Lawinen-Unfälle in den Alpen: Der Tod lauert neben der Piste
Sie waren euphorisch, unerfahren oder unvorsichtig - Trotz Warnungen starben in den vergangen Tagen mindestens vier Menschen den "weißen Tod". Lawinenunglücke sind bei solchem Wetter fast programmiert, sagen Experten. Nor risk, no fun?
Christian K. war ein erfahrenen Snowboarder, sogar in der Nationalmannschaft war er. Trotzdem starb er bei seinem Sport, mitgerissen von einer Lawine am Wallberg. Er ist einer von mindestes vier Lawinen- Toten am vergangenen Wochenende, Rettungsdienste und Bergwacht haben Hochkonjunktur – und Lawinengefahr besteht weiter.
„Dass bei solchem Wetter etwas passiert, war fast vorprogrammiert“, sagt Andi König, Sicherheitsexperte des deutsche Skiverbands (DSV). Die Bilanz der letzten drei Tage im Alpenraum: Zwei Schweizer und zwei Österreicher starben. Ein Österreicher wurde noch vermisst. Ein 24-jähriger Garmischer wurde in Tirol verschüttet, seine Kameraden konnten ihn lebend bergen. An der Kampenwand hat sich ein Skifahrer selbst befreit. Spektakulär war die Rettung eines 27-Jährigen auf der Hochalm. Am Sudelfeld geriet ein Skifahrer in eine Lawine und befreite sich. Dort wurden auch drei erschöpfte Frauen im lawinengefährdeten Gebiet entdeckt und unverletzt zu Tal gebracht.
Mehr Wissen, bessere Ausrüstung
Rund 100 Menschen sterben jährlich in den Alpen bei Lawinenunglücken. Die Zahlen schwanken je nach Wetter, die Schneemengen sind sehr unterschiedlich. Laut dem Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF), das international Lawinenunglücke dokumentiert, ist die Zahl in den letzten Jahren nicht gestiegen. Im Gegenteil, berücksichtigt man, dass viel mehr Skifahrer als früher abseits unterwegs sind, sind sie sogar gesunken. „Die Leute wissen mehr und sie haben eine bessere Ausrüstung“, sagt Olaf Perwitzschky, Bergführer und Redakteur des Bergmagazins „Alpin“.
Warum gibt es trotzdem so viele Opfer? Die Antwort ist nicht nur die Unberechenbarkeit der Berges, die bei jedem für ein Restrisiko sorgt. „In den allermeisten Fällen sind die Lawinenunglücke selbstverschuldet“, sagt König. So wie bei Christian K., der trotz Warnstufe 4 in den stark gefährdeten Hang fuhr. „Er war bestimmt ein hervorragender Snowboarder. Aber manchmal sind gerade die zu euphorisch und sie werden unvorsichtig“, sagt Andi König.
Variantenfahren liegt im Trend
Insgesamt ist der Anteil der „Variantenfahrer“ bei den Opfern gestiegen – die sind keine Tourengeher, sondern fahren im Skigebiet abseits der gesicherten Pisten. „Variantenfahren ist ein Trend, genau wie das Schneeschuhwandern. Doch das machen häufig Leute, die sich nicht wie Tourengeher genau informieren, wie die Lawinenlage ist, welche Hänge besonders gefährdet sind“, sagt Experte Perwitzschky. Und sie haben oft nicht die richtige Ausrüstung wie Schaufel, Lawinenpiepser und Airbag.
Lawinenkunde ist kompliziert: Die Gefahr hängt von den Temperaturen während des Schneefalls und danach ab, von der Steilheit der Hänge, von ihrer Lage und davon, wie Skifahrer in den Hang fahren. Andi König empfiehlt allen, die gerne abseits unterwegs sind, sich in einem Kurs schlauzumachen – auch darüber, was zu tun ist, wenn ein Kamerad verschüttet wird. Denn: 90 Prozent der Opfer leben direkt nach dem Lawinenabgang noch. „Die erste Viertelstunde ist entscheidend.“
Tina Angerer