Lokführer nach tödlichem Unglück bei Garmisch-Partenkirchen: "Ab Tutzing ist alles im Arsch"

Offenbar sind kaputte Gleise Grund für den Unfall mit fünf Toten – und die Bahn wusste seit Jahren von dem Sicherheitsrisiko.
von  AZ/rus
Mehrere Teile der Waggons des verunglückten Regionalzuges stehen in der Nähe der Unfallstelle. Wäre der Unfall durch rechtzeitige Arbeiten am Gleis vermeidbar gewesen?
Mehrere Teile der Waggons des verunglückten Regionalzuges stehen in der Nähe der Unfallstelle. Wäre der Unfall durch rechtzeitige Arbeiten am Gleis vermeidbar gewesen? © dpa

Burgrain - Vor einem Monat entgleist ein Regionalzug in Burgrain - vier Frauen und ein 13-Jähriger sterben. Schnell mehren sich die Hinweise, dass die Ursache im Gleisbett zu suchen ist, dass marode Betonschwellen Schuld an dem tödlichen Unglück sind.

 "Report Mainz" berichtet über Brandbrief von vor drei Jahren

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen den für diese Strecke Anlageverantwortlichen bei der Bahn. Nun berichtete "Report Mainz" über einen Brandbrief aus dem Jahr 2019, in dem Anlageverantwortliche Alarm schlagen und den Bahnvorstand vor Risiken im Streckennetz warnen.

Chat der Lokführer aufgetaucht

Jeder Anlagenverantwortliche trage die alleinige Verantwortung für bis zu 400 Streckenkilometer, es fehle an Geld und Personal, um notwendige Instandsetzungen durchführen zu können, heißt es da.

Was ist seither passiert? Offenbar nicht genug. In einem Chat, der dem ARD-Politikmagazin vorliegt, haben sich Lokführer über das Garmischer Unglück unterhalten. Einer schreibt: "Wir wissen alle, in welchem Zustand diese Strecke ist. (...) Ab Tutzing ist alles im Arsch."

Die Bahn selbst äußert sich nicht, verweist auf laufende Ermittlungen und teilt mit, die Mitarbeiterzahlen und finanzielle Mittel seien angewachsen. Auch Experten halten einen Defekt am Gleis für die wahrscheinlichste Unfallursache. Bereits wenige Tage nach dem Unglück sagte der Professor für das Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der TU Berlin, Markus Hecht: "Es kommt eigentlich nur eine Gleisverwerfung als Ursache in Frage."

Im "Report Mainz"-Beitrag bekräftigt der Experte diese Vermutung. Auch eine Drucksache des Verkehrsausschusses des Bundestages spricht von einer Schienenverschiebung und "zum Teil vorgeschädigten Betonschwellen".

Ermittlungen gegen einzelne Mitarbeiter richtig?

Der Bahnexperte sieht es kritisch, dass nun gegen einzelne Mitarbeiter ermittelt werde. "Report Mainz" sagt Hecht: "Ich habe normalerweise meine Sorgfaltspflicht. Und wenn trotzdem was passiert, dann liegt es am System. Und diese Überlegung, die gibt es bisher nicht bei der Eisenbahn, sondern wenn was passiert, dann wird der Einzelne angegriffen. Und das kann nicht sein."

Der Initiator des Brandbriefes sagt gegenüber "Report Mainz": "Wir Anlagenverantwortliche sind Bittsteller geworden. Wir mussten um jeden Pfennig Geld betteln. (...)". Um die anfallenden Inspektionen fristgerecht durchführen zu können, blieben "vermehrt Instandsetzungsarbeiten infolge fehlender operativer Meister liegen", heißt es in dem Brief weiter.

Er selbst sei, nachdem er den Brief verschickt hatte, freigestellt worden. Eine fragwürdige Unternehmenskultur, kritisiert Matthias Gastel, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen.

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