Gefahr für Allgemeinheit: 47-Jähriger muss in Psychiatrie
Die Entscheidung kam nach sechs Verhandlungstagen wenig überraschend: Weil Stefan W. in seinem derzeitigen Zustand eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, hat das Landgericht am Freitag die Unterbringung des 47-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
"Die bizarre Gedankenwelt des Angeklagten hat sich bis in die Hauptverhandlung hinein offenbart", sagte Vorsitzender Richter Ralph Reiter in der Urteilsbegründung.
Der an paranoider Schizophrenie erkrankte Stefan W. suche sich seine Opfer willkürlich aus. Zudem zeige er keinerlei Krankheitseinsicht. Reiters Fazit: "Zu einer Unterbringung gibt es derzeit keine Alternative." Der Sachverhalt steht fest, so Reiter. "Ob Luzi oder Stefan W.": Die Kammer sei überzeugt davon, dass die in der Antragsschrift dargelegten Taten "von der Person begangen wurden, die hier vor uns sitzt".
Der gebürtige Freisinger, der zuletzt in Landshut gelebt hat, bestritt gestern, Stefan W. zu sein. Er beharrte darauf, "Luzi" zu heißen. Stefan W. hatte im Verlauf des Prozesses immer wieder für Turbulenzen gesorgt. Mal beschimpfte und bedrohte er Verfahrensbeteiligte und Prozessbeobachter, mal sprang er auf und schrie herum. Die Erstattung des psychiatrischen Gutachtens fand in seiner Abwesenheit statt, da er den Sachverständigen Dr. Bernd Weigel nicht zu Wort kommen ließ und ihn stattdessen beschimpfte: Er wolle sich "den Scheiß" nicht länger anhören. Nicht er sei schizophren, sondern der Sachverständige.
Den Verdacht, dass es sich bei den Ausbrüchen von Stefan W. teilweise um Schauspielerei handelt, hatte der Sachverständige verneint: "Ein normales Verhalten ist ihm selbst bei der größten Willensanstrengung nicht mehr möglich." Weigel riet dringend zur Unterbringung. Dass es noch nicht zu schlimmeren Taten gekommen ist, liegt laut Weigel lediglich daran, das W. durch die vorläufige Unterbringung "gestoppt" wurde.
W. war im März vergangenen Jahres in das Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen eingeliefert worden, wo er gleich mal eine Pflegerin beleidigte und ihr Haare ausriss. Der von Staatsanwalt Achim Kinsky vertretenen Anklageschrift zufolge war er unmittelbar vor seiner Festnahme als Großstadtindianer durch Landshut gezogen und hatte unter anderem mit bunten Indianerstrichen im Gesicht und einem Messer in der Hand die Angestellte einer Videothek bedroht.
Am gleichen Tag wollte er auf dem Radweg an der Daimlerstraße eine bislang unbekannte Frau verletzen, indem er vermutlich mit einem Messer - Zeugen sprachen von einem "glänzenden silbernen Gegenstand" - ausholte und in Richtung Kopf der Frau schlug. Zu einer Verletzung kam es aber nicht, da sich die Frau nach links neigte, dem Schlag auswich und davonradelte. Zudem hatte W. bereits im Februar im BKH Landshut eine Ärztin bedroht, die laut Vorsitzendem Richter Reiter heute noch Angst vor ihm hat.
Auch Verteidiger blieb von Tiraden nicht verschont
Staatsanwalt Kinsky blieb nach der Beweisaufnahme bei dem Antrag der Staatsanwaltschaft, Stefan W. in einer psychiatrischen Einrichtung unterzubringen. Verteidiger Michael Dietl - der von den Tiraden des Angeklagten ebenfalls nicht verschont blieb und sich des Öfteren die Frage gefallen lassen musste, wer er denn überhaupt sei - stellte eine Unterbringung in das Ermessen des Gerichts. Dieses folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und ordnete die Unterbringung an.
Dabei hatte sich die Kammer nicht nur auf das Gutachten Weigels gestützt, wie Reiter sagte. Die Gefährlichkeitsprognose bezüglich des Angeklagten sei "auf breiter Grundlage gesichert". Es hätten sich schon diverse Psychiater mit Stefan W. auseinandergesetzt, die alle zu demselben Ergebnis gekommen seien. Außerdem habe man die Berichte der Polizei, die bei dem 47-Jährigen ebenfalls häufig mit ihrem Latein am Ende gewesen sei. Zu guter Letzt, so Reiter, habe allein schon sein bisheriges Verhalten im Gerichtssaal gezeigt, dass mit weiteren Straftaten zu rechnen sei.
W. befinde sich seit 2016 im Zustand einer psychotischen Entgleisung; seine Fantasien hätten sich weiterentwickelt. Zeugen zufolge verspüre der 47-Jährige den Drang, einen Menschen aufzuschlitzen. Dabei könne jedermann Opfer von Stefan W. werden. Man habe also keine Grundproblematik, die man ändern könne, etwa wenn jemand auf bestimmte Personen fixiert sei und man ihn dann eben in ein anderes Umfeld verfrachte. "Das Risiko einer Aussetzung ist der Kammer derzeit zu hoch."
Reiter riet Stefan W. dringend, Medikamente zu nehmen. Dies sei die letzte Chance, doch noch ein halbwegs normales Leben führen zu können. Die Unterbringung sei unbefristet; es werde halbjährlich geprüft, ob der Patient Fortschritte mache. "Es soll ja niemand sein Leben lang in der Psychiatrie sitzen."
Was er dazu sage, wollte Reiter von Stefan W. wissen.
"Sie haben keine Kompetenz", antwortete dieser ungerührt.