Camper mit Herz
Der vom Landshuter Dominik Metzger (23) und dem Kölner Luca Toboll (25) gegründete Verein sammelt Spenden für Menschen, die ihnen während ihrer Reise nach Kalkutta begegnen.
Landshut - Mit mittlerweile 3 500 Euro haben die beiden Bedürftige in ihrem Alltag unterstützt, zuletzt in der Türkei. Sie finanzieren Arztbesuche, kaufen Essen oder Schulbücher für die Kinder - und spenden damit immer ein "Lächeln". Alle Ausgaben der gespendeten Mittel und die Geschichten dazu, werden auf ihrem Internetblog festgehalten und dokumentiert.
AZ: Wann und vor allem warum kamt Ihr auf die Idee, den Verein zu gründen?
DOMINIK METZGER: Um unseren Absichten und Überzeugungen einen Rahmen zu bieten und es offiziell zu machen, haben wir uns zu Beginn dieses Jahres dazu entschlossen, Travel for Smiles zu gründen. Der Verein gibt uns die Möglichkeit, auch andere Menschen mit ins Boot zu holen und ein langfristiges Projekt daraus zu machen.
Woher kennt Ihr Euch?
Wir haben uns im August 2015 in Malindi (Kenia) bei der Freiwilligenarbeit in einem Kinderheim des "Imani Childrens Orphanage" kennengelernt.
Wie ist es, so lange zu zweit in einem Camper zu leben?
Erstaunlich einfach. Ab und zu braucht man mal einen Moment für sich, aber wir kennen uns inzwischen gut genug. Wir sind auch viel unter anderen Menschen. Also begrüßen wir es, ab und zu ein paar Tage auf uns allein gestellt zu sein.
Hat er bis jetzt überlebt (also der Camper), und wie lange hat es gedauert, ihn umzubauen?
Bis auf den ein oder anderen Kratzer ist das Auto noch sehr gut in Schuss und kommt dank seines Allradantriebs bisher jeden schneebedeckten Anstieg rauf. Lediglich zwei Mal musste die Verkabelung der Solaranlage wieder instand gesetzt werden. Wir haben uns das Auto Ende Februar dieses Jahres zugelegt und ab April mit dem Umbau begonnen. An der Aluminium-Dachbox haben wir bis abends um 21 Uhr am Tag vor unserer Abfahrt mit Freunden noch gearbeitet und anschließend in einer Nacht-und-Nebel-Aktion montiert.
Was ist Euch auf der Reise bis jetzt Skurriles passiert?
Im ostanatolischen Hochland auf dem Weg nach Erzurum haben wir nachts um halb 1 festgestellt, dass sich in unserem Camper eine Maus eingenistet hat. Beim Schlafengehen ist sie Dominik am Gesicht entlanggelaufen, was zu einer mitternächtlichen dreistündigen Mäusejagd bei minus drei Grad führte. Um halb 4 brachen wir das Ganze erfolglos und komplett durchgefroren ab, in dem Wissen, ab jetzt das Auto mit der Maus teilen zu müssen.
Wie finanziert Ihr das Ganze? Also zusätzlich zu den Spenden. Wie lebt Ihr und von was?
Die Spendengelder gehen zu hundert Prozent an bedürftige Menschen, die wir auf unserem Weg treffen. Wir finanzieren uns die Reise von Ersparnissen, indem wir zum Beispiel auf Volksfesten wie der Landshuter Dult und der Wiesn gearbeitet haben.
Was hat Euch bis jetzt am meisten fasziniert?
Die Freundlichkeit, mit der uns in egal welchem Land auf unsere Reise bis jetzt begegnet worden ist. Ob es die Flüchtlinge oder anderen Freiwilligen auf Chios, die türkische Polizei, unsere Couchsurfing-Hosts oder kurdischen Familien waren. Die Lebensfreude der Menschen, die so wenig haben, aber mit uns doch alles teilen wollten. Aber auch die wunderschönen Landschaften, durch die wir das Privileg hatten, fahren zu dürfen: Adria-Küste, Schwarzes Meer, Ost-Anatolisches Hochland und der Norden des Irans.
Wurdet Ihr auch mal gar nicht so nett irgendwo empfangen?
Im Hinterland Albaniens sind wir in tiefster Nacht von der Autobahn gefahren, um einen Schlafplatz zu suchen. Die kleine Schotterpiste führte uns in eine verarmte Farmersiedlung, in der die Grenzen unseres Autos getestet wurden. Es waren jedoch keine Menschen, sondern eine Armee an Hunden, die wie verrückt bellend auf uns aufmerksam machten und - wie wir fürchten - das gesamte Dorf aufweckten.
Habt Ihr manchmal Angst?
Es gab lediglich einen Moment des Unbehagens. Tief im kurdischen Gebiet der Türkei fuhren wir bei Nebel und schneebedeckten Straßen nachts Richtung Grenze. Auf unserem Weg sahen wir zwei Männer mit zwei AK-47 bewaffnet. Die Waffen ließen uns davon ausgehen, dass es sich nicht um türkische Soldaten handeln konnte. Es war ein seltsames Gefühl, die beiden nicht mit Sicherheit zuordnen zu können. Wir schätzen, sie waren PKK-Kämpfer.
Was habt Ihr alles dabei ? Gibt es irgendeinen Luxus? Stichwort Solardusche?
Wir haben eine Solaranlage, die uns mit Strom versorgt und den Kühlschrank speist. Die Mokka für den morgendlichen Kaffee auf unserem Gasherd ist Lucas ganz persönlicher Luxus. Außerdem ist eine Gitarre und ein Paraglider Teil der Ausrüstung.
Seid Ihr schon dem körperlichen Verfall ausgeliefert?
Dem Luxus der regelmäßigen Dusche haben wir schon vor einigen Wochen Lebewohl gesagt. Wenn wir nicht über Couchsurfing oder Ähnliches die Möglichkeit haben, irgendwo zu duschen, wird auch schon mal Katzenwäsche an unserem Wassercontainer betrieben. Da wir natürlich auch keine Toilette dabei haben, kann das mit dem Klogang auch leicht zu einem kleinen Abenteuer werden.
Welches Schicksal auf der Reise hat Euch am meisten beeindruckt?
Im kurdischen Teil der Türkei verteilten wir Essen und Kleidung an fünf Familien, die allesamt ihre eigenen tragischen Geschichten hatten. Die letzte Familie hinterließ bei uns den nachhaltigsten Eindruck. Wir erfuhren, dass die Familie ihren ältesten Sohn im Kampf für die PKK ein Jahr zuvor verloren hatte und der zweitälteste zu genau dem Zeitpunkt unseres Besuches in den Bergen kämpfte. Von dem Vater erfuhren wir, dass er vor zwei Jahren ein hohes Amt im öffentlichen Dienst besetzte, aber in Folge des Putsches mit zahlreichen anderen kurdischen Beamten seinen Job verlor und für zwei Jahre ins Gefängnis gesperrt wurde. Mit diesen Menschen auf Augenhöhe über das Weltgeschehen zu reden und mehr über die Einflüsse der europäischen Politik auf die Situation im Nahen Osten zu erfahren, ohne dass ein Vorwurf gegen uns persönlich erhoben wurde, hinterließ bei uns einen tiefen Eindruck.
Warum seid Ihr auf dieser Route unterwegs? Ihr hättet ja auch ganz woanders hinfahren können?
Da zum Beginn unserer Reiseplanung im August 2016 die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen in Deutschland begann, umzuschlagen, war es uns wichtig, gerade hier einen Schwerpunkt unserer Reise zu setzen, um uns von deren Herkunftsregion und Kultur ein eigenes Bild machen zu können. Aber weil wir unser Projekt nicht auf irgendeine Region limitieren wollen und eine Weiterfahrt über Nepal bis Indien für uns reizvoll klang, haben wir uns für diese Route entschieden.
Seid Ihr einfach zack, bumm losgefahren - oder was habt Ihr vorher geplant?
Wir haben eineinhalb Jahre ein Mal pro Woche ein Skype-Date gehabt, um über das Projekt und unsere Reise zu sprechen. Die Ergebnisse davon sind unter anderem der von uns gegründete Verein Travel for Smiles, also die Internetseite, die Luca ohne irgendwelche Vorkenntnisse im Webdesign zu haben, erstellt hat und der Camper, den ich in Eigenregie mit der Hilfe meines Bruders und meines Vaters komplett selbst umgebaut habe. Und die Projekte, die wir auf unserer Reise anfahren.
Vermisst Ihr die Adventszeit daheim, wahlweise Weihnachten?
Nur gelegentlich kommt uns einmal der Gedanke an die Zeit mit den Liebsten zu Hause, auch weil wir mit unserem Projekt eigentlich mehr als Vollzeit beschäftigt sind. Gedanken an die besonders familiäre Stimmung zu Weihnachten, für Luca der jährliche Weihnachtsbesuch in Belgien bei seiner Familie, die er nur selten sieht und an seine Freundin lassen uns aber doch unser Zuhause vermissen.
Was sagen Eure Familien zu der ganzen Sache?
Als wir zuhause verkündeten, was wir vor hatten, waren die Bedenken schon sehr groß. Über die Zeit konnten wir aber durch unsere Recherchen unsere Familien von anderem überzeugen. Natürlich sind gerade Länder wie Iran und Pakistan immer noch mit Sorge behaftet, aber sie haben es jetzt akzeptiert, denken wir. Nicht, dass wir ihnen eine große Wahl gelassen hätten.
Das Reisetagebuch gibt es unter travelforsmiles.com/blog.
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