Neurochirurg des Klinikum Landshut warnt: Helme für Fahrrad-Unfälle unerlässlich

Landshut - Bei Skifahrern ist er mittlerweile bei (fast) jedem Sportler ein Muss: der Skihelm. Kaum einer fährt mehr ohne, kaum einer traut sich mehr nur mit einer Mütze auf die Piste. Bei Radlern sieht die Sache schon anders aus. Hier sind laut Studien weit über die Hälfte der Deutschen ohne Helm unterwegs. Radeln, vor allem schnell in der Stadt zum Bäcker oder einfach mal in die Arbeit, ist für viele einfach nur Mittel zum Zweck, kein Sport. Also verzichten viele auch auf den Helm, "und manche auch, weil die Frisur danach nicht mehr sitzt", sagt Dr. Michael Schütze, Leitender Oberarzt am Klinikum Landshut in der Neurochirurgie. Er ist seit über 25 Jahren Neurochirurg, hat schon viele Kopfverletzungen gesehen – auch viele, die bei Radlstürzen entstanden sind.
Neurochirurgen sind neben den Unfallchirurgen die, die sich nach einem Fahrradunfall oft um Patienten kümmern müssen. Vertreter dieser Fachrichtung hatten früher manchmal den Spitznamen "Nussknacker"; eben weil der Schädel bei einem Sturz vom Rad im ungünstigsten Fall – zum Beispiel beim Fallen an eine Bordsteinkante – brechen kann. Der Bruch an sich wäre laut Schütz gar nicht das schlimmste – sondern die Blutungen, die nach dem Sturz vom Rad entstehen können. "Diese Verletzungen werden durch das Tragen eines Helms unwahrscheinlicher", sagt der Arzt. Ein weiterer Aspekt, abgesehen vom Bruch, sei die Beschleunigung bei einem Sturz.
Neurochirurgen hatten Spitznamen "Nussknacker", weil der Schädel beim Fallen brechen kann
Da das Gehirn quasi "locker aufgehängt" in Hirnwasser schwimme, sei ein Sturz schlecht. Aber auch dieses Phänomen werde durch den Helm abgepuffert. "Das Risiko minimiert sich einfach mit Helm", erklärt Schütze, der selbst nie ohne Helm unterwegs ist. Und wenn, dann fehlt ihm etwas, ähnlich des Gefühls, ohne Gurt Auto zu fahren.
Folgen der Gehirnblutungen nach einem Sturz können je nach Lage der Blutung Lähmungen und Sprachstörungen sein – auch längerfristig. Solche Verletzungen sehen die Neurochirurgen in Landshut häufig. "Aber es werden auch oft Patienten direkt vom Unfallort in andere Kliniken ausgeflogen; die sehen wir gar nicht", sagt Schütze. Was gar nicht mal so gut ist in einigen Fällen: Denn bei Blutungen muss es schnell gehen.
Im Melonen-Test: Das Obst im Helm hatte einen Riss, die ungeschützte Melone war in viele Teile zerborsten
Die Anzahl der Verletzungen ist aber laut Schütz in den vergangenen Jahren geringer geworden. Viele Kinder seien dagegen ins Klinikum eingeliefert worden, die ohne den Helm ihren Sturz vom Radl wohl nicht überlebt hätten. Schütze plädiert daher für eine Helmpflicht. Und zwar auch deswegen, weil viele Kinder zum Beispiel einfach den Helm am Lenker baumeln haben oder ihn nicht mal unterm Kinn schließen. Der Neurochirurg wohnt nahe eines Landshuter Gymnasiums und beobachtet dieses Phänomen jeden Tag. "Manchmal fahren auch die Eltern hinter ihren Kindern. Die Kinder haben zwar einen Helm auf; aber die Eltern nicht", sagt Schütze. Und meint: Vorbilder sehen anders aus. Recht anschaulich wird es, wenn man sich Folgendes überlegt: Schütze hat aus Neugier einmal zwei Wassermelonen von einer 2,5 Meter hohen Leiter fallen lassen.
Das Ergebnis: Das Obst im Helm hatte einen Riss, die ungeschützte Melone war in viele Teile zerborsten. "Das war recht anschaulich. Ein Kopf ist zwar härter als eine Melone. Aber dennoch schützt ein Helm. In vielen Fällen."
AZ-Kommentar:
Ohne meinen Skihelm würde ich nie mehr auch nur die Bindung zuschnappen lassen – mit meinem Radl fahre ich jeden Tag durch die Altstadt oder in den Biergarten. Und zwar ohne Helm. An den denke ich nämlich nur ab und zu; vor allem dann, wenn ich über eine Randsteinkante hopse. Sich durchzuringen, den Helm auf dem Radl immer aufzusetzen, wird wahrscheinlich noch bei vielen dauern. Zwischendrin ein wenig zu radeln ist einfach etwas, das ohne Umstände klappen soll. Ohne Plastikschale, die man ständig rumtragen muss, ohne Engegefühl um den Kopf, einfach schnell zum Bäcker und gut is’. Aber ganz ehrlich: Besser wär’s, einen Helm zu tragen. Für den eigenen Kopf und für das Gefühl all derer, die sich womöglich um einen sorgen. Den Helm aber per Pflicht einzuführen, quasi übergestülpt von oben, das ist zu viel der Regeln. Da halte ich es mit dem Spruch einer Freundin: "Des muaß a jeder seiba wissen!"
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