Hier werden Ihre Daten geklaut

Alle reden von Datenschutz - doch im Alltag gibt jeder mehr von sich preis, als man vermutet. Eine Analyse der Situation.
von  Ulrike Schnyder
Eine Datenschleuder: das Handy.
Eine Datenschleuder: das Handy. © Yui Mok/PA Wire/dpa

Landshut - Sie meint es ernst: "Datenschutz ist ein Bürgerrecht", sagt Verena Osgyan, Landtagsabgeordnete der Grünen und Datenschutzexpertin. Mit ihrer Kollegin Rosi Steinberger führte sie einen "Datenspaziergang" durch die Stadt und zeigte, wo Menschen ihre persönlichen Daten preisgeben - und was das für Folgen haben kann.

Jeder hinterlässt täglich eine Datenspur - im Supermarkt, beim Telefonieren, beim Reisen. Daraus lässt sich nachvollziehen, wo wir uns bewegen, ob wir gesund leben, wer wir sind. Unternehmen zahlen viel Geld für solche Persönlichkeitsprofile. Denn damit wissen sie, auf welche Angebote wir wann und wo am ehesten anspringen. Der Datenschutz-Spaziergang der Grünen führte deshalb auch zu einigen Stationen, an denen Menschen ihre Daten nutzen.

Das Rathaus und der elektronische Personalausweis: Auf dem Chip im Personalausweis sind standardmäßig persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum und Postleitzahl und ein biometrisches Bild gespeichert. Sie können per Funk übertragen werden. "Aber nur hochwertige Lesegeräte übertragen die Daten wirklich sicher", so Osgyan.

Der Chip sei dafür gedacht, Behördengänge online abzuwickeln - die Daten fungieren als digitale Unterschrift. "Aber es gibt keine absolute Absicherung", meint Osgyan. Sie empfiehlt sogar: "Den Personalausweis in einer speziellen Hülle aufbewahren". Sie soll Funksignale blocken und davor schützen, dass die Daten ungewollt quasi aus der Hosentasche geklaut werden.

Die Bank - Was Kontenbewegungen über uns verraten: Wer bei seiner Bank einen Kredit aufnehmen will, lernt den Score-Wert kennen. Damit bewerten Banken die Bonität ihrer Kunden. Darin fließt beispielsweise ein, ob schon einmal das Konto im Minus war oder ob es einen Haftbefehl gegen den Kunden gab. "Es ist aber nicht immer klar, welche Daten Einfluss nehmen", erklärt Osgyan.

Prekär wird es, wenn auch statistische Werte genutzt werden - etwa Beruf oder Wohnort: "Das hieße, wohne ich in einer schlechteren Gegend, werde ich schlechter bewertet. Das geht hart in Richtung Diskriminierung", sagt die Datenexpertin. Aber jeder hat das Recht auf Auskunft: "Man kann bei der Schufa oder der Bank die eigenen Score-Werte beantragen." Stichproben zeigen, dass in den Datenbanken häufig Fehler hinterlegt sind - Kredite etwa, die schon lange getilgt sind. "Deswegen brauchen wir verstärkte Transparenz", so Osgyan.

Facebook und Co: Bewusster mit diesen Medien umgehen

Soziale Medien und die größte Suchmaschine der Welt: Dass Facebook, Spotify, Tinder und Google von den Daten ihrer Nutzer leben, ist nichts Neues. So werden beispielsweise Werbeanzeigen gezielt nur potenziellen Kunden angezeigt - auf Basis ihrer Likes, Klicks und Kommentare.

Auf diese Weise kann man die Nutzer auch politisch manipulieren: Die Brexit-Entscheidung in England und auch die vergangene Präsidentschaftswahl in den USA soll so beeinflusst worden sein. Soll man sich also aus sozialen Medien zurückziehen? "Das muss nicht sein. Es hilft schon viel, die Datenschutzeinstellungen zu überprüfen", sagt Osgyan, "und bewusster mit diesen Medien umgehen."

Geschäfte und die Frage "Sammeln Sie Punkte?" : "Man kriegt wenig, aber man gibt sehr viel", fasst Verena Osgyan das Payback-System zusammen. Beim Einkaufen in verschiedenen Geschäften oder beim Tanken sammelt man Punkte, die wieder eingetauscht werden können.

"Jedes Geschäft, das sich daran beteiligt, hat Zugriff auf Ihre Daten. Und die können auch zu Marketingzwecken weitergegeben werden, das steht ganz klar in den AGBs", so Osgyan. Das lässt Rückschlüsse auf den Lebensstil zu: Wer beispielsweise regelmäßig Zigaretten kauft, ist wahrscheinlich Raucher - und bekommt entsprechende Werbeangebote."

Statistisch gesehen trägt jeder Bundesbürger eine Kundenkarte im Geldbeutel. Selbst die Datenexpertin besitzt zwei. "Da habe ich mich breitschlagen lassen", gibt sie zu. "Niemand liest die AGBs durch - das kann man auch keinem wirklich zumuten. Da braucht es einfachere und transparentere Lösungen."

Die Polizei und das neue Polizeiaufgaben-Gesetz (PAG): Das verschärfte PAG erlaubt es Polizisten in Zukunft, bei Personenkontrollen nicht nur Rucksäcke und Taschen zu durchsuchen, sondern auch Handys, Laptops oder Tablets - und auch auf Cloud-Daten zuzugreifen. "Die Polizeiarbeit ist immer ein Zwiespalt zwischen Sicherheit und Freiheit. Aber das geht zu weit", sagt Rosi Steinberger. Die Landtagsfraktion hat daher gegen das neue PAG geklagt - ein Ergebnis ist noch offen.

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