Neue Einheit gegen Callcenter: Jagd auf Telefon-Betrüger
Die Staatsanwaltschaft Landshut geht mit einem neuen Referat künftig verstärkt gegen Callcenter-Betrüger vor. Und setzt dabei am Faktor Zeit an.
Landshut - Sie sind charismatisch, extrem redegewandt, psychologisch geschult, eignen sich Fachvokabular an und sind im Gespräch am Telefon auf alles vorbereitet: Immer öfter werden Menschen Opfer von Callcenter-Betrügern.
Die Personen, die den Betrug am Telefon einfädeln, werden bei der Staatsanwaltschaft im Fachjargon "Keiler" genannt.
So ergaunerten die Banden in Niederbayern 2017 bei etwa 270 Fällen rund 550.000 Euro und bis April 2018 schon bei 130 Fällen rund 260.000 Euro.
Mit anderen Worten: Anfang dieses Jahres sind bereits 50 Prozent der Fälle des vergangenen Jahres erreicht worden. "Mit steigender Tendenz", sagt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Landshut, Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch.
Die Maschen der Betrüger müssten mittlerweile hinreichend bekannt sein - eigentlich. Und dennoch sind sie immer wieder erfolgreich, können sie nicht verhindert werden. Wie im Fall eines Ärzte-Ehepaars, das mit einem falschen Lotteriegewinn gelockt wurde. Die Keiler eines Callcenters bearbeiteten das Paar mit einem süßen versprechen am Telefon, eine angebliche Gebühr von 50.000 in bar zwischen Prospekten und Zeitungen versteckt an einen vermeintlichen Notar zu senden.
Problem verlagert sich nach Niederbayern
Die Staatsanwaltschaft griff ein. "Als wir ihnen sagten, dass es sich um einen Betrug handelt, sind sie aus allen Wolken gefallen", sagt Achim Kinsky (39), Leiter des neuen Referats der Staatsanwaltschaft Landshut, das sich künftig im Speziellen mit Banden- und gewerbsmäßigem Callcenter-Betrug befasst. Mit seiner Kollegin, Staatsanwältin Sandra Seeburger, bläst Kinsky nun zur Keilerjagd.
1.000 Anrufe pro Tag, allein in München. So lässt sich die flächendeckende und strukturierte Arbeit der Betrüger zusammenfassen. Mittlerweile verlagert sich das Problem laut Kinsky massiv nach Niederbayern.
Um dieser Flut an Fällen Herr zu werden, haben sich Polizei und Staatsanwaltschaft neu strukturiert und Personal freigemacht, die sich den Callcenter-Betrügern gezielt an die Fersen heften sollen.
Das heißt konkret: Das übliche Prozedere - die Polizei bekommt eine Anzeige und schickt nach der Bearbeitung des Falls eine Akte an die Staatsanwaltschaft - wird künftig massiv abgekürzt.
Stattdessen stehen Kinsky und Seeburger bei Callcenter-Betrugsfällen für ihre Ermittlungen sofort und auf Abruf Observationsteams der Kriminalpolizei mit Zentralaufgaben (KPIZ) in Niederbayern und Teams des LKA zum Abhören von Telefonleitungen zur Verfügung, um schnell und effizient ermitteln zu können. Im Optimalfall noch während die Betrüger mit ihren Opfern in Kontakt sind.
Das neue Referat der Staatsanwaltschaft Landshut hat dabei die Aufgabe, rasch die nötigen Ermittlungen einzuleiten und die nötigten Beschlüsse dafür bei einem Richter zu beschaffen, wird ein Fall gemeldet. Kinsky: "Unser Ziel ist es, live in den Fall einzusteigen." Bei der Masche des Callcenter-Betrugs, kommt es auf jede Minute an.
Betrüger gaben sich als Oberstaatsanwalt Steinkraus-Koch aus
Auch der Name von Thomas Steinkraus-Koch ist schon missbraucht worden, als er noch in München im Justizdienst stand. Keiler gaben sich in München als Thomas Steinkraus-Koch aus und setzten ihre Opfer unter Druck, damit sie eine bestimmte Summe zahlen, sonst hätten sie mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechen.
Der Trickbetrug wird in den meisten Fällen von einer Telefonzentrale gesteuert - vornehmlich sitzen die Keiler und ihre Hintermänner in der Türkei. Das beweisen die Geldströme, die verfolgt werden konnten.
Warum Zeit für einen Ermittlungserfolg so wichtig ist, zeigt die Vorgehensweise der Betrüger: Haben die Keiler ihre Opfer einmal überzeugt, gehen sie schnell und stringent vor, halten ständigen Kontakt und versuchen so, es von Dritten abzuschotten, bis es zur Geldübergabe kommt.
Das passiert im Sinne der Täter im Optimalfall innerhalb eines Tages. Um die eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen, manipulieren die Betrüger gezielt die eigene Rufnummer, die im Telefondisplay des Opfers erscheint.
Die Nummer kann unterdrückt sein oder als falsche vermeintlich örtliche Rufnummer auf dem Display erscheinen. Der Vorgang wird als Call-ID-Spoofing bezeichnet.
Frau fiel dreimal auf verschiedene Maschen rein
Dann wird die Rufnummer einer deutschen Stadt angezeigt, obgleich sich der Täter bei seinem Anruf in einem Call-Center im Ausland befindet. Passend zu einem Anruf eines vermeintlichen Notars aus Hamburg kann so auch eine Nummer mit Hamburger Vorwahl im Display des Angerufenen erscheinen.
Ist man einmal Opfer der Betrugsmasche geworden, so muss man damit rechnen, immer wieder von Betrügern angerufen und zu weiteren Zahlungen aufgefordert zu werden. Steinkraus-Koch: "Es gibt in den Callcentern ganze Abteilungen, die die Daten bei Erfolg weitergeben. Uns ist der Fall einer Frau bekannt, die insgesamt dreimal auf verschiedene Maschen reingefallen ist, bis es bekannt wurde."
Wieso sind die Betrüger so erfolgreich? Hinter den Keilern steht ein perfekt organisiertes Netzwerk, deren Chefs sich im Ausland verstecken. Die Betrüger gehen organisiert und mit System vor, auch bei der Auswahl ihrer Opfer. Das sind vornehmlich ältere und alleinstehende Personen, die auch in Amtspersonen ein gewisses Vertrauen setzen. Über Mittelsmänner wird das ergaunerte Geld abgeholt, transferiert und mehrmals verschleiert, so dass die Hintermänner schwer auszumachen sind.
Die neue Struktur hat für die Staatsanwaltschaft Landshut bereits einen ersten größeren Ermittlungserfolg gebracht. So konnte sie nach einer Abhöraktion einen Mann festnehmen lassen, der ein Geldpaket entgegennahm, das vorher von einem Betrugsopfer verschickt wurde. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sich bei dem gefassten nicht nur um einen reinen Mittelsmann handelt.
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