Leonhardiritt: Mit dem Erzbischof in der Truhe durchs Dorf

Dreimal ziehen die prächtig geschmückten Pferdegespanne und antiken Truhenwägen beim traditionellen Leonhardiritt alljährlich am 6. November zur Segnung durch Kreuth.
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KREUTH - Dreimal ziehen die prächtig geschmückten Pferdegespanne und antiken Truhenwägen beim traditionellen Leonhardiritt alljährlich am 6. November zur Segnung durch Kreuth.

Besonders bei Runde zwei, wenn die Pferde mit Weihwasser gesegnet werden, dürften am Freitag die Fotoapparate besonders eifrig klicken: Denn in einem der Truhenwägen soll kein Geringerer Platz nehmen als der Erzbischof von München und Freising, Karl Marx. Vor der Fahrt, um 9.30 Uhr, wird der Geistliche den Gottesdienst in der Leonhardi-Kirche feiern.

Ändern an dem jahrhundertealten Prozedere werde sich durch die Anwesenheit des Erzbischofs nichts, sagt Toni Mehringer, der den Zug aus 33 Gespannen und gut 20 Einzelreitern seit 37 Jahren anführt. „Aber eine Ehre ist das schon, wenn er kommt. Das passiert ja schließlich nicht alle Tage.“ Mit Gottes Hilfe, so hofft der 69-Jährige, werde am Freitag die Sonne das bunte Treiben zu Ehren des Heiligen Leonhard ins schönste Licht rücken. Aber selbst wenn Petrus mit den Kreuthern kein Erbarmen hat: Morgenwache ist an diesem Tag schon früh.

„Um 6.00 Uhr wird mit der Kanone der Tag angeschossen“, erzählt Mehringer. Keine Minute zu früh, denn auf die Teilnehmer der Leonhardifahrt wartet jede Menge Arbeit: In stundenlanger Flechtarbeit werden die Mähnen der Pferde zu Ehren ihres Patrons in Kunstwerke verwandelt. Die Dorfbewohner stehen dem in nichts nach und ziehen ihre schönsten Trachten an. Das ist für verheiratete Frauen der „Schalk“, schwarze Tracht mit roten Nelken im Dekolleté, für Ledige das Miedergewand. Männer tragen Lodenanzug mit langer Hose.

Doch die Hauptdarsteller sind an diesem Tag die Pferde: Neben weiß-blauen Bändern in den geflochtenen Mähnen, tragen viele alten Kultschmuck, der böse Geister abwehren soll: Spiegel oder glänzende Messingrosen sollen die Dämonen erschrecken, wenn sie ihr eigenes Abbild sehen. Der Kamm hilft gegen das Verfilzen der Haare durch Hexen. Dachsfell und Dachskopf sollen – meist mit roter Farbe angemalt und mit einer langen Zunge versehen – die bösen Geister vertreiben. Die Bräuche sind uralt: Das älteste Zeugnis einer Leonhardifahrt in der oberbayerischen Gemeinde geht auf das Jahr 1442 zurück.

Zu verdanken haben die Kreuther ihren Festtag einem Missverständnis: In seiner Heimat Frankreich wurde Leonhard vor allem als Schutzpatron der Gefangenen verehrt. Manchen, die im Kerker seinen Namen anriefen, sollen augenblicklich die Ketten abgefallen sein. Ende des 12. Jahrhunderts erreichte der Leonhardi-Kult Bayern. Die Bauern deuteten seine Kette als Viehkette – seine Verehrung als Nothelfer für die Tiere begann. Mehr als 150 Leonhardi-Umzüge sind in Bayern bekannt, 50 davon gibt es noch heute.

Von der Verehrung des Heiligen Leonhard erhoffen sich aber auch die Bauern Beistand – nicht nur in Tierangelegenheiten, wie ein überlieferter Vers verdeutlicht: „O heiliger St. Leonhard! Mia Kreutherer ham a b'sondere Art, doch hoff'ma, Du verstehst uns recht, woaßt scho, mia moanan's ja net schlecht. Halt weiter Deine Segenshand über unsern Viehbestand und über'd Leute samt ihre Sünden, dass sie durch dich zum Herrgott finden.“

Wenn vielleicht schon nicht zum Herrgott, so finden viele dank des Leonhardi-Treibens in die 3700-Einwohner-Gemeinde: 3000 bis 5000 Zuschauer aus der Region, aber auch aus der Landeshauptstadt und dem Münchner Umland, lassen sich den „gelebten Glauben“ nicht entgehen, wie Gabi Strobl von der Tourismusinformation der Gemeinde berichtet. „Da hat sich eine Art kleine Saison entwickelt. Viele Stammgäste kommen extra noch einmal für zwei bis drei Tage nach Kreuth.“

ddp

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