Lehrberg: Ist ein Monteur schuld an der Katastrophe?
Drei falsche Drehungen an einem Ventil lösten vor zwei Jahren das Gas-Inferno aus. Seit gestern steht der Handwerker (44) in Ansbach vor Gericht.
ANSBACH Er machte mit dem falschen Werkzeug drei falsche Drehungen an einem Gastank... Diese fatale Kombination löste vor genau zwei Jahren die verheerende Gas-Explosion im 3200-Seelen-Ort Lehrberg (bei Ansbach) aus. Die Bilanz: sechs Tote, elf Verletzte, 50 beschädigte Häuser, vier Millionen Euro Schaden!
Seit gestern steht Monteur Thomas S. (44) wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung vor dem Ansbacher Schöffengericht – weil er laut Anklage pflichtwidrig und entgegen den Sicherheitsvorschriften herumhantierte.
Doch der Vater zweier Kinder stellte die Katastrophe als Verkettung unglücklicher Umstände dar. Mit einem Handgerät sollte er das undichte Ventil des Flüssiggas-Tanks (Inhalt: 4000 Liter) fest zudrehen. „Ich kam aber nicht ran an dieses Füllventil in dem engen Schacht“, erklärte der Mann mit der zehnjährigen Berufserfahrung. Sein Gesicht war gerötet, die Augen wanderten unruhig durch den vollen Saal. Deshalb habe er den Druckluftschrauber genommen. Gastwirt Karl Kirschner (51), Besitzer des Tanks, stellte ihm einen Kompressor zur Verfügung.
Fünf Wochen vorher war ein winziges Leck an Einfüllstutzen des Erdtanks festgestellt worden. „Man könnte es so lassen, aber ich schicke einen Monteur vorbei“, sagte der Gaslieferant.
Er stellte sich als menschliche Dichtung aufs Ventil
Thomas S. aus dem Nachbardorf kam an jenem 22. September 2006 mit seinem Tank-Lkw nach Lehrberg. Um 7.30 Uhr war er auf dem Grundstück des Gastwirts Karl Kirschner direkt an der Durchgangsstraße, die täglich 13.000 Autos passieren.
Drei Mal setzte der Monteur zum Zuschrauben des Ventils an. Er merkte nicht, dass sich die Drehrichtung des Werkzeugs verstellte und so das Ventil geöffnet wurde. Zischend strömte Gas aus. „Schnell Polizei und Feuerwehr anrufen, die sollen die Straße sperren“, rief der Monteur. Er stellte sich als menschliche Dichtung aufs Ventil, bis ihm schwindlig wurde. Der Wirt alarmierte Angehörige, Mitarbeiter, Nachbarn. Auch die in der Bäckerei nebenan.
19 Minuten später schlug eine meterhohe Stichflamme aus dem Tank, entzündete das in der Luft wabernde Gasgemisch. Der Monteur wachte nach der Explosion leicht lädiert unter seinem Lkw auf. Der Wirt blieb unverletzt hinter einer Wand, als Gebäudetrümmer herumflogen.
Doch sein um Hilfe rufender Vater lag schwer verletzt unter Trümmern, starb sechs Wochen später im Krankenhaus. Und in den Trümmern der total zerstörten Bäckerei nebenan starben Juniorchef Hans Kohler, seine Mutter Mina und drei Mitarbeiter. Überlebt hat nur der Senior Wilhelm Kohler (71), der den Opfern einen Gedenkstein aufstellte. Karl Kirschner musste sein schwer beschädigtes Anwesen abreißen, kämpft noch mit einem Nachbarnum die Ausmaße des Neubaus.
Enttäuscht ist er vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Der schwebte per Helikopter ein, versprach schnell unbürokratische Hilfe. „Gekommen ist nichts“, so der Gastwirt. Seinen Frieden hat er mit dem Monteur gemacht, der seit dem Vorfall arbeitsunfähig und in psychiatrischer Behandlung ist. Dessen Verteidiger erwartet einen Freispruch aufgrund des TÜV-Gutachtens. „Warum hat die Feuerwehr die 19 Minuten bis zur Explosion nicht genutzt, um die Leute in Sicherheit zu bringen?“, fragt der Anwalt. „Man hat die Sache damals nicht Ernst genommen.“ cis
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