"Theater muss Haltung zeigen"

Landshut - Die Tage des Theaterzelts sind gezählt. Das zumindest lässt sich hoffen, nachdem die Stadt für Sanierung und Ausbau des Bernlochner-Komplexes nun auch das angrenzende Grundstück gekauft hat. Intendant Stefan Tilch hat diese "ungeheuerliche Nachricht" im Urlaub bekommen und ist darüber sehr erleichtert. "Sonst wäre der Entwurf wie Tanzen auf einer Briefmarke gewesen", sagte er bei der Spielzeiteröffnung gestern im Theaterzelt.
Mittwoch, 11 Uhr, ist ein ungewöhnlicher Termin für einen Besuch im Theaterzelt. Dennoch hatten sich neben Theaterleuten und offiziellen Gästen auch viele Interessierte eingefunden. Tenor Mark Watson Williams, Sopranistin Emily Fultz und Generalmusikdirektor Basil Coleman machten mit musikalischen Häppchen schon mal Appetit auf die Aufführungen der Spielzeit 2018/2019.
Diese ist erneut "geprägt von einer bunten Vielfalt, die alles bietet, aber kein Allerlei ist", wie Bürgermeister Thomas Keyßner sagte. Er zollte dem Intendanten und dem Ensemble großen Respekt dafür, "dass Sie ein Profil herausgebildet haben, das über Landshut hinaus Beachtung findet". Vor allem im musikalischen Bereich gebe es eine große Differenzierung von der Barock- bis zur Wagner-Oper.
"In fünf Jahren sitzen wir vielleicht schon nicht mehr hier", sagte Keyßner im Hinblick auf die Zukunft des Theaterbaus, obwohl man derzeit noch in der Planungsphase sei. "Alle haben angepackt, dass etwas weitergeht", sagte Keyßner. Und einige Stadträte hätten sich bereits im 2012 neu- und umgebauten Stadttheater Heidelberg kundig gemacht.
"Ein Theaterstück nur zu lesen ist wie Trockenschwimmen"
Ursula Weger, Vorsitzende des Vereins Freunde des Stadttheaters und Schulleiterin des Gymnasiums Seligenthal unterstrich die Bedeutung des Theaters für den Unterricht. Das Stadttheater sei ein guter Bildungspartner für Schulen, denn "ein Theaterstück nur zu lesen ist wie Trockenschwimmen".
Gemäß der Bedeutung des griechischen Wortes "Theatron", das für Schauplatz, aber auch für staunendes Betrachten stehe, sei das Zuschauen im Theater ein aktiveres als beim passiven Fernsehen. "Es ist ein Dialog mit den Schauspielern, ohne direkt mit ihnen zu sprechen", erklärte Weger, was nicht nur am Applaus ersichtlich werde. Jede Vorstellung sei ein einmaliges Ereignis, was in Zeiten beliebiger Reproduzierbarkeit eine besondere Bedeutung habe. "Im Theater lässt sich die Kostbarkeit des Augenblicks erfahren", sagte die Vorsitzende der Theaterfreunde, deren rund 500 Mitglieder die Produktionen des Stadttheaters mit namhaften Beträgen unterstützen.
Neue Gesichter im Landestheater
Stefan Tilch begrüßte unter den diesjährigen Neuzugängen neben Mark Watson Williams und Sängerin Claudia Bauer auch Schauspieler Julian Ricker, der seit "Blues Brothers" dabei ist. Neue Referentin der Intendanz in Landshut ist Martina Hippauf.
Der Intendant nahm die Spielzeiteröffnung zum Anlass, auf die "Ur-Aufgaben" des Theaters hinzuweisen. Einerseits "würden wir natürlich gerne jeden Abend die Welt retten", sagte Tilch, andererseits wolle man dem Publikum auch mal einfach einen schönen Abend bieten. Auf zeitgenössische Veränderungen müsse das Theater reagieren. "Wir spiegeln den Menschen, und der Mensch spiegelt sich in uns", so der Intendant. Angesichts der Gefährdung unserer demokratisch-pluralistlich-christlichen Gesellschaftsform müsse das Theater Haltung zeigen, forderte Tilch. Die politische Realität mache vor der Bühne nicht Halt: "Da probt man heute ein Stück zu einem Thema wie Ausgrenzung, und morgen schlägt es sich den Nachrichten nieder."
Eine ganze Palette an menschlichen Irrungen, Abgründen, Ängsten und Leidenschaften bildet auch der aktuelle Spielplan ab. Da ist von mordenden alten Damen in "Arsen und Spitzenhäubchen", Donizettis Oper "Anna Bolena" bis zum Kult-Musical "Avenue Q" so allerhand geboten.