Landtagswahl 2018: Florian Weber von der Bayernpartei im Interview

München - Der Bad Aiblinger (54) ist seit 2007 Chef der Bayernpartei und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018.
AZ: Herr Weber, rein in den Trachtenjanker, eine Prise Schnupftabak, dann ab an die Wahlurne und mittags einen Schweinsbraten mit Semmelknödel: Sieht so der kommende Sonntag beim Spitzenkandidaten der Bayernpartei aus?
Florian Weber: Um Gottes willen! Leider erfülle ich nicht jedes Klischee. Der Sonntag ist für mich der erste ruhigere Tag, am Samstag sind wir nach voll im Wahlkampf unterwegs. Nach dem Frühstück gehe ich zum Wählen, später findet dann in unserer Geschäftsstelle in München die Wahlfeier statt.
Bei der Landtagswahl 1950 kam die Bayernpartei auf rund 18 Prozent. Fast 70 Jahre später wird die BP in den Umfragen mangels Bedeutung gar nicht mehr ausgewiesen. Was sind die Gründe für diese jahrzehntelange Abstinenz?
Einen großen Anteil daran hatte freilich die Spielbanken-Affäre 1955. Dazu kam die bessere wirtschaftliche Lage in Deutschland in den 50er- und 60er-Jahren. Die Bundesrepublik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Erfolgsmodell. Themen wie Eigenstaatlichkeit, Subsidiarität und Föderalismus spielten damals eine immer schwächere Rolle – im Gegensatz zu heute.
Und das Erstarken der CSU? Franz Josef Strauß schrieb einst, der strategische Gegner der CSU sei jahrelang die Bayernpartei gewesen.
Die CSU verstand es, die Spielbanken-Affäre für sich zu nutzen. Und die Christsozialen haben auch nicht alles falsch gemacht; sie vertraten damals vermehrt Interessen und Ideen der Bayernpartei. Die CSU schaffte es, viele Mitglieder der Bayernpartei für sich zu gewinnen. Seit einiger Zeit geht es mit der Bayernpartei aber wieder stark aufwärts.
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Jetzt wollen Sie die Fünf-Prozent-Hürde knacken, die zum Einzug in den Landtag berechtigt. Warum ist dieses Ziel für Sie keineswegs utopisch?
Das Interesse an der Bayernpartei war in den vergangenen Jahrzehnten noch nie größer als heute. Täglich erreichen uns unzählige Anfragen von interessierten Wählern, jede Woche tritt der Bayernpartei im Schnitt eine zweistellige Zahl an Mitgliedern bei. Sechs Prozent sind drin am Sonntag – auch wenn die Umfragen uns niedriger sehen.
Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz? Täuschen die Wahlumfragen?
Ich bin zumindest skeptisch. In den Umfragen wird die Bayernpartei nicht abgefragt. Wir werden unter "Sonstige" geführt und nie als einzelne Antwortoption. Wer wählt schon "Sonstige"? Kein Mensch! Zudem sind einige Umfragen jenseits der Realität. Bei der Bundestagswahl 2017 schnitt die Union weit schlechter ab als in den Umfragen prognostiziert.
Viele Menschen im Freistaat sagen trotzdem, ein Kreuzerl bei der Bayernpartei sei eine verschenkte Stimme.
Das ist mitnichten so! Dem Landtag fehlt eine starke weiß-blaue Stimme, und eine solche ist nun mal die Bayernpartei. Für unser Ziel brauchen wir jeden Wähler. Und sollten wir den Einzug nicht schaffen, hat eine Stimme bei der Bayernpartei trotzdem eine gewisse Signalwirkung an die Konkurrenten. Wir wollen vor allem die Menschen erreichen, die von der CSU vergrault wurden, aber nicht deutsch-national wählen wollen.
In Ihrem weiß-blauen Manifest, mit dem sich die Bayernpartei zur Wahl vorstellt, fordern Sie ein eigenständiges Bayern. Wann ist es Zeit für diesen Schritt?
Das ist ein Ziel, das nicht morgen auf der Tagesordnung steht, das ist uns bewusst. Doch unrealistisch ist ein eigener Staat Bayern keinesfalls. Ein Drittel der Wähler wünscht sich eine Unabhängigkeit des Freistaates von Deutschland. Und die Tendenz steigt.
Der FC Bayern gegen den TSV 1860 in einer Liga? "Keine Angst!"
Dann bräuchten Sie wohl auch Europa nicht mehr.
Doch, als friedensstiftendes Element. Aber es muss ein Europa sein, das nicht zentralistisch gelenkt wird und das sich beschränkt auf seine Kernaufgaben: Dazu gehören etwa Außenpolitik und Sicherheit. Ein bayerisches Heer zum Beispiel macht keinen Sinn.
Und eine bayerische Fußball-Liga? Sollte der Freistaat unabhängig sein, würde der FC Bayern in einer Liga mit dem TSV 1860 und dem SV Schalding-Heining spielen.
Da brauchen die Bayern-Fans keine Angst zu haben. In vielen Fällen können sich Profivereine ja aussuchen, wo sie antreten wollen. Der AS Monaco kickt in der französischen Liga, und im Eishockey gibt es auch überregionale Ligen.
Der Bayernpartei ist Berlin ein Dorn im Auge. Was haben Sie gegen die Bundeshauptstadt?
Berlin ist ein verrottendes Utopia, es versagt vor allem in der Bildungs- und Beschäftigungspolitik. Bayern finanziert hier ein Fass ohne Boden mit; der Freistaat zahlt 40 Milliarden Euro ohne Gegenleistung. Der Länderfinanzausgleich ist ein schlechter Witz. Man will die Kuh Bayern nicht nur melken, sondern gleich schlachten.
Sie wollen sich auch für Bayerns Rentner einsetzen. Viele ältere Münchnerinnen müssen mit weit weniger als 1000 Euro im Monat auskommen. Wie ist für mehr Menschen ein Leben in Würde möglich?
Das Rentensystem gehört geändert. Ein zentraler Punkt ist dabei eine steuerfinanzierte Mindestrente von 1500 Euro für jeden Bürger, der mindestens 30 Jahre einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen ist. Zudem sollen auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen.
Mehr Geld für Rentner klingt erstmal gut, aber ...
.. das Hauptproblem sind doch die explodierenden Kosten im Mietsektor. Daher müssen wir Wohnungsbaugenossenschaften Grundstücke zu humanen Preisen überlassen, damit bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann. Und: Wenn wir Regionen, die von Landflucht betroffen sind, stärken – etwa durch verbesserte digitale Infrastruktur und durch eine veränderte Kommunalfinanzierung –, reduzieren wir den Druck auf München. So nehmen wir gleichzeitig die Luft raus aus dem Mietmarkt.
Viele Orte in der Stadt verlieren ihr Gesicht. Wie kann eine Baupolitik aussehen, die Moderne und Tradition vereint?
Auch im Umland gibt es solche Orte. Es ist nicht das Thema, ob altbacken oder modern gebaut wird. Doch diese Schuhkarton-Bauweise, am besten mit Flachdach, die in ganz Europa um sich greift, macht mich traurig. Hier braucht es ortsverträglichere Ideen. Es geht ja am Ende auch um ein Stück Heimat.
Ein anderes Thema, das Sie umtreibt, ist das Aussterben regionaler Dialekte. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?
Die Sprache ist ein Stück der Identifikation des Einzelnen. Lehrer dürfen Schüler, die Bairisch, Fränkisch oder Schwäbisch sprechen, nicht benachteiligen und ausgrenzen. Schulen müssen Dialekte mit entsprechender Literatur fördern. Wieso werden im Deutschunterricht keine bayerischen Dichter gelesen? Das Fach Heimatkunde gehört gestärkt. Das wäre auch für Schüler, die nicht in Bayern aufgewachsen sind, integrationsfördernd.