Kochazubis während Corona: (K)ein Grund mehr aufzustehen

Landshut - Der Wechsel der Kochschürze ist nicht das einzig Neue für Markus Hildebrecht (23), als er am Montagmorgen in der "Chocolat Manufaktur" in der Landshuter Neustadt seine Arbeit aufnimmt. Hildebrecht kocht eigentlich im Restaurant des Romantikhotels "Alte Posthalterei" in Zusmarshausen (Landkreis Augsburg). Damit sind süße Nachspeisen für den 23-Jährigen zwar alles andere als Neuland, einen Einblick in einen Betrieb, der auf Süßes spezialisiert ist, wollte er sich dann doch nicht entgehen lassen. "Als ich gefragt wurde, ob ich im Lockdown bei Olaf Minet in der Manufaktur reinschnuppern und mitarbeiten will, habe ich natürlich sofort Ja gesagt", sagt Hildebrecht.
Rund 50 Prozent der Koch-Azubis haben keine Möglichkeit sich weiterzubilden
Wie die meisten Köche befindet sich der 23-Jährige seit Monaten in Kurzarbeit. Seit Montag nutzt er die Zeit für eine Fortbildung zwischen Säcken voll mit Kakaobohnen, Trüffeln und Töpfen mit Karamell. Er lernt von Minet wie Pralinen und Eis hergestellt werden und bekommt Kniffe für gelungene Macarons, Eclairs und Petit Fours gezeigt. Das Handwerk und den teils neuen Umgang mit Lebensmitteln wird Hildebrecht künftig in seinen eigenen Betrieb mit einbringen können, das Wissen für sein Portfolio als Koch ewig behalten.
Wie Fachoberlehrer Franz Kuttenberger (46) von der Berufsschule 1 sagt, haben es neben jungen Köchen derzeit vor allem die Koch-Azubis im ersten und zweiten Lehrjahr unheimlich schwer, Anschluss zu halten. Die Lehrzeit der Köche gehe schnell vorbei. Praxisunterricht bekommen in der Berufsschule 1 aktuell nur die Abschlussklassen. Mit der Schließung der Gastronomie, so Kuttenberger, ist zudem ein gewichtiger Teil der Ausbildung, die Arbeit in den heimischen Betrieben, ins Hintertreffen geraten. Die harte Realität: Rund 50 Prozent der Koch-Azubis hätten, abgesehen vom Berufsschulunterricht, im schlechtesten Fall aktuell gar keine Möglichkeit, sich weiterzubilden oder zu entwickeln. In vielen Betrieben bleibt die Küche seit Monaten kalt.
"Chillen und zocken statt lernen und kochen"
Letzteres wirkt sich auch auf die Motivation seiner Schüler aus, sagt Kuttenberger: "Wer nicht in einer Betriebskantine, in einem Altenheim oder in einem Betrieb mit To-go-Geschäft arbeitet, sitzt die meiste Zeit zu Hause rum. Chillen und zocken statt lernen und kochen: Vielen fehlt der Grund, morgens aufzustehen", so der Berufsschullehrer.
Das soll sich ändern: Die Initiative, die Minet und Kuttenberger nun anstoßen, will Auszubildende oder junge Köche in Kurzarbeit und lebensmittelverarbeitende Betriebe zusammenbringen. Interessieren dürfte die Idee also nicht nur Gastronomiebetriebe, sondern auch Bäcker, Metzgereien und Co. - also alle Betriebe, die in Sachen Lebensmittel vom Fach sind. Wie das klappen kann, macht Minet seit Montag in seiner Schokoladenmanufaktur vor, wo er Koch Markus Hildebrecht unter anderem zeigt, wie man einen Schokokuchen noch schokoladiger machen kann. Der Koch nimmt die Tipps dankend an. Minet: "Wir sind mit unseren Produkten ja sehr nah an der Gastronomie dran und vermitteln unser Wissen gern."
Fortbildungen wirken sich positiv auf die Motivation vieler Lehrlinge aus
Geregelt wird der Austausch beziehungsweise die Fortbildung in Minets Betrieb über Praktikumsverträge. Bereits in der kommenden Woche wird im Chocolat ein neuer Koch-Azubi aus dem Landshuter Fürstenhof den Pralinen-Profis über die Schulter schauen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hat Minet mit der Arbeitsagentur abgeklopft. "Damit beide Betriebe auf der sicheren Seite sind", sagt der Chocolatier. Wichtigste Voraussetzungen sind: Der aufnehmende Betrieb, in diesem Fall das Chocolat, darf kein Kurzarbeitsbetrieb sein und es darf kein Lohn gezahlt werden.
Wie Kuttenberger sagt, der den Koch-Azubi aus einer 11. Klasse der Berufsschule 1 an Minet vermittelt hat, könnten sich Fortbildungen wie im Chocolat durchaus positiv auf die Motivation vieler Lehrlinge auswirken: "Gastrobetriebe haben mittlerweile Probleme, ihre Azubis bei der Stange zu halten. Wenn sich Auszubildende aufgrund von Perspektivlosigkeit im Lockdown etwas anderes suchen, bekommt man sie vielleicht nicht mehr zurück". Zudem könnten Koch-Azubis in Metzgereien und Bäckereien sehr viel lernen, was im heimischen Betrieb nicht angeboten wird. "Der Umgang mit Fleisch oder eigenes Brot zu backen, sind nur einige Möglichkeiten. Die Fähigkeiten, die sie sich aneignen, kommen dem heimischen Betrieb wiederum zugute", sagt Kuttenberger.
Ob das Modell Schule macht? "Hoffentlich", sagt Olaf Minet, der ebenfalls mit dem Austausch und der Weitergabe von Wissen an eine Win-win-Situation für die Betriebe glaubt. Wie Kuttenberger sagt, sei man vonseiten der Berufsschule 1 bereit, als Schlüsselstelle zu fungieren und interessierte Betriebe und Auszubildende zu vermitteln. Kuttenberger: "Wer also interessiert ist, kann gerne über die Berufsschule 1 auf mich zukommen."