Experten klären auf: Das steckt hinter der Mückenplage in Landshut
Landshut - Manch einer sah im Juni danach aus, als würde er einen Veitstanz aufführen: Nur noch schlagend und fluchend bewegten sich viele im Garten fort. Das Grillen wurde zur Qual, das Sitzen im lauschigen Garten ebenso. Manch einer stöhnte sogar, es seien viel aggressivere und fiesere Mücken als in den Jahren zuvor.
Genau deshalb hat der Naturwissenschaftliche Verein Landshut (NVL) diverse Mücken in der Stadt gefangen – und sie an den sogenannten "Mückenatlas" des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) geschickt.
Jetzt sind die Ergebnisse da: Die bei weitem häufigste Stechmücke aus den Proben war laut NVL die Art "Aedes sticticus" aus der Gruppe der Überschwemmungsmücken. In Überschwemmungsgebieten und Auenlandschaften ist sie im Hochsommer in vielen Gebieten Europas eine der häufigsten Stechmückenarten.
Mücken auch in Bereichen ohne Hochwasser
"Ihre Larven leben im Boden und werden bei Hochwässern aktiviert", sagt Stefan Müller-Kroehling, zweiter Vorsitzender des NVL und Initiator der Mücken-Sammelaktion. Und solche überschwemmten Gebiete gab es im Mai und Juni auch in Landshut.
Die Weibchen dieser Mückenart können pro Tag Strecken bis zu einem Kilometer zurücklegen, deshalb gelangten sie auch in Bereiche, in denen es kein Hochwasser gab. "Diese Mücken waren in ganz Landshut nachweisbar, auch in der gewässerarmen Bayerwaldsiedlung", sagt Müller-Kroehling. Die genaue Bestimmung dieser Insektenart durch die Expertin Doreen Werner vom Mückenatlas hat die Erwartungen des NVL bestätigt.
Müller-Kroehling ist jedoch überrascht vom Auftreten einer anderen Mückenart. Sie trägt den hübschen wissenschaftlichen Namen "Anopheles plumbeus" und kommt eigentlich in feuchten Baumhöhlen vor, einem seltenen Lebensraum. "Die haben wir jetzt in Landshut nicht so häufig", sagt Müller-Kroehling.
Güllegruben und Abwasserbecken bei Mücken beliebt
Was in Landshut und Umgebung jedoch vorkommt, sind Güllegruben und Abwasserbecken. Genau die hat sich diese Mückenart als "sekundären Lebensraum" erschlossen; sie mag Wasser mit sehr geringer Qualität und gilt als sogenannte "Kulturfolgerin" der intensiven Landnutzung.
Und genau diese Mücke wird dem Menschen besonders lästig. Als "fiesen Stecher", der dem Menschen "wie ein Hund folge", beschreibt die Stechmückenexpertin Doreen Werner vom Mückenatlas diese Art, die auch in den vom NVL versandten Proben aus dem Stadtgebiet zu finden war, wenn auch seltener als die Überschwemmungsmücken.
Was zu denken gibt: Diese Art kann auch potenziell den Malaria-Krankheitskeim übertragen. "Jedoch ist kein Grund zur Panik in Landshut gegeben. Das wäre unangemessen", sagt Müller-Kroehling. Schließlich müsste diese Mücke zuerst einen Malaria-Kranken stechen und so die Krankheit weitergeben.

Struktur- und artenreiche Landschaft hilft gegen Mücken
Außerdem braucht der Erreger klimatische Bedingungen, um weiterleben zu können. Die sind momentan eher nicht gegeben, aber, so Müller-Kroehling: "Wer weiß, was in 20 oder 50 Jahren ist, wenn es mit dem Klimawandel so weitergeht?" Daher sei es jetzt schon eine richtige Entscheidung, in der Landwirtschaft von der intensiven Güllewirtschaft wegzukommen, um eben dieser Mückenart keinen Brutraum zu schaffen.
Denn: Wenn sie etwas liebt, dann schlechtes Wasser, Gülle- und Abwassergruben. Von einer extensiveren Landwirtschaft profitierten dann auch die Artenvielfalt, die Luft- und die Grundwasserqualität. Auch gelte nach wie vor: Artenvielfalt schaffen, damit natürliche Fressfeinde wie Wespen, Libellen und Vögel den vielfältigen Mückenarten den Garaus machen. "Je strukturreicher und artenreicher eine Landschaft, desto besser", sagt der Naturwissenschaftler.
Ob übrigens Krankheitserreger in den gesammelten Mücken des NVL waren, ist unklar. Dazu bräuchte es spezielle Fallen, in denen die Mücke sofort nach dem Fang eingefroren wird. Davon stünden deutschlandweit etwa 30 Stück an wechselnden Orten, so Werner.
Mückenplage: Rote Stellen und extremer Juckreiz
Die ganz fiesen Mücken, die von vielen im Juni bemerkt wurden, könnten übrigens auch so genannte Gnitzen und Kriebelmücken gewesen sein. Diese stechen nicht, sondern beißen eher kleine Löcher in die Haut des Menschen. In diese Löcher spritzen sie Blutverdünner und trinken dann quasi aus dem kleinen Loch. Die Folge beim Menschen sind rote Stellen und extremer Juckreiz.
"Wenn diese Insekten oder auch andere Mücken vorher ein Pferd, eine Kuh oder Schwein gebissen haben, kommen die Keime von dort auch in die menschliche Wunde. Und das ist in vielen Fällen ungünstig, weil darunter auch antibiotikaresistente Keime sein können", so Müller-Kroehling.
Von einer Bekämpfung halten die beiden Forscher von ZALF und NVL wenig. Meistens erledige sich die Mückenplage nach wenigen Wochen von selbst, und eine Bekämpfung könne dies auch nicht beschleunigen. Stattdessen gelte es, Wasseransammlungen im Garten mindestens alle zehn Tage austrocknen zu lassen oder auszuleeren.
Wer sich übrigens auch bei der Mückenjagd beteiligen will, ist beim NVL genau richtig. Die "Citizen Science"-Projekte wolle man ausbauen, so Müller-Kroehling, vorausgesetzt, es finden sich Freiwillige. Auch sucht der Verein stets Naturinteressierte für alle naturwissenschaftlichen Forschungsgebiete und die Arbeit in den Sammlungen und der Bibliothek. Vorkenntnisse sind keine erforderlich.
Mehr dazu unter info@nwv-landshut.de oder bei den Vorträgen bei der VHS.
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