Buchhandel unter Druck: Sind die Landshuter Lesemuffel?

Landshut - Am Donnerstag wird in Leipzig die Buchmesse eröffnet. Kurz vor dem Beginn hat der Dachverband Börsenverein Deutscher Buchhandel die Ergebnisse einer eigenen Marktforschung präsentiert - und im Januar dramatische Zahlen zum Rückgang ihrer Käuferschaft feststellen müssen.
Zwischen 2012 und 2016 hat die Branche - Schul- und Fachbücher nicht mitgerechnet - etwa sechs Millionen Buchkunden verloren, 2015 ging der Dachverband noch davon aus, dass etwa 60 Prozent der Bevölkerung zu den Buchkäufern gezählt werden kann. Ist das Buch mittlerweile in der Liga der bedrohten Medien angekommen? Die AZ hat sich bei Landshuter Buchhändlern umgehört - von der großen Kette bis zum inhabergeführten Geschäft.
Die Frage lautet: Gibt es überhaupt eine Chance, die sechs Millionen Leser noch einmal wiederzugewinnen? "Manche schon", sagt Bernhard Bachem, Hugendubel-Filialleiter in Landshut. Erst kürzlich habe er ein Gespräch mit einer Mittzwanzigerin geführt, die seit zehn Jahren kein Buch mehr gelesen habe. "Im Urlaub hatte sie dann einen Krimi gelesen - und fand ihn toll. Sie war ganz begeistert, wieder ein Buch in der Hand zu haben." Die große Masse aber noch mal zurückzubekommen, sei dagegen weitaus schwieriger.
"Will jemand ein Buch bestellen, denkt er zuerst an Amazon"
Bachem: "Es stellt sich dabei natürlich die Frage: Wie entwickelt sich die Mediennutzung der Nachfolgegenerationen? Wie wird Lesen weiterhin in der Schule vermittelt? Und wie kann der Buchhandel noch mehr dazu beitragen, die Hemmschwelle vor dem Lesen abzubauen?"
Wie auch der Hugendubel bietet Bücher-Pustet-Chefin Franziska Schäfer Führungen an. Etwa 80 Schulklassen pro Jahr besuchen ihre Buchhandlung in der Altstadt. Das Thema: Wie entsteht ein gedrucktes Buch? "Für einige ist das schon sehr interessant. Die Hälfte sagt aber auch: Lesen, das will ich nicht. Das sagen tatsächlich auch die Gymnasiasten so."

Bernhard Bachem, Hugendubel-Filialleiter in Landshut, sieht den Handel noch gut im Schuss. Dennoch dürfe die Lücke nicht größer werden.
Bachem sieht ebenfalls die Notwendigkeit, potenzielle Leser ab 20 Jahren neu zu motivieren, eine Buchhandlung zu betreten. Junge Leser und ältere seien derzeit die Konstantesten: "Bei der Zielgruppe ab 20 Jahren wissen wir aber nicht, ob die gar nicht lesen - oder ob das die sind, die es schon gewohnt sind, alles per Mausklick zu bestellen."
Franziska Schäfer sagt, der Handel tue sich mittlerweile insgesamt schwerer. Auf Versandhandel-Riesen wie Amazon habe der Dachverband zu langsam reagiert: "Jetzt versucht er gegenzusteuern, macht viel Werbung."
Der Kunde solle wieder vermehrt in der Buchhandlung bestellen - und sich das Buch abholen. Das funktioniere schon. Aber: "Beim Bestellen von Büchern, da denkt doch jeder zuerst an Amazon." Das noch wieder aus den Köpfen zu bekommen, sei schwer.
Zwar haben die großen Ketten früh erkannt, dass Medien wie DVDs, Blue-Rays und Spiele zu dem Kaufverhalten von Buchlesern passe: "Aber wir wollen ja auf Dauer eine Buchhandlung bleiben - und kein Geschenkartikelladen werden", sagt Schäfer.
Gegen elektronische Medien gegenzusteuern, sei aber praktisch sinnlos. "Dass das mal seinen Reiz verliert, sehe ich nicht", sagt Schäfer. "Da muss man realistisch sein." Diese schweren Zeiten müssten die Verlage jetzt durchstehen.
Ein entscheidendes Signal vom Dachverband, in welche Richtung es künftig aber gehen solle, sieht Schäfer dagegen nicht. Es gebe verschiedene Projekte, "man könnte für das Buch insgesamt einfach schon mehr werben". Der Buchhandel sei da zu zurückhaltend. "Andere Branchen sind da aggressiver", sagt Schäfer. Das Buch müsste wieder mehr in den Fokus gerückt werden. "Dafür wäre unser Dachverband letztendlich ja zuständig."
Sorgen um das gedruckte Buch müssen sich Bücher-Freunde so schnell aber noch nicht machen: Die Stückzahl der verkauften Bücher ist trotz geändertem Kaufverhalten laut Dachverband nur geringfügig zurückgegangen. Der Umsatz scheint weitgehend konstant zu sein.
Smartphones, Netflix und Co. fressen die Zeit für Bücher auf
Aufgefangen haben den Käuferschwund offenbar die treuen Leser, die tatsächlich mehr Bücher kauften - auch teurere Exemplare. Da sich der Trend mit dem Rückgang der Käuferzahlen aber fortsetzt, muss die Branche bald reagieren.
Trotz Zeitfressern wie Facebook, Instagram, Snapchat und auch Serien-Portalen wie Netflix glaubt Bernhard Bachem aber nicht, dass das Buch als Unterhaltungsmedium irgendwann ersetzt werden könnte. Dennoch müsse die Branche sich auf das geänderte Freizeitverhalten der Kunden ein- und umstellen.
Das hat sie bereits: Die Branche veröffentlicht mittlerweile etwa 20 000 Titel weniger pro Jahr. Bisher konnten Käufer aus etwa 100 000 neuen Titeln jährlich wählen.
Erfreulich: Ein Geschäft, das von dem großen Kundenschwund bisher verschont geblieben ist, ist die kleinste der drei Buchhandlungen. Das inhabergeführte Geschäft von Ulrike und Rainer Dietl in der Neustadt: Zwar gehen auch dort aus diversen Gründen immer mal wieder Kunden ab, die Stammkundschaft ist jedoch überwiegend treu.

"Wir haben eine sehr spezifische Auswahl bei uns", sagt Ulrike Dietl. Ihre Kunden legen wert auf eine individuelle Beratung. Und auf ein bisschen Zeit, die sie in der Buchhandlung verbringen können. Zeit, die sie sich dann später ja auch zum Lesen nehmen.