"Unglaubliche Glücksgefühle": Stammzellen-Spenderin schenkt Hoffnung

Landshut - Lisa B. ist gerade dabei, einen Brief zu schreiben - an einen Menschen, den sie nicht kennt, mit dem sie aber etwas Besonderes verbindet. Es ist ihr genetischer Zwilling, der an Leukämie (Blutkrebs) erkrankt ist und für den die 31-jährige Landshuterin Stammzellen gespendet hat.
Stammzellen-Spende: Lisa B. über Erfahrungen im Freundeskreis
Die Spende wurde überhaupt erst möglich durch eine Registrierung bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS). Das liegt etwa zwei Jahre zurück, als B. noch studierte.
Ein Kommilitone von ihr erkrankte an Leukämie und starb daran. Daraufhin habe sie sich mit dem Thema Stammzellspende auseinandergesetzt und sich bei der DKMS registriert. Etwa zur selben Zeit erhielt der ebenfalls an Blutkrebs erkrankte Mann einer Bekannten eine Spende. Mittlerweile gilt er als geheilt. "So habe ich beide Seiten mitbekommen", sagt Lisa B.
Lisa B.: "Ich finde, es ist eine Ehre, auserwählt zu sein"
Der Gedanke, vielleicht selbst einmal die Möglichkeit zu haben, einem erkrankten Menschen helfen zu können, begleitet sie seitdem. "Man hofft natürlich immer darauf, einen Anruf zu bekommen, weil man sich ja mit dem Hintergedanken registriert, jemandem zu helfen", sagt sie.
Vor einem Jahr kam tatsächlich eine Anfrage. B. wurde um eine Blutprobe gebeten. Das Ganze sei dann aber ins Leere gelaufen. "Ich gehe davon aus, dass es nicht gepasst hat."
Dann kam kürzlich erneut ein Anruf. B. wurde direkt gefragt, ob sie bereit wäre, zu spenden. Ohne zu zögern, sagte sie zu. "Ich war völlig überwältigt. Ich finde, es ist eine Ehre, auserwählt zu sein, dass man jemandem hoffentlich das Leben retten kann."
Seitdem sei kein Tag vergangen, an dem die 31-Jährige nicht an diesen Menschen denkt. Sie sagt: "Emotional ist man total bei diesem Patienten. Man fiebert auf die Abnahme hin und dass alles positiv verläuft."
Lisa B. spendet in einer Klinik in Nordrhein-Westfalen
Die Klinik, in der die Voruntersuchung und die Spende stattfinden, durfte B. selbst wählen. Sie entschied sich für eine Klinik in Nordrhein-Westfalen, wo sie ursprünglich her kommt und wo ihre Familie lebt. Bei der Voruntersuchung wurde B. durchgecheckt, ob sie in einem guten gesundheitlichen Zustand ist. Der Spende stand nichts im Weg.
Der Tag der Spende ging früh los. Um 8 Uhr musste B. in der Klinik sein. "Ich wurde herzlich empfangen. Die Krankenschwestern und Ärzte tun alles dafür, dass es einem gut geht und man sich wohl fühlt", erzählt B.
Lisa B.: "Die Motivation zu helfen, ist stärker als die eigene Angst"
Um Stammzellen zu spenden, gibt es zwei Verfahren: In etwa 80 Prozent der Fälle werden die Stammzellen der Blutbahn entnommen. Bei der selteneren Knochenmarkspende wird dem Spender unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm Knochenmark entnommen.
Bei B. wurde in beide Arme jeweils ein Zugang gelegt. Aus dem einen läuft das Blut über einen Schlauch in eine Maschine, die die Stammzellen herausfiltert, und in den anderen Arm wieder hinein. Schmerzen habe B. dabei nicht empfunden. "Währenddessen liegt man zugedeckt in einem bequemen Stuhl, man kann fernsehen, Musik hören, essen und trinken."
Alleine ist man in dem Raum auch nicht. Man kann sich mit anderen Spendern austauschen. Dem Mann neben Lisa B. ging es genau wie ihr: Er kann eigentlich kein Blut sehen. "Aber trotzdem steht das nicht im Weg. Die Motivation, jemand anderem zu helfen, ist stärker als die eigene Angst", sagt die Landshuterin.
Lisa B.: "Man kann die Chance auf ein längeres Leben schenken"
Die Dauer des Vorgangs sei typabhängig. Der Mann neben B. war nach drei Stunden fertig. Bei ihr dauerte es am ersten Tag fünf Stunden, und sie musste am nächsten Tag noch mal hin, bis genug Stammzellen beisammen waren.
Nach der Spende war die Landshuterin ein wenig müde und erschöpft. "Aber ich bin selten so glücklich abends ins Bett gefallen, weil ich wusste, dass vielleicht noch am gleichen Abend dem Patienten die Stammzellen zugeführt werden. Seinem genetischen Zwilling, von dem man nichts wusste, kann man die Chance auf ein längeres Leben schenken. Das ist unbeschreiblich."
Alles, was B. über den Empfänger wissen darf, ist, dass es sich um einen Patienten zwischen 20 und 30 Jahren handelt, der die Spende in Deutschland empfangen hat. Sie dürfte nun auch einen Brief schreiben. Daran arbeitet sie gerade. "Ich muss mich erstmal sortieren und überlegen, was man jemanden in so einer Situation schreiben kann. Man hat viele Gedanken im Kopf, das ist gar nicht so einfach." Ein persönliches Treffen wäre erst nach zwei Jahren möglich.
Lisa B.: "Man hat eine emotionale Bindung"
B. hofft nun, dass die Spende erfolgreich war. "Ich würde mich unglaublich Freude, von ihm zu hören, wie es ihm geht, ob sein Körper meine Stammzellen angenommen hat, ob er sich gesundheitlich schon besser fühlt." Falls die Spende nicht angeschlagen haben sollte, würde sie das "unglaublich traurig machen", wie sie sagt. "Man hat eine emotionale Bindung, auch wenn man sich nicht kennt. Und natürlich habe ich die Hoffnung, dass alles gut geht."
Nun möchte Lisa B. auch andere Menschen motivieren, sich zu registrieren und so die Chancen für weitere Blutkrebspatienten zu erhöhen, einen passenden Spender zu finden. Würde sie es wieder tun? "Auf jeden Fall", sagt sie. "Dabei hat niemand etwas zu verlieren, beide Seiten profitieren. Der Empfänger hat die Chance auf ein längeres Leben. Und beim Spender löst es unglaubliche Glücksgefühle aus, jemandem so ein Geschenk zu bereiten."