Landtagswahl: Bayerns SPD-Chefin Kohnen: Stimmenfang in Dobrindts Wahlkreis

Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen macht mit ihrer Reihe "Kohnen Plus" Station in Murnau – mitten im Wahlkreis von Alexander Dobrindt (CSU). Die Reaktionen sind trotzdem positiv.
Natalie Kettinger |
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"Frauen haben auf alles eine Antwort": SPD-Chefin Natascha Kohnen (l.) und die Murnauer Konditorin Barbara Krönner.
nk "Frauen haben auf alles eine Antwort": SPD-Chefin Natascha Kohnen (l.) und die Murnauer Konditorin Barbara Krönner.

Murnau - Am Tag nach dem Umfrage-Schock, dem historisch schlechten Elf-Prozent-Debakel der Bayern-SPD, sitzt die Vorsitzende Natascha Kohnen auf dem Podium im Kultur- und Tagungszentrum in Murnau. Die pittoreske Gemeinde am Staffelsee ist nicht gerade sozialistisches Stammland. Den Bürgermeister stellt die ÖDP, bei der Bundestagswahl holte CSU-Hardliner Alexander Dobrindt mit 47,9 Prozent das Direktmandat im Wahlkreis. Natascha Kohnen lächelt trotzdem. Nicht jammern, sondern kämpfen, lautet ihre Devise für den Wahlkampf-Endspurt: "Vollgas!" (Alles zur Landtagswahl in Bayern finden Sie hier)

Gut 70 Interessierte sind an diesem Donnerstagabend gekommen, um sich anzusehen, wie die oberste Genossin im Freistaat mit der Murnauer Konditorin Barbara Krönner plaudert. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Reihe "Kohnen Plus" statt, bei der sich die Münchnerin auf der Bühne mit einem Gast unterhält. Die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles sowie die Kabarettisten Urban Priol und Christian Springer waren schon dabei. Justizministerin Katarina Barley (SPD), Kleinkunstkönig Till Hofmann und Regisseur Marcus H. Rosenmüller stehen noch auf der Liste. Bis zum Wahltag am 14. Oktober wird Kohnen auf ihrer Plus-Tour in mehr als 60 bayerischen Gemeinden Station gemacht haben.

Krönner: "Ich komme aus einem rabenschwarzen Haushalt"

Nun also Murnau mit Barbara Krönner, in deren Familie das Konditor-Handwerk seit dem 18. Jahrhundert Tradition hat, und die ein beliebtes Kaffeehaus in der Fußgängerzone betreibt. "Ich komme aus einem rabenschwarzen Haushalt, wo andere Parteien quasi nicht existiert haben", erzählt Krönner. Kohnens ist bei 68er-Eltern aufgewachsen. Sie sagt lächelnd: "Wenn ich das so höre, wundert es mich, dass wir hier zusammensitzen." Nun ja, sagt Krönner, ihre Mutter sei etwas aufgeschlossener gewesen. "Aber als ich mit einem farbigen Freund nach Hause kam, war’s mit ihrer Toleranz vorbei." Das Publikum lacht. Die Stimmung ist gelöst.

Dann wird es ernst. Kohnen erzählt von ihrer Schulzeit am Münchner Luisengymnasium und wie der Direktor eines Tages sämtliche Zwölftklässler mit dem Bus nach Wackersdorf chauffieren ließ. "Das war mein politischer Moment", sagt sie. Die Polizeigewalt am Bauzaun habe ihr klar gemacht: "In so einem Land will ich nicht leben!"

Barbara Krönner beschäftigt in ihrem Betrieb heute 55 Menschen aus 13 Nationen. Seit vier Jahren ist ein Flüchtling aus Nigeria dabei, dessen Zukunft in den Sternen steht. Das sei nicht immer einfach, gibt die Chefin zu. "Er ist schwer traumatisiert. Jedes Mal, wenn ein Brief vom Amt kommt, wird er zum Stein und hat Angst um sein Leben." Manchmal sei es so schlimm, dass er tagelang nicht arbeiten könne.

Kohnen: Söders 365-Euro-Ticket "völliger Schmarrn"

Was mit Menschen wie ihm politik-bedingt geschehe, sei unterirdisch, sagt Krönner. "Er braucht die Sicherheit, dass er hier eine Heimat hat und seine Traumata bewältigen kann." Und sie brauche ihn auch. "Er ist eingearbeitet und weiß, was zu tun ist." Krönner bekommt viel Applaus – und Kohnen die Möglichkeit, den "Spurwechsel" von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt zu erklären, den die SPD fordert, die CSU aber partout nicht will. Im Saal versteht diese Weigerung kaum einer.

Nach etwa einer Stunde ist das Publikum an der Reihe. Alle Fragen seien erlaubt, sagt Kohnen augenzwinkernd, Frauen seien schließlich nie um eine Antwort verlegen. Das Gespräch dreht sich um den Zustand der SPD, den Lehrermangel und die Wohnungsnot. "Von den 30 Städten mit den größten Wohnkostensteigerungen liegen 26 in Bayern", sagt Kohnen. Und dass sie das 365-Euro-Ticket, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bis 2030 einführen will, für einen "völligen Schmarrn" hält. Bis dahin sei der Mann doch längst nicht mehr im Amt. Außerdem löse er das Problem nicht, dass es aktuell Orte in Bayern gebe, "die haben null Anbindung".

Natascha Kohnen kommt bei den Zuschauern an

Wie zum Beweis meldet sich eine junge Frau aus dem Murnauer Umland, und bestätigt: In ihrem Dorf gebe es so gut wie keinen ÖPNV, "und in den Schulferien wird er ganz eingestellt". Doch davon rede leider niemand, es gehe immer nur um Asylpolitk. "Super, dass sie das ansprechen!"

Tatsächlich kommt Natascha Kohnen in Murnau an. Sie sei sachlich, gut informiert und spreche ohne Polemik, lobt ein Zuschauer. "Ein sehr guter Auftritt! Wie im Kaffeehaus!" Eine Grünen-Anhängerin fühlt sich nun hin- und hergerissen zwischen Ökos und Genossen, will alles "erstmal sacken lassen".

Und einer vom Stammtisch im Kaffeehaus Krönner gibt zu: Er wähle eigentlich immer Links im Bund und Grün in Bayern, aber Kohnen habe ihm so gut gefallen, dass er sein Kreuzchen diesmal wohl bei den Roten machen werde. "Die Grünen", sagt er, "die haben es mit der sozialen Frage nicht so."

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