Landshuter Häftlinge dürfen ihren Kindern Tonaufnahmen schicken

Landshut – "Der Sohnemann war begeistert", erzählt der 34-jährige Markus H. (Name der Redaktion geändert) mit einem Lächeln im Gesicht. Er ist Inhaftierter der JVA Landshut und muss noch knapp zwölf Monate dort absitzen. Weshalb er im Gefängnis sitzt, darf er in dem Gespräch mit der AZ nicht erzählen. Zuhause hat er einen achtjährigen Sohn. Die Zeit im Gefängnis fällt dem Familienvater daher besonders schwer. Ein kleines Stückchen mehr "nach Hause" brachte ihn ein Projekt zweier junger Landshuter Justizvollzugsbeamtinnen.
Karin Hegele, Leiterin der Zugangsabteilung in der JVA, stieß ganz zufällig auf das Projekt "Storybook-Dads". Sie schaute sich 2017 einen Fernsehbeitrag über ein Gefängnis in England an. Dort wurde gezeigt, wie Gefangene ihren Kindern Geschichten auf CDs aufnehmen. Hegele war begeistert und schlug ihrem Chef, JVA-Leiter Andreas Stoiber, vor, dies in Landshut einzuführen.
Der stimmte sofort zu. Stoiber: "Das ist eine schöne Möglichkeit, die Härten der Haft für die Gefangenen etwas abzumildern. Außerdem kann so der Kontakt zu den Familien gestärkt werden."
Die Tonaufnahmen müssen in deutsch oder englisch gemacht werden
Nachdem die Ausrüstung, wie Laptop, Mikrofon, Kopfhörer, Bücher und leere CDs besorgt waren, machte sich Karin Hegele gemeinsam mit ihrer Kollegein Christina Schuder an erste Aufnahmeversuche. An ihren ersten lesenden Häftling können sie sich noch gut erinnern. Er las für seine 13-jährige Tochter, die wohl so beeindruckt war, "dass sie die Geschichte vermutlich noch heute anhört".
Mitmachen darf jeder Strafgefangene, der länger als drei Monate in Haft ist und die Geschichten entweder auf deutsch oder englisch erzählt. So können die Beamten kontrollieren, welche Worte die Gefängnismauern verlassen. Seit der Einführung Ende 2017 wurden in der JVA Landshut knapp 30 CDs aufgenommen.
Das Projekt wird auf weitere Gefängnisse ausgeweitet
Hegele: "Die Väter sind oft ganz nervös, wenn sie ihren Kindern etwas aufnehmen. Dafür sind sie danach umso glücklicher und bedanken sich viel."
Auch der Gefangene Markus H. ist froh über das Projekt an der JVA: "Ich finde das eine super Sache. So konnte ich mit meiner Stimme etwas Anwesenheit ins Kinderzimmer zaubern." H. hatte über einen Aushang im Gefängnis davon erfahren und einen Antrag gestellt. Zwei Stunden bekommen die Gefangenen dann Zeit, sich ein Kinderbuch auszusuchen, aus dem sie vorlesen möchten. Markus H. entschied sich für zwei Märchen. Kopfhörer auf, Mikrofon an und los. "Ich habe vorgelesen, wie ich es zuhause auch immer gemacht habe."
Karin Hegele und Christina Schuder kümmern sich dann ums Zusammenschneiden der Aufnahmen. Das dauert pro CD etwa zwei Stunden. Im Anschluss können die Väter noch das CD-Cover gestalten. Markus H. entschied sich für Star-Wars-Aufkleber. Damit traf er genau den Geschmack seines Sohnes. Dieser soll ganz stolz mit der CD zu den Großeltern gelaufen sein, erzählt er.
Das Projekt kommt so gut an, dass die Hegele und Schuder in den JVA Straubing und Bernau bei der Umsetzung helfen. Auch Kempten, Nürnberg und Bayreuth sind inzwischen auf den Zug aufgesprungen und bieten das Geschichten lesen für Häftlinge bei sich an.