Nach Istanbul statt Landshut telefoniert: Eine lange Leitung
Landshut - Gudrun Riederer will eigentlich nur einen Zähler ummelden. Das macht sie häufiger, denn sie ist Maklerin und Vermieterin. Schon zu Anfang zeichnet sich aber ab, dass ihr Vorhaben diesmal nicht mit einer E-Mail erledigt ist. Eigentlich sollte ihr Mieter den Zähler ummelden, das klappt aber nach diversen Anläufen nicht. Riederer bekommt die Rechnungen für den Zähler, weil sie laut Eon dafür zuständig sei.
Landhuter Nummer gewählt und in Istanbul gelandet
"Als dann eine Mahnung kam, reichte es mir", sagt die 52-Jährige. Sie ruft bei Eon an, wählt die Landshuter Nummer des Kundenservices. Als sie mit einer Dame verbunden ist, fällt Riederer auf, dass das Deutsch der Frau nicht besonders gut ist. "Nach einigem Hin- und Her habe ich nachgefragt, wo ich denn telefonisch gerade gelandet bin", erinnert sich Riederer.
"Istanbul", antwortet die Frau am Telefon. Als Riederer nach dem Gespräch auflegt, ist sie sich nicht sicher, ob ihr Problem nun wirklich behoben ist. "Es ist mir prinzipiell egal, ob mein Ansprechpartner in Landshut oder in Istanbul sitzt, aber wenn es eine Sprachbarriere gibt, wird es schwierig", so Riederer, die betont, dass sie keinerlei Probleme mit Nicht-Deutschen habe. "Aber ich habe mich damals am Telefon einfach nicht so recht betreut gefühlt."
Riederers Gefühl trügt sie nicht. Es flattert wieder eine Mahnung ins Haus wegen des Zählers ihres Mieters. "Da reichte es mir", so die Maklerin. Sie macht sich auf in die Eon-Allee in Landshut, zur Geschäftsstelle des Energiekonzerns. Riederer: "Da hab ich auch erstmal gestutzt. Da war nirgends ein Eingang, wo ich rein konnte."
Erst als sie zufällig zwei Mitarbeiter vor dem Gebäude antrifft, wird ihr erklärt, dass es nur ein Video-Terminal gibt, bei dem sie sich beraten lassen könne - eine persönliche Beratung sei nicht möglich. "Der Mitarbeiter zeigte mir dann den Weg zu dem Video-Terminal. Alleine hätte ich das niemals gefunden", gibt die Maklerin zu. Sie betritt einen kleinen Glaskasten mit Monitor. "Das sah aus wie eine kleine Telefonzelle", beschreibt sie ihr Erlebnis.

Nach sechs Monaten wurde der Zähler umgemeldet
Als Gudrun Riederer mit ihren Vertragsunterlagen vor der Videokamera herumfuchtelt, glaubt sie nun endgültig bei der versteckten Kamera gelandet zu sein. "Da dachte ich wirklich, das gibt es doch nicht." Sie soll die Unterlagen höher halten, näher an die Kamera, wieder etwas tiefer. Erst dann kann die Sachbearbeiterin die Vertragsunterlagen richtig lesen - und schließlich Riederers Anliegen bearbeiten.
Sie ist erleichtert, dass es nach über sechs Monaten endlich geklappt hat, den Zähler korrekt umzumelden. "Das zehrt einfach an den Nerven. Kundenservice ist das nicht", sagt Gudrun Riederer. Allerdings glaubt sie, nachdem der Ärger über die verlorene Zeit und die Nerven verflogen ist, dass es sich sicher nur um einen Einzelfall handelt. Doch sie hat kein Glück: Als sie wenige Monate später den Zähler ihres verstorbenen Vaters abmelden möchte, gestaltet sich das ähnlich schwierig. Wieder wählt sie die Nummer der vermeintlichen Landshuter Hotline.

Kompliziertes Hin und Her: "Mit Eon bin ich fertig"
"Als ich jemanden erreichte, war schnell wieder klar, dass ich wahrscheinlich nicht in Landshut gelandet bin", sagt Riederer. Auf Nachfrage erklärt der Mitarbeiter, er sitze in Sarajevo. Riederer: "Leider sprach der Mann so schlecht Deutsch, dass ich Name und Anschrift etliche Male wiederholen musste." Nach einer halben Stunde Telefonat bricht die Verbindung ab. Der Mitarbeiter ruft zurück, allerdings seien die Daten nicht gespeichert worden, man müsse noch mal von vorne beginnen. "Da ist mir der Kragen geplatzt. Irgendwann reicht es", findet Riederer.
Erst als sie eine "sehr saftige E-Mail" schreibt, wie sie sagt, meldet sich eine deutsche Muttersprachlerin bei ihr, die ihr helfen kann, den Zähler ihres verstorbenen Vaters abzumelden. "Ich bin froh, dass es geklappt hat, aber der Weg dahin kann ja wohl wirklich nicht der Standard sein", ist Riederer der Meinung. "Mit Eon bin ich fertig", sagt sie.
Kundenservice: Mitarbeiter sitzen in 100 Nationen
Auf Nachfrage beim Energiekonzern Eon erklärt ein Pressesprecher zunächst, dass er von Standorten in Istanbul und Sarajewo nichts wisse. Aber er mache sich kundig. Und siehe da: Die Standorte gibt es doch. "Ich war mir da auch wirklich sicher, dass ich mich da nicht verhört habe", sagt Riederer, die mittlerweile über das Hin- und Her schon wieder etwas lachen kann. Eon erklärt außerdem auf Anfrage: "Mitarbeiter aus 100 Nationen arbeiten weltweit an deutschen und europäischen Standorten und betreuen von dort aus die Anliegen unserer Kunden."
Kundenzufriedenheit stehe dabei immer an erster Stelle. Außerdem: "Je nach Anzahl der Kundenanliegen werden Anfragen auch von unseren europäischen Standorten aus betreut, um alle Anfragen schnellstmöglich zu beantworten - auch beispielsweise aus Sarajevo oder Istanbul." Sollte es mal nicht funktionieren, bittet das Unternehmen um Entschuldigung.
Einen persönlichen Ansprechpartner gibt es in Landshut trotzdem nicht. Es stünden aber der Videochat, Social-Media-Plattformen und telefonische Beratungsangebote zur Verfügung. Im Fall von Gudrun Riederer, das gibt das Unternehmen zu, habe "die Bearbeitung der Zähleranmeldung als auch die Abmeldung des Zählers ihres verstorbenen Vaters nicht unseren Qualitätsansprüchen entsprochen."
Trotzdem sei man froh, am Ende alles doch noch gelöst zu haben. Außerdem teilt der Pressesprecher mit: "Für die Unannehmlichkeiten möchten wir uns mit einer kleinen Wiedergutmachung in Form eines Blumenstraußes entschuldigen." Zu den Blumen sagt Riederer: "Welche Frau freut sich nicht über Blumen ? Deshalb darf so etwas trotzdem nicht passieren." Was sie sich wünscht: "Wenn ich eine Landshuter Nummer wähle, würde ich auch gerne in Landshut rauskommen. Oder wenigstens in Deutschland."