Unter Mitbewohnern: Blutiger Streit ums Internet

Landshut - Grundsätzlich hatte Faris H. kein Problem "mit diesen Personen" gehabt. Er habe in der Asylbewerberunterkunft in Simbach zu allen ein gutes Verhältnis gepflegt, sagte der 26-jährige Iraker vor der ersten Strafkammer des Landgerichts - wo er sich derzeit wegen versuchten Totschlags verantworten muss.
Im August 2016 scheint es aber vorbei mit der Harmonie gewesen zu sein: Laut Staatsanwaltschaft verpasste Faris H. am 30. August einem Mitbewohner mit einer Hantelstange einen massiven Schlag auf den Kopf. Der ehemalige Gemüsehändler bestreitet aber zu Prozessbeginn, schuld an der schweren Kopfverletzung von Abdul S. zu sein. "Ich habe keine Hantelstange gesehen."
Der Staatsanwalt legt Faris H. versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Last.
Am Nachmittag des 30. August war es in Faris Hs Zimmer in der Asylbewerberunterkunft zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem 26-Jährigen und den Gebrüdern Najm und Abdul S. gekommen.
Den Ermittlungsergebnissen zufolge hat dabei der Angeklagte "mehr abbekommen" als seine Kontrahenten. Die Brüder S. sollen mit Besenstielen und einem Staubsaugerrohr bewaffnet gewesen seien. Schließlich hätten sie von ihm abgelassen und sich aus dem Staub gemacht. "Da habe ich ihnen noch einen Teller nachgeworfen."
Dann kam die Hantelstange ins Spiel: Laut Anklage war ein weiterer Mitbewohner auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden: Achmet T. hatte sich mit einer rund 1,3 Kilogramm schweren und zirka ein Meter langen, gekrümmten Hantelstange aus massivem Edelstahl aus dem Fitnessraum im Keller bewaffnet.
Als die beiden Brüder aus dem Zimmer von Faris H. die Treppe hinunter nach draußen ins Freie liefen, versetzte Achmet T. Najm S. einen Schlag auf den Kopf und einen weiteren Schlag auf den Arm, den S. zum Schutz erhoben hatte. S. erlitt eine Kopfplatzwunde sowie Schmerzen. Faris H., der den Brüdern nachgelaufen war, entriss Achmet T. die Hantelstange. Anschließend versetzte er Abdul S., der vor ihm weglief, einen wuchtigen Schlag mit der Hantelstange auf den Kopf. "Dabei erkannte der Angeklagte, dass der Schlag mit der Hantelstange geeignet war, erhebliche und auch tödliche Verletzungen zu verursachen", so die Anklage.
Geschädigter eine Woche in stationärer Behandlung
Abdul S., der durch den Schlag zu Boden gegangen war, erlitt unter anderem ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit einem Bruch im oberen Bereich des Schädelknochens, einen Bruch der Stirnhöhlen und einen Bruch des Augenhöhlenbodens, und war eine Woche in stationärer Behandlung. Faris H. hatte sich, nachdem S. zu Boden gegangen war, sogleich dessen Bruder zugewandt, mit dem es zu einer neuerlichen Auseinandersetzung kam.
Faris H. war es sichtlich ein Bedürfnis, sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zu äußern. Er habe seit Februar 2016 in Simbach gelebt, so der 26-Jährige, der 2015 vor dem IS und der Volksmiliz der Schiiten mit Ziel England aus seiner Heimat geflohen war, weil zwei seiner Geschwister für die Amerikaner gearbeitet hatten.
Das Zusammenleben sei stets harmonisch gewesen; auch mit den Brüdern S. und Achmet T. - den ebenfalls ein Verfahren erwartet - habe er sich gut verstanden. Erst drei Tage vor der Tat sei die Stimmung gekippt. Da sei er auf dem Simbacher Volksfest von den Brüdern angegriffen worden.
Am nächsten Tag sei er mit einer Mitarbeiterin der Caritas zur Polizei und habe Anzeige erstattet. Zurück in der Asylbewerberunterkunft sei er in Gegenwart der Caritas-Mitarbeiterin von den Brüdern beschimpft und bedroht worden; die Polizei habe einschreiten müssen.
Auf den Grund für die Reibereien kam Faris H. erst zu sprechen, als Richter Kring ihm vorhielt, dass laut etlicher Zeugen ein Streit um die Internetnutzung Auslöser für den Streit war. Dies stimme, so der 26-Jährige. Er sei im Netz gewesen, als einer der Brüder gekommen sei und den Stecker gezogen habe. Wieso, das konnte Faris H. nicht sagen. Er sei betrunken gewesen, gab er noch an. Drei Maß habe er auf dem Volksfest getrunken gehabt.
Zur Tat selbst sagte H., er habe sein Zimmer erst mit der Polizei verlassen. Er habe nur gehört, dass es unten im Hof einen Tumult gebe. Dabei ließ sich der Iraker auch nicht durch den Vorhalt Krings beirren, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund etlicher Zeugenaussagen davon ausgeht, dass er und Achmet T. die Verfolger der Brüder S. gewesen sind.
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.