Pflegeheime in Landshut: Noch keine Zeit für Experimente
Die Zeiten waren schon härter für Elfriede Reisenberger (94). Etwa, als sie ihre Tochter nur durch ein Fenster aus ihrem Zimmerfenster im Heiliggeistspital zuwinken konnte, mit einem Telefon in der Hand, um ihre Stimme zu hören und Blickkontakt zu haben. Oder an Weihnachten 2020, als das Gesundheitsamt angeordnet hatte, dass alle Heimbewohner, die an den Feiertagen ihre Angehörigen besuchen, anschließend mehrere Tage in Quarantäne auf ihrem Zimmer verbringen müssen.
Die härteste Zeit aber war, als sich das Coronavirus vermehrt in den Heimen ausbreitete und der Impfschutz noch nicht gegeben war. Einige Einrichtungen traf es kurz nach Weihnachten 2020 sehr schlimm, wie den Seniorenwohnpark an der Prof.-Schmidtmüller-Straße 1 (wir berichteten). Dort starben innerhalb kürzester Zeit viele Bewohner.
Impfungen sorgen für Entspannung in Senioren- und Pflegeheimen
Rund viereinhalb Monate später hat sich die Lage in den Landshuter Einrichtungen beruhigt, was auch so bleiben soll, sagt Stiftungsleiter Dieter Groß, unter dessen Leitung das Heiliggeistspital und das Magdalenenheim fallen. Groß: "Wir sind alle froh, dass die Impfungen stattgefunden und eine gewisse Ruhe reinbekommen haben. Aber wir bleiben vorsichtig."
Elfriede Reisenberger ist bereits zweimal geimpft, geht wieder an der Isar spazieren oder wird von ihrer Tochter für Besuche abgeholt. PCR- und Schnelltests sorgen für Sicherheit beim Ein- und Auslass des Spitals und des Magdalenenheims. Strenge Besuchsregeln gelten in den Landshuter Heimen trotz Impferfolgs jedoch weiterhin. Für Unmut bei manchen Angehörigen sorgt da eher die Tatsache, dass die Auflagen und Empfehlungen des Ministeriums zu den Besuchsregeln von den Heimleitungen unterschiedlich weit interpretiert werden.

Besucher von Pflegeheimen empfinden die geltenden Regeln als Belastend
Für eine berufstätige Landshuterin mit einer dementen Angehörigen in einem anderen Landshuter Altenheim sind die Regelwerke sehr belastend. "Wir Besucher müssen uns jedes Mal anmelden, die Formulare ausfüllen, den Besuch immer wieder planen, gegebenenfalls uns vorher testen und dann vor dem Heim anstehen, um reinzukommen: Spontan meine Schwiegermutter besuchen, ist nicht mehr möglich", sagt sie. Vor allem, wenn die Besuchszeiten auf Nachmittage oder nur eine bestimmte Personenzahl beschränkt sind, könnte sie als Berufstätige und Mutter von Kindern das Besuchsrecht kaum wahrnehmen.
Es ist ein sensibles Thema, mit dem sich die Leiter von Senioren- und Pflegeeinrichtungen beschäftigen müssen. Wie Kerstin Däullary, Leiterin des Caritas-Altenheim St. Rita, sagt, verstehe sie gut, dass Angehörige von der aktuellen Situation genervt sind. "Manche sind natürlich in der Flexibilität sehr eingeschränkt", sagt sie. Altenheime in Zeiten von Corona seien aber ein Abbild der Dinge, die aktuell gesamtgesellschaftlich passieren. "Wir können immer nur in kleinen Schritten denken und müssen schauen, was passiert." Im St. Rita-Heim habe man sich entschieden, das Besuchskonzept den Inzidenzwerten anzupassen. Strenger ist es wieder ab einer Inzidenz von 100 geworden.
Nicht alle Heimbewohner haben sich impfen lassen
In Landshut stieg die Inzidenz zuletzt sogar über die 200er-Marke. Die britische Virusmutation gilt als hochansteckend. Die vage Faktenlage, inwiefern Geimpfte in den Heimen dauerhaft geschützt sind oder das Virus trotz Impfschutz verbreiten können, trägt nicht gerade zur Stabilisierung der angespannten Situation bei, sagt Däullary. Wie Däullary und Dieter Groß zudem bestätigen, haben nicht alle Bewohner in ihren Einrichtungen das Impfangebot der Stadt Landshut in Anspruch genommen. Im Altenheim St. Rita haben rund 15 Prozent der derzeit 88 Bewohner keinen Impfschutz. Däullary: "Manche Bewohner wollten sich nicht impfen lassen. Für einige haben stellvertretend die betreuungsberechtigten Personen dagegen entschieden." Auch in den von Groß geleiteten Einrichtungen gebe es diese Fälle.
Letzteres müsse man respektieren, sagt Däullary. Jedoch sei dieser Umstand ein gewaltiger Knackpunkt im Hinblick auf künftige Perspektiven der Einrichtungen. Däullary: "Wir haben keinen umfassenden Impfschutz. Ein Coronaausbruch kann trotz Schutz also nicht ausgeschlossen werden, aber auch unsere ungeimpften Bewohner brauchen Schutz. Sollen also künftig die Betreuer unterschreiben, dass die ungeimpften Bewohner einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, wenn wir lockern? Es gibt noch viele offene Fragen zu klären."
Die Herausforderung: Bedürfnissen nachkommen, Schutz nicht vernachlässigen
Diese Willens- oder Moralentscheidung, die tatsächlich vielleicht irgendwann getroffen werden muss, stelle sich jedoch aktuell (noch) nicht: Wie die Leiterin des Altenheims St. Rita sagt, müssten zunächst weitere Vorgaben und Signale vonseiten des Ministeriums kommen. Für die Heime sei die Situation ohnehin schon herausfordernd genug, die Bedürfnisse der Bewohner und Angehörigen im Rahmen der personellen Möglichkeiten zu erfüllen und Kontinuität anzubieten, gleichzeitig aber den Schutz nicht zu vernachlässigen.
Dieter Groß bezweifelt ebenfalls, dass es in nächster Zeit zu weiteren Lockerungsschritten in den Senioren- und Pflegeeinrichtungen kommen wird, zumindest nicht vor dem Sommer. "Ich habe das Gefühl, dass es von der Mehrheit der Bewohner und den Angehörigen derzeit auch nicht anders gewünscht ist. Wir sind alle froh, von Alarmstufe Rot runter auf Gelb zu sei." Dass es nun wieder verstärkt zu Heimaufnahmen kommt, bestätigt Groß in seiner Annahme.
Und die nächste große Herausforderung wartet ohnehin schon: Am 9. Mai ist Muttertag.
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