Innenstadtschutz oder Gewerbesteuer? Das Decathlon-Dilemma in Landshut

Nach der Entscheidung für ein Einzelhandelskonzept in der Landshuter Innenstadt halten die Diskussionen diesbezüglich weiter an. Der Stadtrat sitzt beim Thema Schutz der Innenstadt und der Entwicklung der Steuereinnahmen aus dem Gewerbe zwischen den Stühlen.
Uli Karg |
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Der Decathlon am aktuellen Standort in Ergolding. Eine Vergrößerung in den Landshut-Park ist vom Tisch.
Christine Vinçon Der Decathlon am aktuellen Standort in Ergolding. Eine Vergrößerung in den Landshut-Park ist vom Tisch.

Nach der Entscheidung für ein Einzelhandelskonzept in der Landshuter Innenstadt halten die Diskussionen diesbezüglich weiter an. Der Stadtrat sitzt beim Thema Schutz der Innenstadt und der Entwicklung der Steuereinnahmen aus dem Gewerbe zwischen den Stühlen.

Landshut – Nach vergeblichen Anläufen in den vergangenen Jahren hat sich der Stadtrat am Freitag mit 30:9 Stimmen endlich dafür entschieden, ein Einzelhandelskonzept zum Schutz der Ladenstruktur in der Innenstadt auf den Weg zu bringen. Zum Feiern war allerdings keinem zu Mute: Den einen nicht, weil sie das Konzept durch eine Ausnahmeklausel ausgehebelt sahen, die Gewerbeansiedlungen mit innenstadtrelevantem Sortiment im Industriegebiet ermöglicht. Den anderen nicht, weil diese Klausel gleich bei der ersten Belastungsprobe nicht griff.

Landshut: Umsiedlung von Sportfachmarkt Decathlon abgelehnt

Gab es im Plenum doch noch eine weitere weitreichende Entscheidung: Mit 20:17 Stimmen wurde eine Umsiedlung und Vergrößerung des Ergoldinger Sportfachmarkts Decathlon nach Landshut in den Landshut-Park abgelehnt. Zu beneiden waren die Stadträte nicht. In den zu entscheidenden Fragen bildete sich ein Dilemma ab, bei dem neben Innenstadtschutz und Gewerbesteuerentwicklung immer auch der Einzelhandelskiller Onlineshopping mitverhandelt wurde.

So verwiesen etwa Lothar Reichwein (CSU) und Robert Neuhauser (Bayernpartei) auf die längst spürbaren, massiven Umwälzungen durch den Onlinehandel, angesichts derer man, so Neuhauser, froh sein müsse, wenn sich eine Firma wie Decathlon finde, die bereit sei, am Standort Landshut zu investieren. Womit sich Neuhauser zusammen mit der SPD und Oberbürgermeister Alexander Putz (FDP) auf einer – wenn auch ungewöhnlichen – gemeinsamen Linie fand.

Landshut: "Maximaler Schaden" bei Decathlon-Abwanderung

"Maximalen Schaden" für die Stadt befürchtete etwa Putz, sollte sich Decathlon nach einer Ablehnung im Stadtrat in einer Nachbargemeinde vergrößern. Abgelehnt wurde die Decathlon-Umsiedlung aufgrund der geplanten Dimension des Projekts. Decathlon wollte sich im Landshut-Park von 800 auf 1.800 Quadratmeter Verkaufsfläche ausweiten. "Es will mir nicht in den Kopf, wie so eine Vergrößerung keinen Einfluss haben soll auf die Sportgeschäfte in der Innenstadt", sagte Bernd Friedrich (BfL).

Decathlon eine Konkurrenz für Läden in der Landshuter Innenstadt?

Eine Innenstadt-Verträglichkeit der Vergrößerung hatte die Ludwigsburger Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in einer Auswirkungsanalyse bestätigt. Darin war die Rede davon, dass das Decathlon-Sortiment lediglich als "bedingte Konkurrenz" für die Innenstadt zu werten sei. Auf Friedrichs Frage, warum die GMA demgegenüber einmal in einem anderen Gutachten das Sportsortiment Decathlons als "zentrenrelevant" eingestuft hatte, verwies der anwesende GMA-Geschäftsführer Dr. Stefan Holl auf einen "isolierten Befund".

Eine Antwort, die die Kritik an der Landshuter Decathlon-Vergrößerung nicht verstummen ließ. Jutta Widmann (Freie Wähler) gab zu bedenken, dass sich die prognostizierten Umsatz-Umlenkungen in Höhe von sechs Prozent zwar nach wenig anhörten, den Sporthändlern im Zentrum aber empfindlichen Schaden zufügen würden. Und für Tilman von Kuepach, OB-Kandidat der Landshuter Mitte, war sowohl die Decathlon-Vergrößerung, als auch das Argument "Wenn wir’s nicht machen, machen’s andere" inakzeptabel. "Mit dieser Logik kann man auch den Klimaschutz aufgeben."

Stärkung der Innenstadt durch Einzelhandelkonzept

Von "Augenwischerei" aufseiten der Verwaltung sprach Sigi Hagl. Die OB-Kandidatin der Grünen beschrieb damit die in der Sitzungsvorlage formulierte Haltung der Stadt, bei der angesichts einer 125-prozentigen Decathlon-Vergrößerung die Rede davon war, dass sich die Verkaufsfläche des Fachmarkts "gerade noch nicht zu stark" erhöhe. Mit einer Stärkung der Innenstadt, wie das Ziel des Einzelhandelskonzepts laute, habe dies nichts mehr zu tun, so Hagl. Aus diesem Grund lehnte sie für ihre Fraktion auch die Ausnahmeklausel im (ebenfalls von der GMA erstellten) Einzelhandelskonzept ab: "Das führt die Lenkungswirkung ad absurdum." Hagls Fraktionskollege Thomas Keyßner befürchtete angesichts der Klausel: "Wir machen die Ausnahmetür sperrangelweit auf."

Decathlon in Landshut - fruchtlose Appelle des Oberbürgermeisters

Von "Gesinnungsethik" sprach daraufhin OB Putz, der die Notwendigkeit der Ausnahmeklausel am Beispiel eines vor ein paar Jahren diskutierten Media-Markt-Umzugs begründete: "Ohne Klausel müsste es in so einem Fall heißen: Wir haben in der Stadt keinen Platz mehr für Dich. Sowas können wir nicht bringen." Am Ende kam die Klausel – und Decathlon blieb dennoch draußen. Trotz zuletzt fast verzweifelter Appelle des Oberbürgermeisters, die Ansiedlung eines potenten Gewerbesteuerzahlers nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Tags drauf nahm Putz in den sozialen Netzwerken nochmals Bezug auf die "Entscheidung des Stadtrats, die ich für falsch halte und sehr bedaure". Der Applaus der Facebook-Gemeinde war ihm gewiss.

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