Ludwig (73): Er ist Flockes »Großvater«
Der Pionier der Nürnberger Eisbärenzucht regt sich über die »Experten« auf
NÜRNBERG Mit seiner Schätzung wird er eher an der untersten Grenze liegen. ?"Zur Zeit?", vermutet Ludwig Löb, "?haben wir allein in Nürnberg bestimmt so um die 15000 Eisbären-Experten. Aber wenn ich mich mit einem dieser Experten unterhalte, fällt mir immer ganz enorm auf, wie desinformiert die Leute sind. Manchmal packt mich die kalte Wut. Vor allem dann, wenn sie von der freien Wildnis schwafeln, in die man die Tiere im Zoo gefälligst entlassen soll. Den Tiergartendirektor wegen nicht artgerechter Haltung von Tieren anzeigen! Recht viel hirnverbrannter geht es nicht mehr."?
Ludwig Löb (73) kennt sich in Nürnberg möglicherweise mit Tieren aus wie wenig andere ? mit Tieren in freier Wildbahn wie auch mit ihren Artgenossen hinter Gittern. Der pensionierte Tiergarten-Inspektor hatte 1949 eine Lehre als Tierwärter begonnen und war ein halbes Jahrhundert lang für alles zuständig, was am Schmausenbuck kreuchte und fleuchte. Oder genauer: brüllte und trompetete. Meist wurde der gutmütige Hüne von einem Mann zur Pflege der großen Tiere abgestellt: Löwen, Elefanten, Tiger, Braunbären, Giraffen.
Eine Gruppe junger Löwen hatte zu dem Tierpfleger damals soviel Vertrauen, dass sie ihn ungeschützt neben sich im Gehege duldeten. Und Eisbären? Ludwig Löb: "?Da hast du keine Chance. Eisbären sind hypersensible und hochkomplizierte Tiere. Die reagieren auf Dinge, die ein Mensch gar nicht wahrnehmen kann. Und sie sind unberechenbar."?
Fast ein Jahrzehnt hatte Ludwig Löb die Nürnberger Eisbären zusammen mit anderen Pflegern betreut. Am Anfang eine Bärengruppe, die noch aus dem alten Tiergarten am Dutzendteich stammte und 1939 mit an den Schmausenbuck umgezogen war. ?Bei denen?, erinnert sich Löb, ?hatten wir fast jedes Jahr Nachwuchs. Aber immer mussten wir die Jungen von den Bärinnen sofort trennen. Sonst hätten sie ihren Nachwuchs getötet. Warum das so war ? das wusste damals niemand. Und das ist auch heute noch nicht erforscht.?
Nürnberg war einst berühmt für Zuchterfolge
Hätte jetzt im Dezember bei der Geburt von drei Eisbären in Nürnberg eine Überwachungskamera in der Geburtshöhle also doch einen Sinn gehabt? Ludwig Löb: "?Klar hätte die einen Sinn gehabt. Man hätte mit ihr ganz genau beobachten können, wie die Mutter ihre Jungen tötet. Oder sie frisst. Und ansonsten hätte die Kamera überhaupt keinen Sinn gehabt. Kein Mensch auf der Welt hätte da was ändern können. Höchstens vielleicht diese selbst ernannten Experten. Das ist eine Tatsache, dass von jungen Eisbären nur fünfzig Prozent überleben. Von jungen Eisbären in freier Wildbahn, wohlgemerkt."? Und die kleinen Bären in Nürnberg, mit Hilfe einer Kamera, rechtzeitig von der Mutter trennen? ?"Da hast du keine Chance. Es sei denn, du willst in der Höhle dann gleich mitgetötet werden."?
In den 1960er Jahren hatte Ludwig Löb fast jedes Jahr im Dezember miterlebt, wie neugeborene Bären natürlich aufgewachsen sind, immer unter der Obhut ihrer Mutter. "?Damals war Nürnberg in der ganzen Fachwelt berühmt für seine Zuchterfolge."?
Fast zwei Drittel des Jahres verbringt Löb mit seiner Frau Susanne, einer ehemaligen Tierarzthelferin im Nürnberger Zoo, in ?freier Wildbahn?: in afrikanischen Steppen, im Urwald, in der Taiga, in Gebirgen, im australischen Outback.
"?Wir Menschen fischen die Meere leer, holzen die Regenwälder ab, verpesten die Luft, sorgen dafür, dass das Eis am Pol wegschmilzt - wo ist denn da die freie Wildbahn geblieben? Der Eisbär stirbt aus, mit unserer Menschenhilfe, der sibirische Tiger stirbt aus, wahrscheinlich vor lauter Freude über die Freiheit."? Klaus Schamberger
- Themen: