktionen hat sich nichts geändert. Weil viele bayerische Unternehmen darunter leiden, hält er sie für falsch. Das seit Jahren sinkende Handelsvolumen von Bayern und Russland lag 2016 bei 7,62 Milliarden Euro und damit deutlich unter den 13,1 Milliarden Euro von 2012.
Auch Russland ist an guten Wirtschaftsbeziehungen zum Freistaat wie zu ganz Deutschland interessiert. Mehr als 5500 Unternehmen mit deutscher Beteiligung sind in Russland vertreten, mehr als ein Viertel davon kommt aus Bayern. Doch nicht nur deshalb hat Putin für deutsche Politiker fast immer Zeit. Mit keinem anderen Land möchte er so gerne befreundet sein. Dass gerade Deutschland die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 als Verstoß gegen die europäische Friedensordnung sieht, verstehen viele Russen nicht.
Gabriel hatte bei seinen Moskau-Besuchen als Wirtschaftsminister ähnlich wie Seehofer schon vor einem Jahr eine Lockerung der Sanktionen verfochten. Als Außenminister sagte er der russischen Seite klar, dass der Krieg in der Ostukraine, in dem Moskau seine Hand im Spiel hat, eben noch nicht vorbei ist. Dies weiß auch Seehofer, der voraussichtlich schon Ende April nach Kiew zum dortigen Präsidenten Petro Poroschenko reisen will. Im Gegensatz zu Russland verbindet Bayern mit der Ukraine aber keine große Wirtschaftskraft. Sein Besuch ist deshalb eher als außenpolitische Geste zu verstehen, ob er dort auch kritische Worte über Russland finden wird, ist offen.
Neben Alt-CSU-Chef Edmund Stoiber werden auch Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kultusminister Ludwig Spaenle (alle CSU) in Moskau dabei sein. Wer sein halbes Kabinett mitbringt, scheint im Kopf das Ende der Sanktionen bereits eingeläutet zu haben, obwohl auf der Krim immer noch geschossen wird.
SPD und Grüne hingegen appellieren an Seehofer, kein Ende der Russland-Sanktionen zu fordern. "Das Falscheste was man machen kann, ist das einseitige Ende der Sanktionen zu propagieren", sagte etwa SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.