Interview

Drachenburg: "Das war ein Fass ohne Boden"

Landshuts Quartiersmanagerin hat bislang 17 Personen aus der geräumten "Drachenburg" in besseren Wohnverhältnissen untergebracht.
Ingmar Schweder
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Ele Schöfthaler, Quartiersmanagerin soziale Stadt Nikola (Landshut).
Ele Schöfthaler, Quartiersmanagerin soziale Stadt Nikola (Landshut). © Christine Vincon

Landshut - Die "Drachenburg" an der Luitpoldstraße 32 steht nach der Nutzungsuntersagung durch die Stadt Landshut leer (wir berichteten).

Etwa die Hälfte der rund 200 Bewohner - hauptsächlich Menschen aus Osteuropa - mussten nach ihrem Auszug in einer Notunterkunft der Stadt Landshut untergebracht werden. Rund 70 von ihnen leben nach Angaben des Sozialreferats dort aktuell, 30 sollen sich im Heimaturlaub befinden.

Die "Drachenburg" kurz nach Auszug der Bewohner vor rund zwei Wochen.
Die "Drachenburg" kurz nach Auszug der Bewohner vor rund zwei Wochen. © Ingmar Schweder

Die Suche nach einer neuen Bleibe gestaltete sich schwierig

Die Suche nach einer besseren Bleibe für die ehemaligen Mieter gestaltet sich aber schwierig. Ele Schöfthaler, Quartiersmanagerin der Sozialen Stadt Nikola, packt ebenfalls mit an - und steht dabei in engem Kontakt mit dem Sozialamt der Stadt Landshut.

Schöfthaler hatte über ihren Verein ZAK in der Vergangenheit immer wieder versucht, Bewohner der "Drachenburg" in einem sozialverträglicheren Umfeld unterzubringen.

AZ: Frau Schöfthaler, Sie standen bereits in der Vergangenheit in Kontakt mit ehemaligen Bewohnern des Hauses Luitpoldstraße 32. Wie war es für Sie, als Sie von der Nutzungsuntersagung erfahren haben?
ELE SCHÖFTHALER: Als Verein hatten wir in der Vergangenheit Wohnungen an der Oberndorfer Straße und an der Nelkenstraße angemietet, um Eltern eine Chance zu geben, aus der "Drachenburg" rauszukommen, wenn sie Arbeit hatten. Das war wichtig, damit sie nicht ihr ganzes Arbeitsentgelt in der "Drachenburg" abgeben mussten. Aber die "Drachenburg" war ein Fass ohne Boden. Da ist jedes Loch sofort wieder gefüllt worden.

Wie geht es den ehemaligen Bewohnern, mit denen Sie in Kontakt stehen ?
Was ich gut finde, ist, dass jetzt jede Familie offen darüber sprechen kann, was ihnen dort passiert ist. Der plötzliche Auszug war dennoch ein Schock für die Bewohner. Sie haben nicht begriffen, warum sie seit Jahren immer neue Nutzungsverträge auf Zeit für die Wohnungen bekommen, die dann mit Sanierungsversprechen und mit höherem Mietzins verlängert werden; und dann müssen sie plötzlich raus und sind obdachlos. Alle Verträge, die ich gesehen habe, waren sehr unterschiedlich und Zeitmietverträge. Unbefristete Verträge habe ich keine gesehen. Manchmal musste der Vermieter wohl mit dem Mietzins runtergehen, um vom Jobcenter noch Aufstockergelder zu bekommen. Dafür sind dann die Nebenkosten erhöht worden.

Viele Landshuter haben die Augen verschlossen

Ist der Fall "Drachenburg eine Blamage für Landshut ?
Es kann in einer reichen Stadt wie Landshut nicht sein, dass Menschen in so einer schwierigen Lage hausen mussten - und ganz viele die Augen davor verschlossen haben.

Sie suchen für ehemalige Bewohner der "Drachenburg" nun nach Wohnungen. Ist das nicht eigentlich Aufgabe des Vermieters, dafür zu sorgen, dass die Menschen gut untergebracht werden ?
Ja, aber wenn der ehemalige Vermieter nichts macht, dann sind die Menschen nach dem Auszug erstmal obdachlos. Wenn diese Aufgabe nicht erfüllt wird, ist die Kommune dran. Ich bin nur mittelbar involviert, weil mich das Schicksal der Menschen nach wie vor interessiert. Die Sozialamtsleitung der Stadt Landshut ist wirklich sehr engagiert und wir stehen im ständigen Austausch. Ich unterstütze, wo ich kann, das ist mein Job. Sobald die Datenfreigabe erfolgt, bekomme ich Fälle vermittelt, wo wir meinen, es lohnt sich, für diese direkt auf dem freien Markt eine Wohnung zu suchen. Wenn jemand arbeitet, wäre es völliger Quatsch, ihn in eine Notunterkunft einzuweisen. Da sollte man besser schauen, dass man auf dem Wohnungsmarkt etwas findet. Zum Glück ist die Immobilienverwaltung, mit der ich in Kontakt stehe, sehr kulant und meldet mir gerade jede freie Wohnung in Landshut. Wenn die potenziellen Mieter eine passende Selbstauskunft abgeben können, können sie die Wohnung auch haben.

17 Personen konnten schon vermittelt werden

Wie viele ehemalige Bewohner der "Drachenburg" konnten mit Ihrer Hilfe bereits vermittelt werden?
Insgesamt 17 Personen. Wir haben jetzt für eine Hochschwangere über eine Freundin eine Wohnung gefunden. Alle, die deutsche Fürsprecher haben, für die ist es wesentlich leichter etwas auf dem freien Markt zu finden. Da viele sehr schlechtes Deutsch sprechen, geht es fast nur über Beziehungen. Zudem haben wir auch eine Wohnung für eine Alleinerziehende mit einem 13-jährigen Sohn gefunden. Die Frau hat einen Vollzeit-Job und ist nebenher noch Putzen gegangen, hatte im Fulltime-Job 1.300 Euro netto verdient. Für das Loch, in dem sie bis zuletzt leben musste, hatte sie dann jeden Monat 900 Euro abgedrückt. Zwei Familien, die zum 1. Oktober eine Wohnung in Aussicht haben, konnte ich zum Wochenende dank meiner Freundschaft zur Äbtissin von Seligenthal für die Zwischenzeit in Ferienwohnungen unterbringen. Eine sechsköpfige Familie mit einem kranken Kind kann zum 1. September in eine von uns vermittelte Wohnung einziehen. Ich freue mich, wenn noch mehr Vermieter bereit sind, Familien in besonderen Notlagen eine Wohnung zu vermieten.

Wieso hat zum Beispiel die Alleinerziehende, von der Sie sprechen, nicht schon vorher eine neue Wohnung gesucht?
Wenn man sich mit der Adresse Luitpoldstraße 32 bei einem Vermieter vorstellt, ist das Thema sofort durch. Du bekommst keine Wohnung. Die Frau heute hat gesagt, die Nutzungsuntersagung war ein Glücksfall für sie. Sie ist eine sehr stille Person und lebte in der "Drachenburg" mit ihrem Sohn sehr versteckt. Sie hatte sich nie beschwert und sich nie an Ämter gewandt, um ergänzende Leistungen zu beantragen. Hätte es den großen Auszug nicht gegeben, wäre sie mir nie aufgefallen. Sie hat dort gezahlt, was zu zahlen war. Nun hat sie endlich eine saubere und preislich angemessene Wohnung für ihr Geld. Zwei weitere Wohnungen haben wir noch in Aussicht, wenn die Selbstauskunft passt.

Aus Fehlern lernen

Welche Fehler sind Ihrer Meinung nach im Fall "Drachenburg" passiert?
Über Fehler der Vergangenheit zu reden, finde ich nicht so sinnvoll, wenn wir nicht aus den Fehlern lernen wollen. Wenn wir aus Fehlern lernen wollen, sollten wir uns genau umschauen in der Stadt und uns mitverantwortlich fühlen für Menschen, die sich nicht so leicht selbst zu helfen wissen. An der Altdorfer Straße steht zum Beispiel ein Gebäude, das auch nicht mehr in einem so "wunderbaren Zustand" ist. Ich denke, man sollte grundsätzlich verstärkt nachschauen, unter welchen Bedingungen Menschen leben. Andere Städte haben es uns vorgemacht, da war zum Beispiel Duisburg wesentlich cleverer. Die haben solche Mietverträge, wie es sie in der "Drachenburg" gab, einfach nicht mehr akzeptiert. Da waren wir als Stadt Landshut etwas zu zaghaft.

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Was halten Sie davon, dass bis zuletzt und trotz anderweitiger Aussagen von Vion im Dezember doch Schlachthofmitarbeiter in der "Drachenburg" gewohnt haben?
Ich weiß von einer Familie, die wollten aber nicht darüber reden. Mich hat es sehr überrascht, dass trotz der Auskunft von Vion, dass dort niemand mehr drin ist, doch noch Schlachthofmitarbeiter gewohnt haben. Die Aussage von Vion, dass die Leute sich da so wohl gefühlt haben und sie da nicht rauswollen, war rührend. Wenn man in der "Drachenburg" mit mehreren Kindern gehaust hat und der Balkon zugenagelt war, war da kein menschenwürdiges Wohnen möglich.

Wie lange wird es noch dauern, bis auch für die restlichen Betroffenen, die noch in der Notunterkunft gestrandet sind, eine Bleibe gefunden werden kann?
Ich kenne die Notunterkunft, sie kann auch nur eine Sommernotlösung sein, länger kann das so nicht gehen. Da einige in den Heimaturlaub gefahren sind, denke ich, dass im September nochmal Bewegung in die Sache kommen wird. Derzeit ist es schwer für das Sozialamt, den eigentlichen Bedarf herauszufinden.

Vermieter können sich auch außerhalb der Öffnungszeiten des Quartiersladens mit Wohnungsangeboten an Ele Schöfthaler wenden, Telefon 0151/ 52465345.

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