Familienclan schickt Mädchen auf Diebestour – Prozess

Landshut - Der Münchner Polizei zufolge sollen sie 2017 für jeden fünften Wohnungseinbruch in Deutschland verantwortlich gewesen sein. Nun müssen sich erstmals vier mutmaßliche Bandenmitglieder vor der Jugendkammer des Landgerichts verantworten. Sie kommen aus Kroatien und gehören zu einer Roma-Familie. Der Staatsanwaltschaft zufolge handelt es sich bei dem Ehepaar Jovanka und Rade V., ihrem Sohn Giorgio und einer Tante gar um die Führungsriege.
Die vier sollen keinen der Einbrüche selbst begangen haben. Dafür hatten sie ihre Arbeitsbienen, wie die einbrechenden Mädchen während der Ermittlungen genannt wurden. In eineinhalb Jahren akribischer Recherche haben die Beamten der Ermittlungsgruppe "Cucina“ versucht, das Einbrechernetzwerk aus Südosteuropa, das durch Verwandtschaft und Heirat miteinander verwoben ist, zu entwirren. Knapp 500 Personen haben sie ermittelt, die sie der Bande zurechnen - allen voran das Ehepaar V. und deren Söhne, dessen zentraler Lebensinhalt offensichtlich Eigentumsdelikte waren.
Der 48-jährige Rade und seine 50-jährige Frau hatten sich in einem Vorort von Zagreb eine schmucke Villa gebaut, mit Marmor und gehobener Ausstattung. Bei einer Hausdurchsuchung im Mai 2017, die die Münchner Staatsanwaltschaft erwirkt hatte, wurden dort zahlreiche Schmuckstücke gefunden. 100.000 Euro wurden sichergestellt. Es folgte die Festnahme des Ehepaars.
Schwerer Bandendienstahl: Deshalb findet der Prozess in Landshut statt
Für den 21-jährigen Sohn Giorgio - der zum Prozessauftakt in Landshut in einem T-Shirt mit buntem Totenkopf-Aufdruck erschien - klickten am Münchner Flughafen die Handschellen, als er nach Kroatien ausreisen wollte. Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass der Prozess gegen die Clan-Oberhäupter nun vor der Jugendkammer des Landgerichts Landshut stattfindet: Der Flughafen fällt in den Zuständigkeitsbereich der Landshuter Justiz.
Laut Ermittlungen war alles bestens und hierarchisch organisiert. Auf der untersten Stufe standen die zumeist minderjährigen Mädchen, die zum Teil nur zum Einbrechen einreisten; andere lebten länger in Deutschland. Dann kamen Helfer, die für die Mädchen etwa Unterkünfte organisierten, von wo aus sie auf Diebestour gingen. Auf ihren Touren wurden die jungen Frauen dann aber direkt durch ständigen Telefonkontakt von den Angeklagten angeleitet. Als Einbruchsziele wurden Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ausgewählt, um das Entdeckungsrisiko zu minimieren. Unverschlossene Wohnungstüren wurden mit sogenannten Flipperkarten geöffnet; ansonsten gewaltsam mittels Schraubenzieher. Diejenigen, die erwischt wurden, bekamen Top-Anwälte zur Seite gestellt. Und es gab sogar Geldsendungen an Arbeitsbienen im Gefängnis.
Die Anklage legt Jovanka und Rade V. schweren Bandendiebstahl in fünf Fällen zur Last. Es geht um Einbrüche in Essen, Düsseldorf, Dortmund und Köln. Ihr Sohn muss sich wegen versuchtem Bandendiebstahl verantworten. Für den Prozess sind zehn Verhandlungstage angesetzt, 32 Zeugen sollen gehört werden, 1.200 Seiten Telefonmitschnitte sind zu bearbeiten. Noch vor Prozessbeginn küsste Jovanka V. ihren Mann, bis sie von Vorführbeamten getrennt wurden, dann betete sie und fand noch die Zeit, Journalisten im Saal zu beschimpfen. Während der Verhandlung dann war sie hauptsächlich mit Weinen beschäftigt. Ihr Mann behauptete vor Gericht, nur sein Haus in Kroatien und Kopien von Luxusuhren zu besitzen. Ansonsten schwieg die Familie und ließ stattdessen ihre Verteidiger, darunter der Münchner Promi-Anwalt Steffen Ufer, reden.
Einbrecherin von Mann und Schwiegermutter angeleitet
Unter anderem sprachen die Verteidiger von einer Vorverurteilung ihrer Mandanten durch die Presse; davon, dass der Gesamtschaden in den angeklagten Fällen bei „nur“ 12.500 Euro liege, und dass ein Tatnachweis in den meisten Fällen nicht zu führen sei. Sie könnten sich maximal eine Freiheitsstrafe von drei Jahren „vorstellen“, meinten die Verteidiger des Ehepaars. Bei Giorgio V. müsse Jugendstrafrecht angewandt werden, so dessen Verteidiger. Und nachdem dieser, wie seine Eltern auch, mittlerweile seit 14 Monaten in Untersuchungshaft sitze, sei eine Freisetzung eigentlich das einzig in Frage Kommende. Seine Ehefrau würde ihn dann allerdings nicht in die Arme schließen können: Sabrina V. war ebenfalls eine Arbeitsbiene und muss sich für Einbrüche in Köln und Dortmund verantworten, die sie nach telefonischer Anleitung durch ihren Mann und ihre Schwiegermutter begangen hat.
Der Prozess wird am 11. Juli fortgesetzt.