Landshuter Wakeboard-Weltmeister: Der ewig junge Mann und sein See
Jeder, der Wakeboard fährt, geht auch mal baden. Die Profis vielleicht nicht so oft wie die Anfänger, aber wenn es passiert, heißt es schwimmen. Das gehört einfach dazu.
Zurückschwimmen musste Andreas Voss (47) bei einem Wettkampf auch schon mal. Nach seiner starken Vorstellung bei der Wakepark Wakeboard-WM des US-Verbands WWA (World Wakeboard Association) im September in Orlando, hatte sich Voss das Bad - diesmal aber in der Menge - redlich verdient. Der Lohn für seinen starken Auftritt: Voss darf sich Wakeboard-Weltmeister in der Kategorie Ü-40 bei den Amateuren nennen. Es ist nicht der erste Titel für den Wahl-Landshuter. Dahinter stecken eine Menge Talent, aber auch der nötige Ehrgeiz, sich zu verbessern.
Erst mit 30 Jahren mit dem Wakeboarden begonnen
Wer auf internationalem Parkett Medaillen gewinnen will, muss meist schon in der frühen Kindheit mit dem Training beginnen, um sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können. Voss hingegen hat das Wakeboarden erst im Alter von 30 Jahren begonnen. Eine Profikarriere kam da schon nicht mehr in Betracht, auch wenn die körperlichen Voraussetzungen stimmten. Voss war Kunstturner und sogar in der 2. Bundesliga aktiv. Seine Leidenschaft für Extrem- und Funsportarten lebte er mit Snow- und Skateboard in seiner Freizeit aus. "Zum Wakeboarden kam ich leider viel zu spät", sagt Voss heute. Er war auf der Suche nach einer sportlichen Sommeralternative zum Snowboardfahren. "Damals steckte der Sport praktisch noch in seinen Kinderschuhen", sagt er. Doch das Wakeboarden sollte noch eine viel größere Rolle in Voss' Leben einnehmen.

Mit seiner Geschäftspartnerin Sonja Miltschitzky führt er heute mit dem "Waketoolz Wakepark" in Wörth an der Isar mittlerweile sogar seine eigene Anlage. Den Weltmeistertitel, den Voss in Orlando ergattern konnte, ist sein 25. Titel, seit er sich zum ersten Mal ein Wakeboard unter die Füße schnallte und sich vom Lift an einer Leine mit Geschwindigkeiten von über 30 Stundenkilometer über das Wasser ziehen ließ. Der Sport an der Leine hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen.
Eine Herausforderung nach der anderen
Loslassen wäre beim Wakeboardfahren ohnehin eine ganz schlechte Idee, denn ohne Zug auf der Leine geht man zwangsläufig unter. Letzteres müssen in aller Regelmäßigkeit die blutigen Anfänger beim Wakeboardfahren schmerzlich feststellen, die bei Voss Trainerstunden buchen und sich den Ritt übers Wasser zu leicht vorstellen. "Von außen sieht das Fahren immer einfach aus. Doch je besser jemand fährt, desto einfacher sieht es aus", sagt Voss.
Neben dem Kurvenfahren gehört der Start zu den großen Herausforderungen, den Neulinge meistern müssen - nicht selten vor schaulustigem Badeseepublikum. Voss: "Für viele ist die größte Hürde die Überwindung des Schamgefühls. Manche haben Angst, ausgelacht zu werden. Der größte Fehler ist eigentlich, dass die Leute immer bei schönem Wetter kommen, um zu üben." Voss sagt, Wakeboarden soll in erster Linie Spaß machen, den Sport könne man bei fast jedem Wetter ausüben.
80 Prozent sind Hobbyfahrer
Los legen die jungen Talente an seiner Wakesportanlage bereits im Alter von zehn Jahren. Die Voraussetzung: Man muss sich mit dem Board aus eigener Kraft vom Bauch auf den Rücken drehen können. "Rund 20 Prozent der Sportler, die unsere Anlage nutzen, verfolgen ehrgeizige Trainingsziele. Rund 80 Prozent sind reine Hobbyfahrer." Das Potenzial des Sports, der bei den World Games 2005 zum ersten Mal auf großer internationaler Bühne auftauchte und dadurch auf der ganzen Welt populär wurde, scheint jedenfalls noch lange nicht ausgereizt zu sein. Im Gegensatz zu Skateboard- und Snowboardfahren sind die Strukturen rund ums Wakeboardfahren noch gut 15 Jahre hinten dran, sagt Voss. Wakeboardfahren ist nicht olympisch, auch wenn der Sport seit 2011 auf der "Short List" des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für künftige Olympischen Spiele als eventuelle neue Disziplinen eingetragen ist. Bekanntlich wurde bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 das Wakeboarden nicht aufgenommen. Voss: "Man bewirbt sich da seit Jahren, aber bisher mit wenig Erfolg. Warum, kann ich nicht beantworten." Wobei Voss ohnehin zwiegespalten ist, ob Wakeboardfahren überhaupt olympisch werden sollte. "Es wäre sicher ganz interessant, um ein Wachstum beim Sport herzustellen. In welche Richtung das dann wächst, ist die andere Frage."
Hinter den Wakeboardanlagen steckt übrigens deutsche Ingenieurskunst. Erfinder Bruno Rixen, der im November vergangenen Jahres verstorben ist, entwickelte den Prototyp des Wasserskilifts und brachte diesen zur Marktreife. Heute gibt es rund 80 Wakesport-Anlagen in Deutschland. Voss schätzt die Flexibilität, die der Sport mit sich bringt. "Wenn ich Lust habe, kann ich mir ein Ticket besorgen und einfach loslegen." Bei anderen Sportarten sei man auf staatsfinanzierte Infrastruktur angewiesen."
Um die ganze Welt
Das Zweite, das Voss am Sport so schätzt: Er lässt ihn auf der ganzen Welt herumkommen. Er fuhr bereits zu Wettbewerben auf die Philippinen, nach Abu Dhabi und Mexiko. "Die Anlagen stehen an den unmöglichsten Orten, da wäre ich in meinem Leben sonst nicht hingekommen."
Für Einsteiger, die den Sport in Ruhe ausprobieren wollen, ist der Spätsommer übrigens eine gute Zeit, den Sport ohne schaulustiges Publikum kennenzulernen. Aber Vorsicht: Muskelkater ist am nächsten Tag garantiert. Wakeboardfahren ist nämlich ein Ganzkörpersport. Trainiert werden die Arme, Beine und der Rücken. Voss: "Das Fitnessstudio kann man sich als Wakeboarder getrost sparen."