Landwirtschaft und Umweltschutz: Die Kuh – ein Klimakiller?

Rinder haben den schlechten Ruf, zur Erderwärmung beizutragen. Doch mit der richtigen Haltung stimmt das so nicht, sagen zwei Landwirte. Ein Besuch.
von  Leonie Fuchs
Norbert (r.) und Philipp Grenzebach im Stall mit ihren geliebten Kühen
Norbert (r.) und Philipp Grenzebach im Stall mit ihren geliebten Kühen © Bernd Wackerbauer

Weßling - Wenn Diana auf die Weide soll, macht sie auf dem Weg dorthin gerne einen kleinen Abstecher. Denn rechts vor dem Eingang des Biohofs Grenzebach bei Weßling (Kreis Starnberg) steht ein Apfelbaum, von dem sie am liebsten nascht. Die junge Kuh gehört zur vom Aussterben bedrohten Rinderrasse Original Braunvieh. 

Original Braunvieh ist vom Aussterben bedroht

Sie und ihre 42 Artgenossen haben heuer schon mehrere Tausend Kilometer auf dem Buckel, erzählen die Landwirte Norbert (62) und Sohn Philipp Grenzebach (35) der AZ. Darum laufen die Vierbeiner beim Auftrieb inzwischen recht träge zu ihrer 20 Hektar großen Wiese.

Doch je länger die Weidesaison, desto besser für’s Klima, sagen die Grenzebachs. Im Sommer sind die Wiederkäuer Tag und Nacht draußen. Am Hof der Familie gehen Klima- und Tierschutz seit über 200 Jahren und bereits in neunter Generation einher, denn eben auf diesen Kreislauf komme es an.

Teil der Initiative "Klimabauer"

Die neunköpfige Familie ist auch Teil der Initiative "Klimabauer" der Andechser Molkerei von Barbara Scheitz, bei der rund 100 Bio-Landwirte mitwirken. Die Idee: In der Region soll CO2 vermieden, der Verbrauch von Energie, Wasser und Ressourcen reduziert und so zum Klimaschutz beigetragen werden. Alle fünf Jahre wird Bilanz gezogen und nachgebessert, so Scheitz zur AZ.

Was an der Methan-Rechnung nicht beachtet wird

Beim Thema Kuh spuckt das Internet oft diese Rechnung aus: Für einen Liter Milch wird so viel CO2 verursacht, dass man mit demselben Treibhausgasausstoß knapp 13 Kilometer Autofahren könnte, sagt Philipp Grenzebach. Das Tier hat gar den Ruf als Klimakiller, da bei der Haltung die schädlichen Gase Kohlenstoffdioxid sowie Methan freigesetzt werden. Doch was dabei vernachlässigt werde: Die Bio-Kuh kreiere auch viel Klimapositives, nämlich "Artenvielfalt, einen nährstoffreichen Humusboden, Nahrung". Auch Scheitz bestätigt, dass bei einem Klimabauernhof zwischen 30 und 50 Prozent weniger CO2 ausgestoßen wird, als bei einem konventionellen.

Grenzebach für flächengebundene Weidewirtschaft

Schädlich für das Klima seien die Massentierhaltung, die dadurch hohe Methan- und Lachgasproduktion und unnatürliche Nahrungsketten, so Norbert Grenzebach. Er appelliert, zum Ursprung zurückzukehren – zu einer flächengebundenen Weidewirtschaft, auf der nur so viele Kühe leben, wie die Fläche ernähren kann. "Dann ist sie auch nicht klimaschädlich."

Und zudem sei dies dringend notwendig, denn die Landwirtschaft leide schließlich auch selbst unter dem Klimawandel: längere Trockenperioden und mehr Starkregen belasten.

Gemütlichen Schrittes wandert derweil die Herde auf der Straße in Richtung Wiese. Ein Autofahrer stoppt für die Gefleckten und lächelt. Die Tiere suchen sich selbst ihren Weg, die Bauern laufen gemächlich hinterher. Philipp Grenzebach besitzt einen Schlachtschein, doch alle Tiere ab der Größe der Schwäbisch-Hällischen Landschweine, die auch auf dem Hof leben, müssen in einen EU-zertifizierten Schlachthof, sagt er. Anders ist es bei den Fränkischen Landgänsen, die drüben schnatternd über das Grundstück laufen. "Die werden Weihnachten heuer wohl nicht miterleben", sagt er. 

An Milch gebe jede Kuh nur das, was geht

Aber bei den Kühen ist der junge Grenzebach froh, dass er sie nicht selbst schlachten muss. Der vierfache Papa melkt zweimal täglich. "Da hat man eine innige Beziehung, man kennt den Charakter jeder Kuh." An Milch gebe jede nur das, was geht. Etwa zehn Jahre wohnen die Tiere am Hof und werden in dieser Zeit auch ausgiebig mit Streicheleinheiten verwöhnt. "Sie brauchen Liebe und Zuneigung." Die Kühe zum Schlachter zu geben, das sei dann jedoch immer schmerzhaft.

Diana und ihre Kuh-Freunde fressen nur Gras und Streuobst, wie die roten Äpfel am Hofeingang. Die Schweine bekommen Molke, Kleegras und Abfall-Brot. Durch diese Fütterungsart werde automatisch weniger Kohlenstoff ausgestoßen, so Norbert Grenzebach, der sich um den Waldrand und die Weidewirtschaft kümmert. Strom wird am Hof mittels Photovoltaik selbst erzeugt.

Ausschließlich Kuhfladen, Mist und Gülle als Dünger

Statt dem Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und Stickstoff-Dünger setzt man zudem auf organisches Material, "also Kuhfladen, Mist und Gülle", sagt sein Sohn. Das sorge wiederum für einen nährstoffreichen Humusboden auf dem Grünland. "Wir haben 14,7 Prozent Humusgehalt an unserem Hauptstandort."

Zum Vergleich: Ein konventioneller Landwirt in Bayern könne nur etwa zwei bis vier Prozent vorweisen. Pflanzen des Graslandes betreiben mit freigesetztem Kuh-Kohlenstoffdioxid Photosynthese und binden auf der anderen Seite das Treibhausgas fest im Humusboden. Ein weiteres Plus: Der nährstoffreiche Boden bietet eine wichtige Grundlage für viele Tier- und Pflanzenarten.

Kuhfladen als Nahrungsquelle für Fledermäuse und Vögel

Ein Kuhfladen sei als Hotspot für Insekten zudem eine wichtige Nahrungsquelle für Amphibien, Fledermäuse und Vögel. "Hier, das ist Biodiversität – und kein Grünstreifen um einen Acker", so der 62-Jährige und zeigt auf einen Hektar Wiese. Die Tiere halten weiterhin das Gras kurz und regen dadurch die Pflanzen zum Wachstum an – ein in sich geschlossenes System.

"Wir müssen wieder anfangen, miteinander in Kreisläufen zu denken", sagt Scheitz, die für ihre Initiative bereits ausgezeichnet wurde. Doch gehe dies nur mit dem Verbraucher, der die Produkte kauft. Im Milchhäusl der Grenzebachs etwa, kann die Milch frisch abgefüllt werden. Auch andere Produkte gibt es dort zu kaufen, wie Eier oder Gemüse. Und hat der Besucher noch Zeit, freuen sich die zutraulichen Kühe sicher über einen Besuch.

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